© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/17 / 26. Mai 2017

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weissmann

Angesichts der Debatte über das Verhältnis von Wehrmacht und Bundeswehr eine kurze Reminiszenz an Zeiten, als letztere noch nicht existierte, erstere aber ein konkreter Gegenstand der Erinnerung war: Dwight D. Eisenhower, General der US-Streitkräfte, Oberbefehlshaber der Nato in Europa, am 22. Januar 1951: „Ich war 1945 der Auffassung, daß die Wehrmacht, insbesondere das deutsche Offizierskorps, identisch mit Hitler und den Exponenten seiner Gewaltherrschaft sei – und deshalb auch voll mitverantwortlich für die Auswüchse dieses Regimes. (…) Ich habe damals in solchen Gedanken gehandelt, denn ein Soldat muß ja für seinen Glauben kämpfen. Inzwischen habe ich eingesehen, daß meine damalige Beurteilung der Haltung des deutschen Offizierskorps und der Wehrmacht nicht den Tatsachen entspricht, und ich stehe daher nicht an, mich wegen meiner damaligen Auffassungen … zu entschuldigen. Der deutsche Soldat hat für seine Heimat tapfer gekämpft.“ Konrad Adenauer, am 3. Dezember 1952 in einer Erklärung vor dem Bundestag: „Wir möchten heute vor diesem Hohen Haus im Namen der Regierung erklären, daß wir alle Waffenträger unseres Volkes, die im Rahmen der hohen soldatischen Überlieferungen ehrenhaft zu Lande, zu Wasser und in der Luft gekämpft haben, anerkennen. Wir sind überzeugt, daß der gute Ruf und die große Leistung des deutschen Soldaten trotz aller Schmähungen während der vergangenen Jahre in unserem Volk noch lebendig geblieben sind und auch bleiben werden.“ Derselbe in einem Brief an Paul Hausser, ehemaliger Generaloberst der Waffen-SS, vom 17. Dezember 1952: „Sehr geehrter Herr Generaloberst! Einer Anregung nachkommend, teile ich mit, daß die von mir in meiner Rede am 3. Dezember 1952 vor dem Deutschen Bundestag abgegebene Erklärung für Soldaten der früheren deutschen Wehrmacht auch die Angehörigen der Waffen-SS umfaßt, soweit sie ausschließlich als Soldaten ehrenvoll für Deutschland gekämpft haben.“

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Bildungsbericht in loser Folge CIV: Die Äußerung des Ministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit Müller (CSU), daß der hier her gelangende Afrikaner sich nur hole, was ihm zustehe, zeigt doch, daß unser Geographie- / Politik- / Geschichts- / Religions- / Ethikunterricht die gewünschte Wirkung zeigt. Sogar in Bayern.

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Bemerkenswert an dem neuen Artus-Film ist vor allem, daß der Stoff seine Anziehungskraft nach wie vor nicht verloren hat. Für die Briten sowieso, deren Öffentlichkeit in regelmäßigen Abständen von der Vorstellung elektrisiert wird, man habe endlich Camelot gefunden oder irgendein Relikt, das tatsächlich die historische Existenz des legendären Herrschers beweist. Da wirkt etwas nach, das seit dem Mittelalter zum nationalen Mythos gehört und nicht nur dazu führte, daß die Heere von Plantagenet- und Tudorkönigen unter dem roten Drachen von Artus marschierten, sondern auch die Vorstellung lebendig blieb, er werde irgendwann aus Avalon heimkommen und England zu neuer Größe führen. Natürlich haben sich die Romantik wie die Präraffaeliten und dann die großen wie die kleinen Nationalerzieher dieses messianischen Motivs bedient. Aber dessen Macht reichte viel weiter, auch über die Grenzen der Insel hinaus. Der „letzte Ritter“, Kaiser Maximilian, ließ an seinem Grab in Innsbruck eine lebensgroße Bronzefigur von Artus aufstellen und sein Enkel Philipp II. von Spanien soll bei der Thronbesteigung erklärt haben, daß er allen Titeln entsagen werde, sollte zu seinen Lebzeiten Artus wiederkehren.

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Vielleicht hat das schlechte Ergebnis der deutschen Teilnehmerin beim Eurovision Song Contest nicht nur mit aktuellen Befindlichkeiten, Exportüberschuß und Austeritätspolitik zu tun, sondern mehr mit dem Grundbedürfnis, es dem Deutschen als Typus einmal so richtig zu zeigen.

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Die Äußerung der Integrationsministerin Aydan Özoguz zur Inexistenz des Deutschen ist wohl damit zu erklären, daß ihr eine deutsche Eigenschaft ganz und gar abgeht: Tiefe.

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Das Abschneiden der AfD bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen kann unter den obwaltenden Umständen noch als ganz passabel gelten. Allerdings darf man die unerwartete Auferstehung der FDP nicht aus dem Blick verlieren. Da zeigt sich eben, was passiert, wenn man das Profil nur halbherzig oder zu spät auch für diejenigen schärft, die einmal  die AfD 1.0 unterstützt hatten, weil sie in europa- und währungspolitischen Fragen für Positionen stand, die auch Liberale im weiteren Sinn des Wortes attraktiv finden.

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Bildungsbericht in loser Folge CIV: Der Ältere: „Sie haben also Großes Latinum?“ Die Jüngere: „Mmh.“ Der Ältere: „Sind Sie da denn nicht stolz?“ Die Jüngere zuckt mit den Achseln. Der Ältere: „Aber, was heißt das denn für Sie heute, daß Sie das Große Latinum haben?“ Die Jüngere: „Daß es endlich vorbei ist.“

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 9. Juni in der JF-Ausgabe 24/17.