© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/17 / 12. Mai 2017

Zeitschriftenkritik: Pulsar
Individualität schließt Abgrenzung ein
Werner Olles

In einer Zeit fortschreitender Individualisierung, in der die Selbstverwirklichung Hochkonjunktur hat, beobachten wir gleichzeitig aufgrund der Globalisierung und Digitalisierung ein erzwungenes Zusammenrücken und eine Verwischung der Grenzen in vielerlei Hinsicht. Doch sind beide Szenarien, die Überhandnahme des Egoismus und eine übertriebene Individualitätskultur einerseits und der derzeitige Wandel hin zu einer grenzenlosen Gesellschaft, höchst problematisch. Tatsächlich müßte es um ein verbindendes Wir-Gefühl und um Individualität als Verpflichtung gegenüber der gewachsenen Gemeinschaft und dem Kollektiv gehen. Dies gilt für den Einzelnen ebenso wie für Institutionen, Organisationen, Unternehmen, Staaten und Nationen. Denn nur durch den Ausdruck unserer jeweiligen Einzigartigkeit und Verschiedenheit fördern wir die Einheit der Gemeinschaft, in die wir hineingeboren sind und der wir uns verbunden fühlen. Das hat nichts mit Abschottung oder Ausgrenzung zu tun.

Die seit 1989 mit einer Auflage von 18.000 Exemplaren zehnmal jährlich erscheinende Zeitschrift Pulsar befaßt sich in ihrer aktuellen Ausgabe (Mai 2017) als Schwerpunkt mit dem Thema „Individuum und/oder Gruppe“. Dazu zählt auch „die Sehnsucht nach Einmaligkeit“, die Chefredakteurin Marlis Bach kritisch beleuchtet. Sie kommt zu dem Schluß, daß „wir Menschen grundsätzlich Herdentiere (sind)“, deren Ausdrucksformen der Individualität die Abgrenzung von „den anderen“ ganz selbstverständlich einschließen. Erst im Vergleich mit anderen erfahre der Mensch sich selbst, wobei als Gradmesser für die Individualität das Ausmaß der Selbständigkeit und Eigentümlichkeit eines Menschen diene.

Ein weiterer Beitrag befaßt sich mit glücklicher Partnerschaft und funktionierenden Beziehungen in einer Zeit, in der die Trennungsquote so hoch wie nie ist und immer weniger Paare es schaffen, ihre Probleme in den Griff zu bekommen und konstruktiv an ihren Konflikten zu arbeiten. Der Mediziner Thomas Mayr schreibt über „Herdenimmunität“, einen Begriff aus der Epidemiologie, der erklärt, wie sich Krankheiten ausbreiten. Der Organentnahme bei Hirntoten, die in Fachkreisen kontrovers diskutiert wird, widmet sich der Jurist Manfred Schiffner. In Österreich ist es aufgrund der Rechtslage erlaubt, jedem Verstorbenen einzelne Organe oder Organteile zu entnehmen, sofern keine Erklärung vorliegt, wonach der Betroffene die Organspende ausdrücklich abgelehnt hat. Dazu ist eine Eintragung in ein Widerspruchsregister notwendig. Der Autor hält diese Lösung für problematisch

Interessant ist auch ein Beitrag über Materialforscher der Universität Jena, die Prototypen für „intelligente Fassaden“ entwickeln, bei denen eine zirkulierende Flüssigkeit in Glasmodulen den Wärmefluß reguliert. Dies soll nun unter anderem in Skandinavien und Südeuropa getestet werden, um unterschiedliche Wetterbedingungen abzudecken.

Kontakt: Bach Verlag, A-8072 Heiligenkreuz a.W., Wutschdorf 89. Das Jahresabo kostet 38 Euro.  www.pulsar.at