© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/17 / 12. Mai 2017

Kinder vor Indoktrinierung schützen
„Demo für alle“: Kritiker aus Familienverbänden haben sich in Wiesbaden zum Symposium gegen die Frühsexualisierung versammelt
Mathias Pellack

Rosa Bändchen für die Damen, blaue für die Herren. Wer am vergangenen Samstag im barocken Wiesbadener Kurhaus am Symposium des Aktionsbündnisses „Demo für alle“ (JF 10/16) teilnehmen wollte, wurde – augenzwinkernd – klar und strikt zweigeschlechtlich zugeordnet. Von den Kritikern des Gender Mainstreaming kann man anderes schließlich nicht erwarten.

Thematischer Schwerpunkt der Veranstaltung mit ihren etwa 400 Besuchern – darunter viele Lehrer und Pfarrer – war die sogenannte „Sexualpädagogik der Vielfalt“, die als „herrschende Lehre“ identifiziert und kritisch beleuchtet werden sollte. Die Veranstaltung zielte, so Initatorin Hedwig von Beverfoerde, auf „die Wahrung der Elternrechte, Ehe und Familie und gegen Gender-Ideologie und Frühsexualisierung der Kinder“. 

Unter Gender-Ideologie verstehen die Veranstalter die staatlich erzwungene Angleichung der anerzogenen geschlechtlichen Merkmale der Menschen. Männer wie Frauen sollen im Verhalten einander angepaßt werden, um biologisch bedingte Unterschiede zu verneinen. Damit, wie es die „Demo für alle“ in einem ihrer Videobeiträge zuspitzt, „Mädchen auch Lkw-Fahrerin“ werden können und Männer Kleider tragen dürfen. 

Den Auftakt beim Symposiun machte der Religionswissenschaftler und Philosoph Harald Seubert. Er zeigte die gesamtgesellschaftliche Bedeutung christlich-europäischer Werte für die freiheitliche demokratische Grundordnung auf. Im Rahmen dieses Wertesystem sei die Familie unabdingbar, so Seubert, und stehe unter dem besonderem Schutz.

Um den Schutz der Familie – auch vor staatlichen Eingriffen – sowie das Recht der Eltern ging es auch im Vortrag des an der Universität Göttingen lehrenden Verfassungsrechtlers Christian Winterhoff. Er hatte ein wegweisendes Gutachten erstellt (JF 37/16), in dem er in den Entwürfen zu einem neuen Lehrplan für Sexualerziehung in Schleswig-Holstein einen Verstoß gegen das höchstrichterliche Verbot staatlicher Indoktrinierung ausgemacht hatte.

„Ihr wollt den Haß          nach Hessen tragen!“

Winterhoff betonte auch in Wiesbaden, es sei unzulässig, in einem Lehrplan „ein bestimmtes Sexualverhalten zu befürworten oder abzulehnen“. So etwas würde „eindeutig gegen das Zurückhaltungs- und Rücksichtnahmegebot des Grundgesetzes verstoßen“. Eine geforderte „Akzeptanz“ sei daher, im Gegensatz zur „Toleranz“ abzulehnen.

In diesem Zusammenhang kritisierte Organisatorin Hedwig von Beverfoerde die jüngst geänderten Richtlinien des hessischen Kultusministeriums. Der darin festgelegte und seit August 2016 gültige Lehrplan zur fächerübergreifenden Sexualerziehung an den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen soll „sich nicht auf Wissensvermittlung“ beschränken. Anstelle von Sexualkunde ist daher auch von Sexualerziehung die Rede. Diese könne nur gelingen, „wenn Lehrkräfte sich als Aufklärende begreifen, die den Auftrag haben“, den Schülern auch die „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ nahezubringen. Anzustreben sei ein Schulklima, in dem Schüler erleben, daß über Sexualität offen gesprochen werden kann. Es solle ein „offenes, diskriminierungsfreies und wertschätzendes Verständnis für die Verschiedenheit und Vielfalt der partnerschaftlichen Beziehungen, sexuellen Orientierungen und geschlechtlichen Identitäten“ gewährleisten.

Wie viele Kritiker nimmt Beverfoerde vor allem daran Anstoß, daß bei dieser Methode „noch nicht sexualisierte Kinder mit möglicherweise verstörendem Material in Kontakt“ gebracht werden.

Doch die Referenten beließen es nicht bei der Kritik, sondern boten auch eine Alternative zum Gender Mainstreaming an. So stellte Karolin Wehler das Projekt „Teenstar“ vor. Dies bietet Heranwachsenden an, sich „über einen längeren Zeitraum mit verschiedenen Aspekten der Sexualität in Gemeinschaft mit anderen Jugendlichen auseinanderzusetzen“.

Im Vorfeld des Symposiums hatte der hessische Landtag auf Antrag der Grünen die Veranstaltung fraktionsübergreifend inklusive CDU und FDP verurteilt. „Ihr wollt Haß nach Hessen tragen und ausgrenzen“, so der Grünen-Landesvorsitzender Kai Klose, der den Organisatoren Homophobie und Nähe zu Rechtsextremen vorwarf. 

Dank eines großen Polizeiaufgebots konnte die Veranstaltung im Kurhaus trotz zahlreicher Gegendemonstranten ungestört stattfinden.