© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/17 / 09. Juni 2017

Land ohne Grenzen, Land ohne Volk
Ein multikulturalistischer Verfassungsdammbruch: Das Karlsruher NPD-Urteil
Wolfgang Müller

Nur zwei Tage nach dem in Manchester von einem in Großbritannien lebenden Islamisten verübten Massenmord forderte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Deutschen auf, vom Islam „Toleranz“ zu lernen. Nun wecken Schäubles Äußerungen, wie etwa die im Juni 2016 präsentierte rassistische These, der Massenzustrom von „Migranten“ würde Europa vor „Degeneration“ bewahren, nicht zum ersten Mal den Verdacht, ein solches Geschwätz spiegele weit mehr als die individuelle Befindlichkeit eines frustrierten alten Mannes wider. Denn mit dem Lobpreis des „toleranten“ Islam artikuliert Schäuble lediglich den Multikulturalismus, der im Bundeskabinett vorherrschenden Ideologie. Er sagt nichts anderes als seine für die Integration der Deutschen in den Islam zuständige Ministerkollegin Aydan Özoguz (SPD), die zuletzt behauptete, es gäbe keine originäre deutsche Kultur, oder Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), für die nicht einmal ein deutsches Volk existiert, an dessen Stelle sie „jeden, der in unserem Land lebt“ setzt.

„Elementarteilchenrepublik auf deutschem Boden“

Da sich die Bundesrepublik also zunehmend zum Weltanschauungsstaat mit totalitären Zügen wandelt, der sich kaum noch Reservate für Pluralismus und Gewaltenteilung leistet, sind seine Institutionen, zuletzt die Bundeswehr, mittlerweile „bis in die Poren“ von nationalen Idealen und Werten „gesäubert“ – wie es im stalinistischen Kammerjägerjargon der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) heißt. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), dessen Personalauswahl ohnehin dem Parteienproporz gehorcht, bildet in dieser semitotalitären Landschaft keinen exterritorialen Raum. Wie im „NPD-Urteil“ vom 17. Januar 2017 nachzulesen ist, mit dem sich die Karlsruher Richter so unmißverständlich wie emphatisch zu Multikulti bekennen und ebenso wie das Bundeskabinett von Volk und Nation der Deutschen Abschied nehmen.

Mit dem Urteil ließ das BVerfG einen vom Bundesrat initiierten Verbotsantrag scheitern, da von der politisch marginalisierten NPD keine relevante Gefahr für den Bestand der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik ausgehe. Der Schwerpunkt des 298seitigen, mit 1.009 Randnoten gespickten Urteils liegt jedoch nicht, wie dies journalistische Kommentare unisono erklärten, bei wortreichen Auslassungen zur tatsächlichen oder vermeintlichen Verfassungsfeindlichkeit der NPD. 

Im Zentrum steht vielmehr, so lautet das Fazit einer analytisch scharfen Urteilsexegese des Juristen und Publizisten Thor von Waldstein (Neue Ordnung, 1/2017), die höchstrichterliche Legitimierung des Umbaus Deutschlands zum Vielvölkerstaat, zum „vielfältigen Einwanderungsland“ (Özoguz). Von der medialen Öffentlichkeit unbeachtet, hätten die roten Roben die „deutsche Nation als Entscheidungsträger über ihre eigene Zukunft endgültig beseitigt“. Insofern stehe dieser „Verfassungsdammbruch“ in seiner Fatalität der Grenzaufhebung vom 4. September 2015 nicht nach. Deutschland sei jetzt nicht nur ein Land ohne Grenzen, sondern auch ein Land ohne Volk. Mit dem Urteil halte man das Gründungsdokument der „ersten Elementarteilchenrepublik auf deutschem Boden“ in Händen, „in der volk-, kultur-, ort- und nach Möglichkeit auch kinderlose Individualexistenzen in die Sonne blinzeln“ und tun, was ihnen die vom Kapital finanzierte „öffentliche Meinung“ vorgebe.

Wie Merkel ersetzen ihre willigen Karlsruher Zuarbeiter Volk durch eine Ansammlung von „Menschen“. Nicht mehr vom Volk als dem Souverän gehe fortan die Macht im Staat aus, sondern, dies die im Urteilstext zu findende Neudefinition, von den „Freien und Gleichen“, „unabhängig von der ethnischen Herkunft“. Mithin, wie von Waldstein konkretisiert, von einem „Agglomerat willkürlich zusammengewürfelter Paßinhaber mit und ohne Migrationshintergrund“. 

Da das bisher geltende grundgesetzliche Verständnis von Staatsvolk in einer im 18. Jahrhundert entstandenen Denkform wurzelt, die Völker als durch gemeinsame Abstammung, Geschichte und Kultur geprägte „Gedanken Gottes“ (Johann Gottfried Herder) und nicht materialistisch als zu verdummende, leicht manipulierbare Konsumentenhorde begreift, mußten die historisch rundum ungebildeten Verfassungsrichter der „Generation Zero“ (Steve Bannon) diese Tradition zupackend entsorgen. Der „ethnische Volksbegriff“, so lautet die von keiner Kenntnis der Sozialtheorie der Weimarer Klassik und des philosophischen Idealismus getrübte demagogische Formel, verlange die „unbedingte Unterordnung einer Person unter ein Kollektiv, eine Ideologie oder Religion“. Was unvereinbar sei mit dem an der „Menschenwürde des Individuums“ orientierten Grundgesetz.  

Signalwirkung für Parteien wie die AfD

Hier wird nicht etwa Goethes pädagogische Provinz in „Wilhelm Meisters Wanderjahre“ oder das Gemeinschafts-ideal aus Fichtes „Reden an die deutsche Nation“ beschrieben. Dafür aber wird der zutiefst humanistische deutsche Volksbegriff geschichtsfälschend mit den „zentralen Prinzipien des Nationalsozialismus“ in eins gesetzt. Tatsächlich aber skizziert die Definition zwar unbeabsichtigt, doch erstaunlich präzise das verfassungsfeindliche Menschenbild des Islam, der „unbedingte Unterordnung einer Person unter eine Religion“ verlangt.

Mit dieser Ächtung von Volk und Nation sei das „NPD-Nichtverbotsurteil“ tatsächlich ein „aufschiebend bedingtes“ Parteiverbot, gegen jede politische Gruppierung gerichtet, die für das Lebensrecht des deutschen Volkes eintritt; denn das Verbot werde wahrscheinlich nie mehr gegen eine politisch abgewirtschaftete NPD verhängt, sondern eher gegen aussichtsreichere Konkurrenten im Parteiensystem wie die AfD. Ihr signalisiere das Urteil: „Opposition ja, aber nicht mit den Inhalten“, die von den Multikulti-Dogmen dieser Republik abweichen. Wer weiter am verfassungsrechtlich kriminalisierten „ethnischen Volksbegriff“ festhalte und nicht mindestens „moderate Einwanderung“ befürworte, so der Subtext, setze die Partei der Gefahr eines Karlsruher Verbots aus.

Volltext des Urteils vom 17. Januar 2017 unter der Rubrik Entscheidungen:

 www.bundesverfassungsgericht.de

 www.neue-ordnung.at