© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/17 / 02. Juni 2017

Leserbriefe

Zum Schwerpunktthema: „Kirche ohne Mission“, JF 22/17

Schwindsucht bei Mitgliedern

Michel Houellebecq nennt den Islam die dümmste aller Religionen. Andere Religionen hat er noch nicht benotet. Die skurrilen Veranstaltungen des Kirchentages könnten als eine Reaktion auf die schwindenden Mitgliederzahlen gedeutet werden. Doch traue man keinem edlen Motiv, solange sich noch ein niedriges findet. Die Forderung des AfD-Politikers Armin-Paul Hampel, aus der Kirche auszutreten, wird durch das Kirchentagsprogramm sicher Nachdruck erfahren.

Dr. Hartmut Heinlein, Eschershausen






Zu: „Vom Glauben entfernt“ von Gernot Facius, JF 22/17

Rückfall hinter die Reformation

Mit der Neuausrichtung der Bibel durch die „Lutherbotschafterin“ Käßmann als „Buch, das gedolmetscht und interpretiert werden muß“, fällt die evangelische Kirche in vorreformatorische Zeiten zurück. Denn bevor Luther tätig wurde, hatte die katholische Kirche ihren Gläubigen das eigenständige Bibellesen untersagt und aus gutem Grund daher eine Übertragung des Urtextes wie auch der lateinischen Fassung in die Volkssprache unterlassen. Gerade durch die Übersetzung in die Volkssprache hat Luther ausdrücklich jedem Christen den Zugang zum Wort Gottes öffnen und zur Auseinandersetzung mit diesem ermuntern wollen. Doch heute herrscht augenscheinlich die bange Frage: Wo kommen wir bloß hin, wenn jeder ungebildete theologische Laie die Worte der Bibel ernst nimmt?

Ohnehin bekundet die evangelische Kirche auf ihrem Jahrmarkt der Narretei, genannt Kirchentag, mit ihrer Diskussionsveranstaltung von Merkel und Obama ihre verstärkte Wandlung zur quasi fünften Kolonne des herrschenden Parteienkartells. Das Jesuswort: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“ kann dann wohl auch aus dem Neuen Testament gestrichen oder muß aus bischöflicher Sicht neu gedolmetscht werden.

Prof. Dr. Roland Bitsch, Gießen






Zu: „Wunschdenken“ von Thorsten Brückner, JF 22/17

Trump nach Delphi beamen

Die Situation mit Trump erinnert an das Orakel von Delphi. Dort saß die Seherin Pythia auf einem Dreibeinstuhl über einer Felsspalte, aus der Gase nach oben drangen. Sie stammelte dann irgendwelche unverständlichen Worte, die von Interpreten teilweise zweideutig erklärt wurden. Dasselbe passiert mit Trump. Seine formal und inhaltlich restringierten und widersprüchlichen Äußerungen werden von einer Unzahl von Beratern, Talkshowgästen, Experten und Wissenschaftlern gedeutet und der staunenden Weltöffentlichkeit verkündet.

Dieter Rakete, Hamburg






Zu: „Eine Armee in der Krise“ von Dieter Stein, JF 22/17

Entwurf für einen Brief

Eigentlich müßte ich jetzt folgenden Brief schreiben: „Werte Frau von der Leyen, bei mir zu Hause hängt ein Bild meines Vaters mit dreien seiner Brüder, allesamt Soldaten in Wehrmachtsuniform. Einer ist gefallen, einer an den Folgen des Krieges verstorben, einer war im aktiven Widerstand während der letzten Kriegstage in Augsburg. Aufgrund Ihrer weitreichenden Anordnungen zu Wehrmachtsutensilien bin ich nun derart verunsichert, daß ich nicht weiß, ob es genügt, das Foto, an dem ich eigentlich sehr hänge, einfach nur zuzuhängen, gegebenenfalls auch abzuhängen oder ob es als Sondermüll entsorgt werden muß. Sollten Sie mir aus Zeitgründen keinen Rat geben, können dies gegebenfalls auch Frau Katharina Schulze und ihre Mitstreiter von den Grünen tun, die sich in aller Ausführlichkeit des Themas angenommen haben und unserer Verteidigungsministerin eine lobenswerte Weitsicht bescheinigen.“

Alfons Reiter, Wielenbach





Zu: „Alles muß raus“ von Peter Möller, JF 22/17

Uschi, mach kein Quatsch!

Der exorzistische Furor der Verteidigungsministerin von der Leyen (CDU) gegen einen „braunen“ Phantomgeist in der Bundeswehr nimmt wahnhafte Züge an und zeitigt verheerende Folgen: Angst, Mißtrauen und Opportunismus zersetzen den Korpsgeist und schwächen die Kampfkraft. Vielleicht lautet der nächste Morgenappell: „Uschi, mach kein’ Quatsch. Uschi, sei doch lieb zu mir!“

Heinz Hoppe, Fulda




Tabulos und transparent

Frau von der Leyen stünden durchaus Namen zur Verfügung, die Tradition haben und dennoch ausgesprochen zeitgemäß sind: Kaserne der brüderlichen Hilfsaktion, Kaserne der begrenzten Souveränität, Kaserne der bedingungslosen Kapitulation. Der Kanzlerin vertraut wären auch PionierleiterInnen-Ausbildungen. Neuartig, aber realistisch wäre  ein „Frieden schaffen ohne Waffen“-Depot. Der bisherige Geheimdienst bekäme als Motto „tabulos und transparent“.

