© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/17 / 19. Mai 2017

Zeitschriftenkritik: Georgia Augusta
Leben auf dem Land in der Stadt
Werner Olles

Das Dorf und die Kleinstadt erhalten neue Aufmerksamkeit“, schreibt der Soziologe Berthold Vogel in dem Wissenschaftsmagazin Georgia Augusta der Georg-August-Universität Göttingen. Die ländliche Mittelschicht in Ohio und Wisconsin signalisiere an den Wahlurnen „America first“, die ehemaligen Industriedörfer in Wales und Nordengland votierten gegen Europa, die französische Provinz stütze den Front National und in der Prignitz und Uckermark avancierten Rechts- und Linkspopulisten zu Volksparteien. „Diejenigen, die lange Zeit davon überzeugt waren, daß die vielfältigen, internationalen Metropolen und die sie bevölkernden Klassen die Zukunft der Gesellschaft prägen, reiben sich verwundert die Augen. Die Provinz hat politisches Gewicht.“

Das Uni-Magazin Georgia Augusta fragt in seiner aktuellen Ausgabe (Nr. 10) „Wie geht es weiter in Dorf und Kleinstadt?“ und macht sich Gedanken um „demographische Provokationen und neue Konflikte um Daseinsvorsorge“. Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse auf dem Land und in der Stadt werde durch einen „tiefgreifenden demographischen Wandel“ in Frage gestellt, und die Konflikte um öffentliche Güter erforderten „neue gesellschaftliche Antworten“. Diese müßten jedoch auch „aus dem lokalen Kontext“ kommen, da sie zentralstaatlich nicht mehr allein gelöst werden könnten. Der ländliche Raum lichte sich durch Landflucht, Wertverfall der Immobilien, Niedergang der kleinstädtischen Industrie und des dörflichen Handwerks. Der Mißmut der Zurückbleibenden, die zusehen müßten, wie der letzte Kaufladen schließt, der Hausarzt keinen Nachfolger findet und der Bus nur noch einmal werktags fährt, benötige adäquate Antworten.

Für die Forscher liegen diese im „Konzept der sozialen Orte“. Gefragt sei die Zivilgesellschaft mit ihren Vereinen, Kirchen und Initiativen, damit Daseinsvorsorge und Bereitstellung öffentlicher Güter nicht von „antidemokratischen Kräften“ übernommen werde.

Zwei weitere Aufsätze befassen sich mit Mobilitätsfragen, und über „Bioenergie aus Holz“ als „Beitrag zur regionalen Nachhaltigkeit“ berichtet ein Forscherteam aus Forstwissenschaftlern. Zwar betrage der aus Biomasse erzeugte Anteil an Strom und Wärme im Landkreis Göttingen nur etwa fünf Prozent, dennoch sind die Forscher überzeugt, daß holzartige Biomasse eine zunehmend bedeutende Rolle bei der Wärmeversorgung spielen wird.

Ein weiterer Beitrag des 100 Seiten umfangreichen Magazins befaßt sich mit dem „Machtzentrum bronzezeitlicher Herrscher am Nordharz“ im Kreis Helmstedt. Bei Ausgrabungen wurden hier Siedlungsgruben unterschiedlicher Struktur und Ausdehnung aus dem 2. Jahrtausend vor Christus freigelegt. Pfostengruben erlaubten die Rekonstruktion der Gebäudegrundrisse und gewähren faszinierende Einblicke in das Leben der Menschen, die vor 3.000 Jahren die Epochenwende zur Eisenzeit und ihre Auswirkungen mitgestalteten oder erlebten.

Kontakt: Georg-August-Universität, Abt. Öffentlichkeitsarbeit, Wilhelmsplatz 1, 37073 Göttingen.

 www.uni-goettingen.de