© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/17 / 12. Mai 2017

Herkulesaufgabe für Macron
Frankreich: Nach dem wenig überraschenden Wahlsieg muß der Ex-Finanzminister schnell zeigen, was er kann
Friedrich-Thorsten Müller

Die große Überraschung blieb aus. Mit soliden 66,1 Prozent der Stimmen setzte sich Emmanuel Macron gegen Marine Le Pen, die Vorsitzende des Front National durch. Der frühere Finanzminister des scheidenden Präsidenten François Hollande ist damit der jüngste Präsident in der Geschichte Frankreichs.

Bei der traditionellen Rede des neu gewählten Präsidenten am Wahlabend kündigte er als wichtigstes Ziel seiner Amtzeit an, die Überwindung der Spaltung des Landes erreichen zu wollen. Vor begeisterten Anhängern auf einer Bühne beim Louvre kündigte er an, die Gründe für die „Ängste“ beseitigen zu wollen, die so viele Bürger „Extremisten“  wählen lassen.

Le Pen will Front National weiter modernisieren  

Allerdings beginnt diese Präsidentschaft nicht unter rosigen Vorzeichen. So kann das gute Ergebnis nicht darüber hinwegtäuschen, daß eigentlich die Mehrheit der Franzosen von Macron und dessen europa- und globalisierungsfreundlichem Konzept nicht überzeugt ist. Denn viele haben ihn nur mit geballter Faust in der Hosentasche gewählt, um mit Le Pen das aus ihrer Sicht noch Schlimmere zu verhindern. Nie seit Beginn der Fünften Republik 1958 waren darüber hinaus die leer abgegebenen und ungültig gemachten Stimmzettel (vier Millionen, das heißt 11,5 Prozent) so zahlreich wie bei dieser Stichwahl. Und mit 77,8 Prozent (2012: 80,4 Prozent) im zweiten Wahlgang war dies die Präsidentschaftswahl mit der schlechtesten Wahlbeteiligung seit 1969. 

Bemerkenswert ist auch der Vergleich mit 2002, als es Jean-Marie Le Pen gelang, gegen Jacques Chirac in die Stichwahl einzuziehen. Damals mobilisierten Linke und Bürgerliche noch 79,7 Prozent für den zweiten Wahlgang, und Le Pen senior erreichte lediglich 17,8 Prozent der Stimmen, was 5,5 Millionen Wählern entsprach. Die 33,9 Prozent von Marine Le Pen bedeuten demgegenüber fast eine Verdoppelung der Wählerzahl. Über 10,6 Millionen Franzosen gaben ihr die Stimme.

Wie bedingt aussagefähig das landesweit betrachtet eindeutige Ergebnis ist, läßt sich darüber hinaus aus den Ergebnissen der Großstädte und Departements ablesen. Das gute Resultat Macrons ist zu einem guten Teil dem Erfolg in den Ballungsgebieten geschuldet: In Paris haben 89,7, in Bordeaux 85,9, in Lyon 84,1 und in Straßburg 81,2 Prozent für den künftigen Präsidenten gestimmt. Dagegen hat Marine Le Pen in weiten Teilen des Nord- und Südostens gute Ergebnisse erzielt oder sogar Mehrheiten hinter sich gebracht. Auch wenn es der 48jährigen auf Departementsebene nur zweimal – nämlich im Pas de Calais und in der Aisne – gelang, mit etwa 52 Prozent Macron hinter sich zu lassen, erreichte sie doch in etwa 20 Prozent der Departements über 45 Prozent und in einem Drittel etwa 40 Prozent und mehr.

Marine Le Pen fiel es mit diesem respektablen Ergebnis im Rücken darum nicht schwer, Macron mit als erste und herzlich zu seinem Wahlerfolg zu gratulieren. Bei ihrer Wahlparty tanzte sie darüber hinaus betont gutgelaunt. Zwar gab es auch innerparteiliche Kritik, zum Beispiel von ihrer Nichte Marion Maréchal-Le Pen, die beklagte, der Schwenk weg vom bedingungslosen Euro-Austritt sei zu spät erfolgt. Und weiterer Ärger zeichnet sich ab, da sie mehr denn je davon überzeugt ist, für einen Erfolg 2022 den historisch belasteten Namen „Front National“ ändern zu müssen. Doch Marine Le Pen erklärt zudem, auch weiterhin den FN führen zu wollen. Es ist kaum damit zu rechen, daß ihr das jemand streitig machen wird.

Auf Macron wartet dagegen eine echte Herkulesaufgabe. Er muß zum einen bei den Parlamentswahlen in fünf Wochen eine ihm gewogene Mehrheit aus bisher meist unbekannten Kandidaten seiner jungen Bewegung „En Marche“, die sich künftig La République en Marche (Die Republik auf dem Weg) nennen will, und anderen Wohlgesinnten gewinnen. Immerhin betonte der frühere Premierminister Jean-Pierre Raffarin bereits für das bürgerliche Lager, daß Frankreich „kein Interesse am Mißerfolg Macrons“ habe, weil „nur die Extreme davon profitieren würden“. Auch François Hollande bekundete seine Solidarität.

 Zum anderen muß der 39jährige aber seiner wenig bei ihm verwurzelten Anhängerschar viel schneller und nachhaltiger Resultate liefern, als dies für Präsidenten etablierter Parteien der Fall ist. Das dürfte mit hochgesteckten Erwartungen, so beispielsweise bezüglich eines nach seinem Wunsch zu 50 Prozent mit Frauen zu besetzenden Kabinetts oder nachhaltiger Wirtschaftsreformen mit liberalisiertem Arbeitsrecht, keine leichte Übung werden.

Rückenwind bekam Macron von Jean-Claude Juncker. Zur Wahl hätten zwei diametrale Visionen zur Zukunft Frankreichs gestanden, schrieb der EU-Kommissionspräsident in seinem Glückwunschschreiben. Er freue sich, daß die Idee eines starken und progressiven Europas, für die Macron stehe, unter dessen Präsidentschaft in die Debatte um die Zukunft der EU einfließen werde. Er blicke voller Zuversicht auf die Zusammenarbeit, so Juncker.

Dagegen zollte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Le Pen Respekt zum Achtungserfolg. Dieser sei eine exzellente Ausgangsposition für die in wenigen Wochen stattfindende Wahl zur französischen Nationalversammlung.