Christian Staden, Henstedt-Ulzburg




Gesinnungsoffiziere ausbilden!

Die Säuberung aller Bundeswehrkasernen hat die erschreckende Zahl von 41 verderblichen Objekten ergeben. Doch wie säubert man die Gehirne der Uniformträger? Dazu muß man in sie hineinschauen, hat aber noch kein Instrument dazu. Wie wäre es also mit der Einführung eines „Gesinnungsoffiziers“ in allen Kasernen. Dieser ist unmittelbar der Abteilung „Inquisition“ beim Generalinspekteur unterstellt und meldet direkt alle Kameraden, die sich durch besonders stramme Haltung etc. verdächtig machen, einen sogenannten Korpsgeist zu entwickeln – principiis obsta! Nur so wird sichergestellt, daß die „von der Leyensche Nullinie“ unbedingt beachtet wird.

Hans Daxer, Marquartstein






Zu: „‘Es ist eine Hexenjagd’“, im Gespräch mit Günter Roth, JF 21/17

Neue Waffe Duckmäuser

Offenbar will „Flinten-Uschi“ einen neuen Soldatentypus formen, der künftig auf allen Verantwortungsebenen eine gelungene Mischung von Duckmäuser und Denunziant sein soll. Dabei belegen zahlreiche Zeugnisse aus der damaligen Zeit, daß innerhalb der Wehrmacht ein wesentlich freierer Geist als in der heutigen Bundeswehr herrschte. Beweis: Die führenden Persönlichkeiten des Widerstandes, wie Stauffenberg, Tresckow, Oster u.v.a. führten viele Hunderte Gespräche zur Gewinnung von Mitverschworenen. Wenige waren zum Handeln bereit, die meisten lehnten aus den unterschiedlichsten Gründen eine Mitwirkung ab – aber sie schwiegen. 

In einem geistigen Klima der Bespitzelung und Denunziation, wie es derzeit in der Bundeswehr herrscht, hätte eine Widerstandsbewegung wie in der Wehrmacht niemals entstehen können, ein 20. Juli hätte nie stattfinden können. Das sollte Frau von der Leyen bedenken, wenn sie der Bundeswehr einen neuen Soldatentyp verordnet und wenn ihre karrieregeilen, willfährigen Vollstrecker die Vorgaben des Ministeriums vorbehaltlos in die Tat umsetzen.

Dr. Waldis Greiselis, Ubstadt-Weiher




Wider Schmidt und Weizsäcker

Im Fall des Bundeswehroffiziers Franco A., der sich als syrischer Asylant ausgab, reagiert die Verteidigungsministerin völlig unangemessen, wenn sie die Bundeswehr von allen Erinnerungsstücken an die Wehrmacht „säubern“ will. Militärverbände bedürfen überall auf der Welt einer lebendig weitergegebenen Tradition. Es war das große Verdienst unseres ersten Bundeskanzlers Konrad Adenauer, sich für die Ehre der vom Nationalsozialismus mißbrauchten deutschen Wehrmachtssoldaten eingesetzt zu haben. Spätere führende Politiker, so Helmut Schmidt und Richard von Weizsäcker, waren in der Wehrmacht untadelige Offiziere gewesen. Oberleutnant Schmidt, zur Anwesenheit beim Prozeß gegen Teilnehmer am Putsch gegen Hitler kommandiert und dagegen aufbegehrend, geriet in die Fänge von Göring und wurde nur durch zwei Generale gedeckt. Ist es angemessen, wenn in der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg das Foto des jungen Offiziers in Uniform von der Wand genommen wird? 

Und darf es hingenommen werden, wenn eine Erwin-Rommel-Kaserne umbenannt wird, wo Rommel doch der Mann war, der anläßlich der alliierten Invasion 1944 Hitler frontal entgegentrat und nach dem 20. Juli von ihm gezwungen wurde, insgeheim Gift zu nehmen (Mission des Generals Burgdorf)? Und welchen Schaden richten in Kasernen Erinnerungsstücke wie alte Wehrmachtshelme an?

Friedrich von Mackensen, Uffenheim




Wie im Schlußverkauf

Die Ausführungen des Brigadegenerals a.D. Günter Roth bestätigen die Erinnerungen an meine Wehrpflichtzeit 1959 bis 1960. Die harte Ausbildung erfolgte überwiegend durch ehemalige Weltkriegssoldaten, darunter auch von der Waffen-SS. Schikanen oder Verherrlichungen der NS-Zeit gab es nicht. Den aktuellen Anlaß, den Vorfall mit dem als Flüchtling anerkannten Oberleutnant, reihte ich zunächst in die Rubrik „Hauptmann von Köpenick“ ein. Jedenfalls ist die Reaktion von Verteidigungsministerin von der Leyen völlig überzogen. Alles muß raus, wie im Schlußverkauf.

