© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/17 / 12. Mai 2017

Im Sammelsurium der Sonstigen
Nordrhein-Westfalen I: Zahlreiche Kleinparteien treten an
Christian Schreiber

Nicht weniger als 31 Landeslisten hat der Wahlleiter in Nordrhein-Westfalen zugelassen. Weit mehr als 20 von ihnen dürften allerdings keinerlei Aussichten auf einen Einzug ins Parlament haben. 

Im Vergleich zur 2012er-Wahl fehlt diesmal die islamkritische Bürgerbewegung Pro NRW, die nach schwachen Kommunalwahlergebnissen und dem Erstarken der AfD auf eine Kandidatur verzichtet hat. Rechts der Partei von Spitzenkandidat Marcus Pretzell tummeln sich allerdings immer noch mehrere Splittergruppen, die zumindest auf einen Achtungserfolg hoffen.

Über den längsten Namen verfügt zweifelsohne die Kleinstpartei „Ab jetzt …Demokratie durch Volks­abstimmung. Politik für die Menschen …“, die vor Jahren bereits unter der Bezeichnung „Bündnis für Deutschland“ an Wahlen teilgenommen hat. Die Partei fordert mehr direkte Demokratie und äußert sich skeptisch gegenüber der modernen Medizin als „von der Pharma-Lobby gesteuerter Kostenfaktor der etablierten Parteien“ und wirbt für die Gleichstellung von Naturheilverfahren im Gesundheitswesen. 

Mit dem durchaus doppeldeutigen Slogan „Mit Kraft und Freude gegen Kraft und Freunde“ tritt die rechtsextreme Partei „Die Rechte“ an, die in NRW ihre Anhängerschaft aus Hooligan- und Kameradschaftskreisen rekrutiert. Als Spitzenkandidat geht der eher unbekannte Kevin Koch ins Rennen. Auf Platz zwei folgt jedoch der Dortmunder Stadtrat Siegfried Borchardt, der in der Szene unter dem einschlägigen Namen „SS-Siggi“ bekannt ist. Illegale Einwanderer sollen nicht in Wohnungen, sondern in Containern untergebracht werden, heißt es in dem Wahlprogramm. Zudem solle eine Ausgangssperre für Asylbewerber ab 22 Uhr herrschen.  

Nicht minder auffällig agiert die NPD im größten Bundesland der Republik. Die Partei hat sich zwar bemüht, mit der Leverkusener Rechtsanwältin Ariane Meise eine bürgerliche Kandidatin an die Spitze der Liste zu stellen, doch der Wahlkampf wurde von altbekannten Funktionären wie dem Landesvorsitzenden Claus Kremer bestritten. Die Ein-Prozent-Marke, die zur Teilnahme an der staatlichen Parteienteilfinanzierung berechtigt, liegt für die Partei, die vor fünf Jahren auf 0,5 Prozent kam, in weiter Ferne. 

Dies gilt wohl auch für die Republikaner, die weitaus gemäßigter auftreten. Mit Johann Gärtner hat sich im vergangenen Herbst der letzte Funktionär der alten Führungsriege um Rolf Schlierer zurückgezogen. Sein Nachfolger Kevin Krieger, ein 26jähriger Student, kandidiert auch als Spitzenkandidat in NRW. Die Forderungen der Republikaner nach strengeren Einreisekontrollen, einer schnelleren Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern und einer Entlastung des Steuerzahlers könnten auch aus dem AfD-Programm stammen. Schlagzeilen machte die Partei allerdings, als der linke Informationsdienst Blick nach Rechts herausfand, daß Krieger zuvor bei ProNRW und der NPD aktiv gewesen war. 

Für ein Kuriosum sorgte Bernd Luckes AfD-Abspaltung Liberal- Konservative Reformer. Nachdem die Landesliste bereits aufgestellt und alle Zulassungsformalitäten erfüllt waren, zog die Partei erst Mitte März ihre Kandidatur zurück, nachdem mehrere Funktionäre – unter ihnen auch der Spitzenkandidat Ulrich van Suntum – ihren Austritt erklärt hatten. 

Dem Wähler bleiben dennoch genügend Alternativen. Neben alten Bekannten wie den Freien Wählern, der ÖDP oder der Tierschutzpartei treten auch Exoten wie die Partei für Gesundheitsforschung, die als zentralen Programmpunkt die Erforschung von Alterskrankheiten aufführt oder PAN – Die Parteilosen an, die die „Politiker von den Parteien“ trennen will. Die Kleinstgruppe hatte mit lediglich fünf Mitgliedern die erforderlichen Unterstützungsunterschriften gesammelt. In dieselbe Exoten-Rubrik gehören sicherlich auch die – hier freilich gewissermaßen schon etablierten – Violetten, die eine „spirituelle Politik“ schon im Untertitel versprechen, oder die V-Partei3, deren Kürzel „für Veränderung, Vegetarier und Veganer“ steht. Als „bewußte christliche Wahlalternative“ präsentiert sich der Aufbruch C, der – anders als das aus der AUF-Partei sowie der Partei Bibeltreuer Christen (PBC) gebildete Bündnis C am Sonntag in NRW antritt. Wie eine Reminiszenz an die Vergangenheit kandidieren auch sowohl die KPD wie die Deutsche Zentrumspartei – „Älteste Partei Deutschlands gegründet 1870“. 

Mit Spannung erwartet wird das Abschneiden der beiden „Migrantenparteien“ Allianz Deutscher Demokraten (JF 31/16) und Bündnis für Innovation & Gerechtigkeit (JF 15/11). Sie werden laut Medienberichten vor allem von Anhängern des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mit deutscher Staatsangehörigkeit favorisiert. Beide Parteien weisen eine Nähe zur Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) auf (JF 9/17).