© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/17 / 12. Mai 2017

Vorpreschen und zurückrudern
Regierungskrise in Tschechien: Im Kampf gegen seinen Koalitionspartner Babiš fehlt Premier Sobotka die klare Linie
Mária Pešeková

Derartige Turbulenzen wie in der  vergangenen Woche sind in Prag selten zu sehen. Zu Beginn will der sozialdemokratische Premier Bohuslav Sobotka seinen Koalitionspartner und Finanzminister Andrej Babiš, durch Korruptions- und Betrugsvorwürfe im Kreuzfeuer der Kritik, abberufen.

Kurz darauf erklärt Sobotka nicht Babiš entlassen zu wollen, sondern kündigt seine eigene Demission an. Babiš, so der Vorsitzende der sozialdemokratischen CSSD, solle ein halbes Jahr vor den regulären Parlamentswahlen „nicht auch noch zum Märtyrer“ gemacht werden. Ende der Woche vollzog Sobotka nochmals eine Kehrtwende. Plötzlich unterstrich er, im Amt bleiben zu wollen und daß er doch nur Babiš abberufen werde.

Grund für das Zerwürfnis in der Regierungskoalition: Der Chef der liberal-populistischen Protestbewegung ANO und Milliardär Babiš hatte 2012 – schon als aktiver Politiker – Schuldscheine seinem eigenen Unternehmen Agrofert abgekauft, um sich so von Steuerzahlungen zu befreien.

Skandalumwitterter Milliardär beim Volk beliebt  

Nicht nur der Mißbrauch des Gesetzesloches gilt als umstritten, unklar ist, woher Babiš als Privatmann die Finanzmittel für das Geschäft in Höhe von 1,5 Milliarden tschechischen Kronen hatte. Denn sein Vermögen besteht vor allem aus Aktien in seinem Konzern.

Zudem soll Babiš auch von Fördergeldern der EU für eine Freizeitanlage profitiert haben, die er zuerst als sein Vorzeigeprojekt darstellt hatte, später dann aber leugnete, sie zu besitzen. Genauso weist Babiš den Vorwurf zurück, daß er die einflußreichen tschechischen Medien, an denen er große Anteile hält, zu seinen Gunsten benutze. Ein veröffentlichter Gesprächsmitschnitt  bestätigt aber, daß er sich mit einem Journalisten über „Material gegen den Innenminister“ Milan Chovanec (CSSD) ausgetauscht hatte.

Hinter dem auf den ersten Blick chaotischen Handeln des Premiers steckt eine logische Taktik. Sobotka hat nämlich gegen sich nicht nur den Koalitionspartner, der in den Umfragen an der Spitze ist, sondern noch einen starken Spieler, den Präsidenten der Republik, Miloš Zeman.

Die Abberufung des Finanzministers wollte Sobotka nicht von der Laune des Präsidenten abhängig machen. Denn im Gegensatz zu seinen Vorgängern Václav Havel und Václav Klaus hält sich Zeman nicht an die üblichen Verfassungsregeln, sondern folgt eher seinen Interessen. Für seine angestrebte Wiederwahl im kommenden Frühjahr meint Zeman den populären Babiš gebrauchen zu können. So deutete der Präsident an, daß er die Demission Sobotkas nur als seinen persönlichen Rücktritt und nicht als den des ganzen Kabinetts verstehen würde.

Trotz der ständigen Affären des Parteichefs wird ANO wahrscheinlich auch die nächste Wahl gewinnen. ANO ist 2011 „aus Protest gegen Korruption“ entstanden. Das richtete sich damals vor allem gegen die liberal-konservative ODS. Derzeit erhält die Partei jedoch vor allem aus dem linken Wählerlager Zuspruch. Eine Ideologie hat sie nicht. Babiš behauptet nur immer wieder, den Staat wie seine Firma regieren zu können. Andere Politiker verlacht er als „Spinner“, das scheint seinen Wählern zu reichen.