© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/17 / 09. Juni 2017

Zum Wackeln dackeln
Einheits- und Freiheitsdenkmal: In einer Nachtsitzung hat der Bundestag nun doch die umstrittene Wippe in Berlin beschlossen
Peter Möller

Es war 23.25 Uhr, als der Bundestag am Donnerstag vor Pfingsten seine Debatte über eines der wichtigsten erinnerungspolitischen Vorhaben in der Geschichte der Bundesrepublik begann. Auf der Tagesordnung stand ein Antrag der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD mit dem programmatischen Titel „Beschlüsse zum Einheits- und Freiheitsdenkmal konsequent umsetzen“. 

Hinter diesen forschen Worten verbarg sich der Versuch, jene 50 Meter lange und 18 Meter breite Stahlkonstruktion in Gestalt einer überdimensionierten Schale zu retten, die künftig in der Mitte der Hauptstadt vor dem Berliner Stadtschloßes an die Revolution in der DDR und die Wiedervereinigung erinnern soll. Denn das Projekt, um das seit fast zehn Jahren gerungen wird, war in den zurückliegenden Monaten gehörig ins Schlingern geraten. 

Stahl und Gleitmittel zum Schutz vor Unfällen nötig

Die abermalige Auseinadersetzung des Parlamentes mit dem Einheits- und Freiheitsdenkmal, dessen Bau es bereits am 9. November 2007 beschlossen hatte, geht auf eine Entscheidung des Haushaltsausschusses des Parlamentes vom April 2016 zurück. Nachdem die Kosten für das Projekt von den ursprünglich veranschlagten zehn Millionen Euro auf gut 14 Millionen gestiegen waren, zog das Gremium die Notbremse und sperrte das im Haushalt eingeplante Geld. 

Grund für die Kostensteigerung waren vor allem Altlasten am historischen Standort. In dem erhaltenen Gewölbe des 1950 vom SED-Regime abgetragenen Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmals, auf dem die Wippe errichtet werden soll, wurden Fledermäuse entdeckt, die umgesiedelt werden mußten. Zudem wurden unter einer Asphaltschicht des Sockels die historischen Mosaike des Nationaldenkmals freigelegt, die nun restauriert werden müssen. Im November vergangenen Jahres folgte dann der nächste Tiefschlag für die Befürworter der Wippe. Der Haushaltsausschuß des Bundestags stellte überraschend 18,5 Millionen Euro zur Verfügung, um statt der Wippe die wilhelminischen Kolonnaden des alten Kaiser-Wilhelm-Denkmals wiederaufzubauen. 

Dieser von führenden Haushaltspolitikern der Union und der SPD eingefädelte Coup brachte das festgefahrene Denkmalprojekt schlagartig wieder zurück ins öffentliche Bewußtsein. Doch die Spitzen der Koalitionsfraktionen fingen die Rebellen schnell wieder ein. Eine gedenkpolitische Debatte vor der Bundestagswahl sollte verhindert werden. Und so landete das Denkmal erneut auf der Tagesordnung des Bundestages mit dem Ziel, die Wippe wieder auf Kurs zu bringen. Daß die neuerliche Entscheidung über das Denkmal in der vergangenen Woche ausgerechnet zwischen zwei Tagesordnungspunkten getroffen wurde, die für die nähere Zukunft Deutschlands entscheidend sein werden – der Aussetzung von Abschiebungen nach Afghanistan und dem Familiennachzug für Flüchtlinge – hätte dabei symbolischer nicht sein können.

In der Debatte wurde mehr als einmal deutlich, daß kaum jemand mit der Wippe wirklich glücklich ist. Selbst Befürworter des Entwurfes wie der sächsische CDU-Abgeordnete Michael Kretschmer mußten sich die Wippe schönreden: Es gebe „genügend Beispiele aus der Architektur und von Kunstwerken, an deren Errichtung sich die Geister schieden und die heute Publikumsmagneten sind“. Unterschiedliche Meinungen und Streit über einen Denkmalsentwurf sprächen nicht gegen diesen, im Gegenteil.

Ausgerechnet eine Abgeordnete der Linkspartei, Sigrid Hupach, beklagte eine mangelnde Einbeziehung der Bürger bei der Entscheidung über die Gestalt des geplanten Denkmals. Sie erinnerte daran, daß es „keinen Aufschrei“, sondern vor allem in Berlin vielmehr Erleichterung gegeben habe, nachdem der Haushaltsausschuß das Projekt im vergangenen Jahr gestoppt hatte – „abgesehen von der Handvoll Initiatoren und den Gestaltern des Entwurfes“. Das sollte und müsse den Abgeordneten doch zu denken geben. „Nur weil im Herbst letzten Jahres plötzlich die Idee der Rekonstruktion der preußischen Kolonnaden auftauchte, wird das, was wir heute hier beschließen sollen, nicht besser“, verdeutlichte Hupach, deren Partei mit dem Einheits- und Freiheitsdenkmal aus naheliegenden Gründen grundsätzlich fremdelt.

Dennoch stimmte der Bundestag schließlich kurz nach Mitternacht mit den Stimmen der Koalition und der Grünen erneut für die Wippe. Eigentlich könnte das Denkmal nun gebaut und mit ganz viel Glück sogar noch zum 30. Jahrestag des Mauerfalls 2019 eröffnet werden. Wären da nicht die Kosten. Als der Haushaltsausschuß das Denkmal im vergangenen Jahr stoppte, wurde das bereits eingeplante Geld zum Bau gesperrt. Diese Haushaltssperre gilt nach Angaben der Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, Gesine Lötzsch (Linkspartei), weiterhin. Vor der Bundestagswahl werde der Haushalt 2017 auch definitiv nicht mehr geändert. Frühestens im Januar 2018 könnten die Mittel daher beschlossen werden – vom dann neugewählten Bundestag.

Doch selbst wenn das Denkmal schließlich irgendwann eingeweiht werden sollte, bleibt die spannende Frage, ob es überhaupt funktioniert. Denn immer wieder haben Experten Zweifel geäußert, daß die aufwendige und daher vermutlich auch störanfällige Konstruktion dauerhaft funktioniert. 

Mit Schutznetzen, Stahlverankerungen und Gleitmitteln wollen die Verantwortlichen dafür sorgen, daß das symbolisch aufgeladene Hin- und Herwippen nicht zum Erliegen und keiner der Besucher durch einen Unfall zu Schaden kommt.