© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/17 / 19. Mai 2017

Merkels Wiedergeburt
Die Landtagswahlen stürzen die SPD in die Krise und geben dem bürgerlichen Lager Aufwind
Dieter Stein

So hatten sich das die Strategen in den rot-grünen Parteizentralen nicht vorgestellt: Erst vor zwei Monaten hatte die SPD Martin Schulz als Kanzlerkandidaten und neuen Parteichef aus der Taufe gehoben. Der „Schulz-Hype“ begann. Viele Journalisten verliebten sich in die Vorstellung, Schulz könne in der Rolle eines Oppositionspolitikers die CDU-Kanzlerin in eine Polarisierungsschlacht treiben. Eine Rolle, die Sigmar Gabriel als Kabinettsmitglied hatte schlecht spielen können.

Auf den Medienhype folgend schnellten die SPD-Werte kurzfristig nach oben. Schon glaubten manche, Schulz könne über Wasser gehen. Drei Landtagswahlen später folgt auf das „Hosianna!“ fast schon das „Kreuziget ihn!“ Den Schlußtusch in der Serie vernichtender Wahlniederlagen lieferte der Urnengang am vergangenen Sonntag in Nordrhein-Westfalen, wo die SPD ihr historisch schlechtestes Wahlergebnis einfuhr. Der Linksblock aus SPD, Grünen und pulverisierter Piratenpartei verlor satte 20 Prozentpunkte. Demgegenüber legte der „bürgerliche Block“ aus CDU, FDP und AfD 18 Prozentpunkte zu und erreicht 53 Prozent. Trotz des Einzugs der AfD hat Schwarz-Gelb erstmals wieder eine Mehrheit der Sitze. Dies übrigens dank einer AfD, die die Linkspartei unter die Fünfprozenthürde drückte. 

Einem völlig entzauberten SPD-Hoffnungsträger Schulz steht vier Monate vor der Bundestagswahl wie neugeboren Kanzlerin Merkel gegenüber. Die kurzfristige Polarisierung ist dahin, und die Amtsinhaberin dominiert wieder das Feld. Wie durch Geisterhand hat sich in den vergangenen Monaten vor das Bild einer Kanzlerin, die Deutschland an den Rand einer Staatskrise geführt, widerrechtlich Grenzen geöffnet und Millionen faktisch illegaler Einwanderer ins Land gelassen hat, ein neues Bild geschoben: das einer in Krisen gestählten Regierungschefin, die mit einer „Politik der ruhigen Hand“ Deutschland durch unsichere Zeiten lenkt. Die simple Parole „Merkel muß weg!“ verfängt nicht mehr.

Der Brexit und die Wahl von Trump zum US-Präsidenten im vergangenen Jahr setzten bei vielen die Erwartung frei, im Sinne einer Dominotheorie werde es einen politischen Erdrutsch in weiteren westlichen Staaten geben. Statt dessen löste der von Skandalen und Eskapaden begleitete Start der Trump-Administration bald Katerstimmung aus und läßt beim Publikum die Sehnsucht nach bewährten politischen Konstellationen steigen. Die Wahl des Merkel-Bewunderers und Pro-EU-Politikers Macron zum neuen französischen Präsidenten bestätigt das Zurückschlagen des Pendels. 

CDU und FDP mobilisierten in NRW mit konservativen und teilweise nationalliberalen Positionen oder atmosphärischen Akzenten Wähler, die auch AfD hätten wählen können. Es wird sich aber bald zeigen, ob Laschet hier liefern wird.

Mit der FDP ist wieder zu rechnen, und sie versucht geschickt, bürgerliche Wähler, die die AfD mit Führungschaos und schrägen Randfiguren verprellt, wieder einzusammeln. Die FDP punktet offensichtlich als runderneuertes, hippes, partytaugliches Substitut bei Wählern, die von der CDU enttäuscht sind, vor der Wahl der AfD aber zurückschrecken.

Die urplötzlich zwei Wochen vor der NRW-Wahl von Innenminister Thomas de Maizière aus der Mottenkiste geholten Thesen zur Leitkultur zeigen, wie die CDU rechtzeitig vor Wahlen patriotische, konservative Spurenelemente aufpoliert und durch homöopathische Anpassungsbewegungen auf vorangegangene Wählerwanderungen zur AfD reagiert.

Kombiniert mit wachsenden Repressionsmaßnahmen gegen den oppositionellen Konkurrenten von rechts soll der Isolationsdruck schrittweise erhöht werden. Inzwischen erhält die AfD beinahe flächendeckend aufgrund „zivilgesellschaftlicher Proteste“, vulgo Erpressungsmaßnahmen gegen Wirte, praktisch keine Veranstaltungsräume mehr. Linke Chaoten zerstören generalstabsmäßig Plakate, greifen Wahlkämpfer in wachsender Zahl tätlich an, brennen Autos von Funktionären ab, attackieren Wohnhäuser. Angesichts dieser Diskriminierung, hausgemachter Querelen und des Gesamttrends sind 7,4 Prozent für die AfD in NRW, die damit noch vor den etablierten Grünen liegt, ein solides Ergebnis. Wahlergebnisse in den sozialen Brennpunkten der Ruhrgebietsmetropolen mit bis zu 15 Prozent zeigen das Potential der Partei an. 

Die AfD blickt jetzt auf eine Erfolgsserie von 13 Landtagseinzügen in Folge zurück – übrigens ein Novum in der Geschichte von Parteineugründungen. Ferner verlor Rot-Grün – außer in Hamburg und Bremen – aufgrund des Einzugs der AfD bislang überall die Mehrheiten.

Die Partei muß aber erkennen, daß sie sich nicht mehr darauf verlassen kann, allein wegen der Asylkrise gewählt zu werden. Dank Schließung der Balkanroute und weiterer zwischenstaatlicher Abkommen tritt das Thema in der Wahrnehmung der Bürger wieder in den Hintergrund. Wenn Deutschland gerade wieder Exportweltmeister wurde, die Arbeitslosigkeit einen Tiefstand erreicht, wird es schwieriger, mit apokalyptischen Untergangsvisionen größere Wählerschichten zu mobilisieren. Die Deutschen sehnen sich nicht nach revolutionären Umbrüchen, 180-Grad-Wenden. Sie wollen Solidität und Stabilität, sie wollen vertrauenswürdige, sympathische Politiker, denen Kompetenz und Gradlinigkeit zugerechnet wird.

Es ist komplizierter, die tieferreichenden langfristigen Fehlentscheidungen und Irrtümer der Regierung Merkel offenzulegen: die total verfehlte Migrationspolitik, den Fluch der Euro-Rettung, die Erosion der inneren Sicherheit, die Zerstörung eines bewährten Bildungssystems, die demographische Zeitbombe, die Ausplünderung der Mittelschicht und der Familien. Hier hat eine kompetente, seriöse Opposition Riesenchancen.Es ist gut für die Demokratie, wenn der Wettbewerb auch im Bundestag bald vielfältiger wird.