© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/17 / 12. Mai 2017

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Im Repertoire der Berliner Staatsoper gibt es eine grandiose, von dem Regisseur Philipp Stölzl stammende Inszenierung von Wagners romantischer Oper „Der fliegende Holländer“. Stölzl erzählt die Geschichte von dem ruhelosen, nach Erlösung durch eine ihn bedingungslos liebende Frau strebenden Seefahrer aus der Sicht von Senta, die sich wiederum nach einem Traumbild sehnt, das sie sich vom Holländer macht. Ursprünglich eine Produktion des Theaters Basel, läuft sie seit 2013 mit großem Zuspruch in der Hauptstadt. Dem Vernehmen nach hätte diese Inszenierung gern auch der Intendant der Deutschen Oper Berlin, Dietmar Schwarz, in seinem Haus gezeigt, zumal sie unter seiner Ägide als damaliger Theaterleiter in Basel entstanden ist. Jürgen Flimm, Intendant der Staatsoper, kam seinem Kollegen jedoch zuvor. So feierte nun an der Deutschen Oper eine komplette „Holländer“-Neuinszenierung vergangenen Sonntag ihre Premiere.



Im Haus an der Bismarckstraße nimmt Christian Spucks „Holländer“ die Perspektive des Jägers Erik ein, der Senta umwirbt. „Erik erscheint als der einzig wahre Liebende, wohingegen Senta und der Holländer in narzißtischen Spiegelungen und Projektionen einem romantischen Ideal erliegen“, erläutert der Schweizer Regisseur Spuck seine Herangehensweise bei der Inszenierung. Im Hauptberuf Choreograph und derzeit Ballett-Direktor am Opernhaus Zürich, ist es seine zweite Regiearbeit an der Deutschen Oper nach Hector Berlioz’ „Fausts Verdammnis“ (2014). In seiner „Holländer“-Interpretation kauert also Erik (Thomas Blondelle) bereits während der Ouvertüre mit angewinkelten Beinen auf dem Boden eines düsteren Einheitsraums, über ihm wabern Nebelschwaden, hinter ihm plätschert Wasser. John Carpenters Horrorfilm„The Fog – Nebel des Grauens“ läßt grüßen. Dann zerschmettert Erik ein kleines Schiffsmodell an der Wand, und die Handlung beginnt als Rückblende. Leider wirkt nicht nur die Inszenierung etwas fade, auch Samuel Youn als mysteriöser Holländer und Ingela Brimberg in der Rolle als Senta bleiben hinter den Erwartungen zurück.


Die nächsten „Holländer“-Vorstellungen an der Deutschen Oper Berlin finden statt am 16. und 20. Mai sowie am 4. und 10. Juni, jeweils um 19.30 Uhr. Karten gibt es ab 39 Euro (www.deutscheoperberlin.de). Ob es in der kommenden Spielzeit an der Staatsoper die dortige, ungleich sehenswertere Inszenierung geben wird, zeigt sich erst bei der Programmvorstellung voraussichtlich Ende Juni.