© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/17 / 19. Mai 2017

Im Tragischen den Sinn sehen
Bruno Scherers Werk über den christlichen Schriftsteller und NS-Widersacher Reinhold Schneider wurde nach 40 Jahren wieder zugänglich gemacht
Werner Olles

Im Jahr 1966 erschien „Tragik vor dem Kreuz. Leben und Geisteswelt Reinhold Schneiders“ erstmals. Es handelte sich um die Dissertation von P. Bruno Scherer OSB, die er an der Universität Fribourg eingereicht hatte. Nun hat der Fe-Medienverlag das Buch als unveränderten Nachdruck neu aufgelegt. Da Pater Bruno dazu gesundheitlich nicht in der Lage war, übernahm Abt Peter von Sury OSB, Kloster Mariastein (Schweiz) das Projekt und schrieb das Geleitwort zum Werk seines Mitbruders. Pater Scherer hat das Buch in sieben Kapitel aufgeteilt: „Die Jugend“, „Das Werk“, „Die Tragik“, „Die Frau“, „Der Glaube“, „Das Gewissen“ und „Der Zweifel“. Obwohl Leben und Werk Reinhold Schneiders nicht voneinander zu trennen sind, ist dies eine sinnvolle Strukturierung, da die Geisteswelt des Dichters, Schriftstellers und Historikers über die biographischen Fakten hinaus eine innere Haltung und frühe tragische Weitsicht erkennen läßt, die sein Werk aus Ehrfurcht und Glauben wachsen ließen.

Anklage wegen Hochverrats durch Nationalsozialisten

Am 13. Mai 1903 in Baden-Baden als Hotelierssohn geboren, machte er eine kaufmännische Lehre, da die Inflation das elterliche Vermögen verschlungen hatte. Schneiders Jugend war reich an äußeren Nöten und inneren Krisen bis hin zu einem Selbstmordversuch. Auf einer Portugalreise fand er zu sich selbst, lebte ein halbes Jahr bei Lissabon, bevor er nach Spanien reiste, den Escorial erlebte, wieder nach Portugal zurückkehrte und 1930 sein erstes Buch schrieb: „Das Leiden des Camoes. Untergang und Vollendung der portugiesischen Macht“. Mit seinem Bruder unternahm er weitere Reisen nach Südfrankreich und Spanien, wo das Königshaus in den letzten Zügen lag. 

In einer Madrider Dachwohnung entstand 1931 „Philipp II. Religion und Macht“. Auch seine in den nächsten Jahren erschienenen Werke, „Fichte. Der Weg zur Nation“, „Die Hohenzollern“ und „Auf Wegen deutscher Geschichte“, sind Deutungen christlich-abendländischer Geistes- und Lebensformen, zeigen Auftrag und Tragik der Monarchie und sind durchdrungen von der Spannung zwischen Macht und Gnade, Macht und Geist und der Frage nach dem Wesen der Macht. Schneider selbst sah sie nicht als „christliche“ Bücher, sondern betonte, daß er im Tragischen den Sinn des Lebens sehe.

Nach einem längeren Aufenthalt in Potsdam zog er 1938 nach Freiburg. Seine Gegnerschaft zum Nationalsozialismus und sein Bekenntnis zur christlichen Tradition Europas zogen ihm den Zorn der Machthaber zu. Sonette und kleine Schriften wurden illegal verbreitet, es folgte die Anklage wegen Hochverrats. Zu Recht verstanden die Nationalsozialisten sein Buch „Las Casas vor Karl V.“ als Aufruf zum geistigen Widerstand. Nur das Kriegsende verhinderte seine Verurteilung. Die Nachkriegsbücher „Der Traum des Eroberers“ und „Zar Alexander“ erschienen Anfang der fünfziger Jahre. Sie beklagen das Verhängnis westlichen Eroberungswillens und feiern die aus orthodoxer Frömmigkeit geborene Sehnsucht nach Katharsis und Erlösung. „Der Weg vom tragischen Nihilismus zum Glauben, von der Bindungslosigkeit zur Bindung, von der subjektiven Verlorenheit in das Geschichtliche“, dies war Schneiders persönliches Bekenntnis. 

Die letzten Monate seines Lebens verbrachte er in Wien. Sein Tagebuch „Winter in Wien“ zeigt, daß die Verschwisterung mit dem Leiden der Untergehenden und Verzichtenden ein Grundzug seiner Natur war, den er nur durch seinen Glauben zu überwinden vermochte. An den Folgen eines Sturzes auf der Straße starb Reinhold Schneider nach langem Leiden am 6. April 1958.

Bruno Scherer: Tragik vor dem Kreuz. Leben und Geisteswelt Reinhold Schneiders. Christiana Verlag im Fe-Medienverlag, Kisslegg 2017, broschiert, 272 Seiten, 9,80 Euro