Armin Garstka, Karlsruhe




Politisch nicht neutral

Als Sohn eines Reichswehroffiziers und selbst Wehrmachtsangehöriger als Sanitätsoffizier von 1937 bis 1949 (!) darf ich daran erinnern, daß Reichswehr und Wehrmacht unpolitisch waren. Kein Wehrmachtssoldat durfte Parteimitglied sein, wählen oder gewählt werden. Die parteineutrale Reichswehr war das Rückgrat der zwischen den Parteien zerrissenen Weimarer Republik. Sobald ein Parteimitglied in die Wehrmacht eintrat, ruhte dessen Mitgliedschaft während des Heeresdienstes. Der Bundeswehr wären peinliche Personalskandale erspart geblieben, wenn sie die Tradition politischer Neutralität übernommen hätte. Mir selbst wurde dadurch eine „Entnazifizierung“ durch die Alliierten erspart. 

Prof. Dr. med. Eberhard Willich, Heidelberg






Zu: „Ablenkungsmanöver“ von Thorsten Hinz & „Nach dem Rechten schauen“ von Peter Möller, JF 20/17

Das Wort hat der Denunziant

Nun kommt es, wie nicht anders zu erwarten, zur allgemeinen Mobilisierung der Gesellschaft im „Kampf gegen Rechts“. Statt sich vor ihre Soldaten zu stellen und besonnene Töne anzuschlagen, setzt sich Frau von der Leyen an die Spitze der Verfolger. Jetzt haben Denunzianten das Wort, und Vorgesetzte kriechen unter die Betten ihrer Untergebenen.

Gerhard Scheunpflug, Eutin






Zu: „Kurz und euphorisch“ von Andreas Unterberger, JF 21/17

Das Chamäleon der ÖVP

Seit Monaten schon lief das Gerücht, daß sich der medial gehätschelte Jungstar Sebastian Kurz an die Spitze der ÖVP setzen werde, im Herbst 2017 Wahlen vorschlagen, diese haushoch gewinnen und dann mit der FPÖ eine Koalition bilden werde. Dabei verschweigen die Propheten des jungen Senkrechtstarters notorisch, daß Kurz seine Ideen in der Flüchtlingspolitik von der FPÖ und HC Strache abgekupfert hat. Kurz soll potentiellen Strache-Wählern als eine Version Strache-light schmackhaft gemacht werden.

Helwig Leibinger, Wien/Österreich






Zur Meldung: „Bündnis für Entfernung der ‘Judensau’“, JF 21/17

Die Sau aus der Stadt treiben

Dem Leipziger Pfarrer Thomas Piehler und der Schwester Joela Krüger ist zu danken, daß sie 500 Jahre nach Luthers Reformation die Initiative ergriffen haben, die 700 Jahre alte „Judensau“ an der Außenwand der Wittenberger Stadtkirche abzunehmen und in ein Museum zu verbringen! Als ich nach der Wiedervereinigung wieder Wittenberg besuchen konnte – ich hatte wegen meiner Mitarbeit im Vorstand der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) ab 1976 Einreiseverbot – stand ich mit den gleichen Gefühlen wie die obengenannten Initiatoren vor dieser häßlichen, halbverwitterten Schmähskulptur und der glänzenden DDR-Gedenktafel im Straßenpflaster davor. Ich schrieb damals an den zuständigen Pfarrer und Gemeindekirchenrat der Marktkirche die gleiche Bitte – keine Reaktion. 

Das Verhalten der heute für die Wittenberger Stadtkirche verantwortlichen Kirchenvertreter ist befremdlich in einem Land, in dem oft nur weniger als hundert Jahre alte Skulpturen, Universitäts- und Straßennamen „einfach entsorgt werden“, ohne daß dies die Erinnerung an „Dunkles in unserer Geschichte“ gefährden würde.

Dr. med. Reinhard Gnauck, Mainz






Zu: „Neid per Gesetz“ von Philipp Bagus, JF 20/17

Unverhältnismäßige Zahlungen

Die Vorstände könnten ihren Aktionären Milliardengewinne verschaffen, oder aber Milliarden an Börsenwerten vernichten, schreibt Herr Bagus. Das ist aus meiner Sicht nur die graue Theorie. Wäre tatsächlich die Höhe der Aufsichtsratszahlungen maßgebend für ein Marktverschwinden, dürften einige Dax-Unternehmen längst von der Bildfläche verschwunden sein. Die Zahlungen stehen auf keinen Fall in Relation zur Leistung, sind unmoralisch und überzogen. Und wo bleiben im Umkehrschluß die Haftungen bei Mißwirtschaft und massiven Verlusten? Auch die Annahme, nach der die Konkurrenz, die für die gleiche Leistung geringere Gehälter zahlt, ihre Produkte günstiger anbieten könne und den „Zuvielzahler“ verdränge, gehört in das Reich der Fabel. Das zeigt die Praxis. Für Aufsichtsräte und Vorstände sind die Unternehmen ein Selbstbedienungsladen, in dem die Gier überhandgenommen hat.

Armin Steinmeier, Neuried/München