© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/17 / 26. Mai 2017

Mit 66 Jahren den Schlußstrich gezogen
Unternehmensgruppe Fischer: Der neue Chef, Dirk Schallock, ist kein Familienmitglied / Vom Schwarzwald erfolgreich in die weite Welt
Christian Schreiber

Rund ein Jahr nach dem Tod des Erfinders, Multipatentinhabers und Firmengründers Artur Fischer steht der 1948 gegründete Familienkonzern vor einer Zäsur. Das Unternehmen aus dem Schwarzwald wurde mit seinen Kunststoffdübeln und dem „Fischertechnik“-Baukasten weltweit bekannt (JF 50/15). Nun will sich der Sohn und Geschäftsführer, Klaus Fischer, zum 1. Juli in den Beirat der Unternehmensholding zurückziehen. Dies kommt nicht überraschend. Der Diplomingenieur war 1975 in das Familienunternehmen eingetreten und seit 1980 Gesamtgeschäftsführer der Fischerwerke. Er wollte sich bereits 2011 zurückziehen, doch der erste Versuch der Nachfolgeregelung scheiterte am „Generationenkrieg“ (Wirtschaftswoche).

„Unterschiedliche Auffassungen“

Im April 2012 verließ der Sohn Jörg Fischer, damals 36, „wegen gravierend unterschiedlicher Auffassungen“ mit seinem Vater das Unternehmen. Beide sollen bis heute kein Wort mehr miteinander sprechen. Dabei hatte Gründersohn Klaus seinen Filius ein Jahr zuvor informell zum Nachfolger gemacht. Erst ein halbes Jahr später wurde dies öffentlich bekannt. Doch bevor der Gründer­enkel sich die ersten Sporen verdienen konnte, war das Thema bereits erledigt.

„Übergangsweise“ übernahm der Gründersohn notgedrungen wieder die Geschicke, doch mit inzwischen 66 Jahren hat er nun einen Schlußstrich gezogen. Vor fünf Jahren ließ Klaus Fischer die Möglichkeit, daß sein ältester Sohn in einigen Jahren vielleicht doch noch einmal zurückkehrt, um die Firma zu übernehmen, bewußt offen. Jetzt hat er sich für die außerfamiliäre Alternative entschieden: Neuer Vorsitzender der Geschäftsführung der Fischerwerke, an denen die operativen Gesellschaften hängen, wird zum 1. Juli Dirk Schallock. Der 50jährige studierte Feinwerktechniker war bis Februar dieses Jahres Geschäftsführer des mittelständischen Ventilatorenspezialisten EBM-Papst in St. Georgen/Schwarzwald.

Aus den eigenen Reihen hat sich in den Fischerwerken niemand mehr gefunden, der für die Nachfolge in Frage gekommen wäre. Die Familie Fischer hält zwar nach wie vor hundert Prozent des Unternehmens, ist im operativen Geschäft ab Juli formal nicht mehr vertreten. Firmenkenner zweifeln aber daran, daß der Stabwechsel reibungslos verlaufen wird. Klaus Fischer bleibt in der Holding und Vorsitzender des Beirats. Außerdem wolle er sich verstärkt um das an der japanischen Optimierungsmethode Kaizen orientierte „Fischer Prozeßsystem“ (fPS) und um „Zukunftsthemen“ kümmern. Darüber hinaus werde er vermehrt die Fischer-Landesgesellschaften besuchen, davon existieren immerhin 46 in 34 Ländern. Daß die familieninterne Nachfolgeregelung am durchaus komplexen Charakter des Gründersohns gescheitert ist, gilt aber als offenes Geheimnis.

In mehreren Interviews hat Fischer stets dementiert, seine beiden Söhne zur Nachfolge gedrängt zu haben. Vielmehr habe er ihnen diese Entscheidung überlassen. Allerdings besitzen die Junioren 40 Prozent am Unternehmen, Klaus Fischer hält 60 Prozent. „Ich habe das Unternehmen schließlich nicht für meine Kinder aufgebaut“, sagte er, nachdem der Sohn 2012 wutentbrannt Reißaus genommen hatte. Mitarbeiter verrieten dem Handelsblatt, daß der Vater seinen Sohn des öfteren brüskiert habe. „Die Firma gehört immer noch mir“, sei ein Standardsatz in Geschäftsführungssitzungen gewesen. „Das Salär bei Fischer ist Schmerzensgeld“, zitiert die Wirtschaftswoche einen ehemaligen Top-Manager. Man lerne zwar viel über effektives Management, aber der Chef sei gewöhnungsbedürftig. Fischer selbst gilt intern als Kontrollfreak, der gern  auch mal die Schreibtischschubladen der Mitarbeiter öffne.

Den Umsatz verachtfacht

Langjährige Mitarbeiter weisen allerdings darauf hin, daß Artur Fischer seinen Sohn ähnlich hart angefaßt habe und ihn durch ein Stahlbad zu einem erfolgreichen Unternehmer reifen ließ. Klaus Fischer hat in seiner Zeit an der Spitze den Umsatz verachtfacht und die Internationalisierung vorangetrieben. Zudem gehört eine Fabrik, die Auto-Innenraumkomponenten produziert (Automotive Systems), zur Unternehmensgruppe, die ihren Umsatz 2016 um 6,2 Prozent auf 755 Millionen Euro gesteigert hat. In diesem Geschäftsjahr soll die 800-Millionen-Marke geknackt werden. Weltweit beschäftigt die Unternehmensgruppe rund 4.600 Mitarbeiter, davon etwa 2.000 an den deutschen Standorten in Waldachtal, Horb am Neckar, Freiburg und Denzlingen.

„Herr Schallock möchte sich einer neuen Herausforderung stellen. Die hat er gefunden“, kommentierte EBM-Papst den Ausstieg des bisherigen Chefs. Schallock galt dort als absolutes Alphatier. Die Nachfolge im Hause Fischer dürfte spannend bleiben.