© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/17 / 12. Mai 2017

CD-Kritik: Jonas Kaufmann singt Gustav Mahler
Tenorzirkus
Jens Knorr

Längst ist auch Gustav Mahlers unzeitgemäßes Werk der Verwertungsmaschine des Klassik-Marktes einverleibt – ein gewichtiges Indiz dafür, daß seine Zeit noch nicht gekommen ist.

Neuestes Produkt dieserart „Mahlaria“ ist „Das Lied von der Erde“, eine Symphonie für eine Tenor- und eine Alt- (oder Bariton-) Stimme und Orchester von „Jonas Kaufmann Mahler“, so jedenfalls verzeichnet es das „Cover Artwork“ von Dirk Rudolph.

Kaufmann singt sowohl die Tenor- als auch die Baritonpartie. Der in beiden Stimmlagen erdrückenden Konkurrenz hält Kaufmann in keiner von beiden stand. Das Zentrum seiner Stimme liegt in der tenoralen Tessitura, also dem für den künstlerischen Ausdruck ergiebigen Bereich des natürlichen Stimmumfangs. Doch klingt seine in ein kehlig-verklemmtes Forte hochgetriebene Bruststimme nicht frei, sondern nur gewalttätig, und in der Mittellage klingt sie resonanzarm, fahl, verhangen und ausdruckslos. Die Anweisungen der Partitur für die Gestaltung der Baritonpartie geraten ihm zum Charakteristikum der Stimme selbst.

Die Dreiheit der beiden Gesangsstimmen und des Orchesters, wenn man es für eine Stimme nimmt, ja, Mahlers ganzes schönheits-, liebes-, lebenstrunkenes Weltabschiedswerk, erscheint auf die Einfalt einer privatisierenden spätromantischen Schnulze heruntergebrochen.

Gustav Mahler: Das Lied von der Erde Sony Classics 2017  www.jonaskaufmann.com