© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/17 / 26. Mai 2017

Knapp daneben
Launischer Arbeitgeber
Karl Heinzen

Wer zu den High Professionals von morgen zählen will, muß mit seiner Karriereplanung bereits im Vorschulalter beginnen. Vor allem darf er sich keine Lücke im Lebenslauf erlauben. Wenn er etwas von der Welt sehen will und dies gar noch für einen längeren Zeitraum, muß er daher den Eindruck erwecken, gar keinen Urlaub zu machen, sondern für den späteren Job Erfahrungen mit der Globalisierung zu sammeln.

Diese Zwangslage hat sich der britische Jungunternehmer Lee McAteer zunutze gemacht. Mit seiner Reiseagentur „Invasion“ bietet er Work-and-Travel-Programme in zahlreichen Ländern an, die Jahr für Jahr von gut 20.000 Kunden gebucht werden. Natürlich muß auch er wie jedes gewöhnliche Reisebüro damit rechnen, daß er Konkurrenz aus dem Internet auf den Plan ruft. Solange sich sein Geschäftsmodell trägt, möchte er aber die Zeit nutzen, um wenigstens als cooler Arbeitgeber in Erinnerung zu bleiben. 

Die Leidtragenden sind seine Beschäftigten. Er beschämt sie mit Reisen und unbegrenzten Urlaub.

Die Leidtragenden sind seine Beschäftigten. Er beschämt sie mit Reisen nach Las Vegas oder Disneyland und gewährt ihnen unbegrenzten Urlaub, anstatt durch eine aufrichtige Kündigung klarzustellen, daß ihre Arbeit nicht gebraucht wird. Den vorläufigen Höhepunkt seiner Launen leistete er sich jedoch, als er jüngst in einer Nacht- und Nebel-Aktion 250.000 Plastikbälle in die Geschäftsräume bringen ließ, um sich am nächsten Morgen an den verblüfften Gesichtern seiner Mitarbeiter zu weiden. Einige von ihnen wurden sogar fotografiert, wie sie begeistert lächeln, als wären sie Kinder, die man gerade im Ikea-Bällebad abgegeben hat. Diese demütigenden Aufnahmen werden sie bis an ihr Lebensende verfolgen. 

Allerdings sind die Angestellten von Lee McAteer damit auch um eine Erkenntnis reicher: Eine Arbeitswelt, aus der persönliche Marotten und Vorlieben verbannt sind und alle sachlich ihr Unternehmensziel verfolgen, gibt es nur in der Theorie. Ihr Schicksal ist jedoch doppelt schwer. Chefs, die ihre Beschäftigten drangsalieren, stehen in der Öffentlichkeit wenigstens schlecht da. Ihrer jedoch, der sie mißbraucht, um sich in Szene zu setzen, wird gefeiert.