© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/17 / 19. Mai 2017

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Um den Schlaf gebracht
Christian Vollradt

Der triste Plattenbau in der Glinkastraße in Berlins Mitte wirkt wie ein Fremdkörper. Nicht wegen seines tristen Äußeren; architektonische Hinterlassenschaften aus DDR-Zeiten sind hier keine Seltenheit. Aber das Areal zwischen Friedrich- und Wilhelmstraße gehört – wie schon zu Kaisers Zeiten –zweifelsohne zum Regierungsviertel. Ministerien, Bundestagsbüros, Verbände haben dort ihren Sitz. 

In dem hellgrauen Betonkomplex ist ein Hostel untergebracht. Eine Herberge also, in der zumeist junge Touristen absteigen, die in der Hauptstadt viel Spaß für wenig Geld erleben wollen – und das mit dem Verzicht auf Ruhe und Komfort bezahlen. Schlappe 17 Euro kostet im City-Hostel die Nacht in einem Mehrbettzimmer. Und das einen Steinwurf von zahlreichen Attraktionen entfernt, von Reichstag, Brandenburger Tor, Museumsinsel, Dom, Schloßbaustelle oder Checkpoint Charlie ... 

Doch damit soll nun bald Schluß sein, wenn es nach der Bundesregierung geht. Ja richtig, das Etablissement mit dem einen bescheidenen Stern beschäftigt das Kabinett höchstselbst. Nicht etwa weil laute Musik oder trunkene Junggesellenabschiede von der britischen Insel oder das Rattern der Rollkoffer die Nachbarschaft – wie andernorts in Berlin – gegen die Billigabsteige aufbringen. Selbst die Tatsache, daß um die Ecke der Supermarkt liegt, in dem des öfteren die Bundeskanzlerin beim Einkaufen anzutreffen ist, spielt dabei eine Rolle. 

Stein des Anstoßes sind also nicht die Bewohner, sondern die Eigentümer der Immobilie: die Demokratische Volksrepublik Korea. Die unterhält direkt nebenan ihre Botschaft, in einem Schaukasten am Zaun grüßt auf einem Foto der „hochverehrte Oberste Führer, Genosse Kim Jong-un“. Seit aber das Arbeiter- und Bauernparadies zumindest auf deutschem Boden verschwunden ist, können Kims Genossen ihr Botschaftsarreal nicht mehr in vollem Umfang für den diplomatischen Betrieb nutzen. Und so vermieteten sie einen Teil der Gebäude, darunter an besagtes Hostel. Medienberichten zufolge soll der Betreiber – die EGI GmbH von Geschäftsführer Sükriye Ercelik – monatlich 38.000 Euro überweisen. Ein Großteil davon wandert demnach als dringend benötigte Devisen direkt nach Pjöngjang. 

Solche Finanzquellen des nordkoreanischen Regimes sollen nun auch in Deutschland möglichst schnell geschlossen werden, teilte der Sprecher des Aus­wärtigen Amts, Martin Schäfer, vergangene Woche mit. Denn die Bundesregierung habe „immer wieder die völkerrechtswidrigen und provozierenden  Aktivitäten Nordkoreas bei der Entwicklung von Nuklear- und Raketentechnologie sowie ihre Anwendung auf das schärfste verurteilt“ und stehe hinter den Sanktionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen.

Das City-Hostel will sich jedoch „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zur Wehr setzen“, teilten die Betreiber mit. Eine Aufgabe des Standorts sei „existenzbedrohend, wenn nicht gar existenzvernichtend“. Das allerdings sagt man über nordkoreanische Atomraketen auch.