© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/17 / 12. Mai 2017

„Für die Medien sind wir die ‘Bösen’“
Eeben Barlow gründete 1990 den legendären Militärdienstleister Executive Outcomes und revolutionierte damit das Söldnerwesen. Inzwischen kämpfte der Südafrikaner, von der Politik des Westens enttäuscht, mit seiner Firma STTEP gegen Boko Haram in Nigeria
Martin Compart

Herr Barlow, mit hundert Söldnern und einer von Ihnen trainierten nigerianischen Spezialeinheit haben Sie 2015 den Nordosten Nigerias in nur drei Monaten von der Boko Haram befreit. . Dann kehrte die Islamistenmiliz zurück. Warum?

Barlow: Boko Haram ist lediglich ein Haufen bewaffneter Killer, die die Religion als Kitt benutzen. Aber wir haben die Nigerianer gewarnt: Solange diese Gruppe nicht ausgelöscht ist, wird sie wiederkommen und ihren Terror sogar verstärken. Deshalb darf man die Initiative nicht verlieren! Aber gewisse Nicht-Afrikaner redeten den Nigerianern ein, daß es unserer Firma STTEP doch nur um eine Vertragsverlängerung ginge. Tja, sie folgten diesem Rat ... Ironischerweise passierte so etwas übrigens auch schon zuvor in Angola und Sierra Leone, noch in den Tagen meines vorigen Dienstleisters Executive Outcomes. 

Wie kam es zum Eingreifen in Nigeria?  

Barlow: Präsident Goodluck Jonathan erkannte 2014, daß die von den USA ausgebildete nigerianische Armee Boko Haram nicht aufhalten konnte. Ihre Soldaten flohen vom Schlachtfeld und ließen die Waffen zurück. Die USA tragen daran eine Mitschuld: Sie bildeten die Nigerianer nicht nur mangelhaft aus, sondern weigerten sich, ihnen die benötigte Ausrüstung zu verkaufen. 

Wie beurteilen Sie islamistische Milizen wie Boko Haram militärisch?

Barlow: Viele der Rebellen sind Ex-Soldaten und haben Ahnung von Taktik und Strategie. Ihre eigene Strategie zielt darauf, die Regierung zu stürzen. Ihre Taktik besteht meist aus Terror, um die Unterstützung der Bevölkerung zu erpressen. Und je länger eine reguläre Armeeeinheit gegen sie kämpft, um so mehr lernen sie, wie diese operiert. Konfrontiert man sie aber mit einer Truppe, die radikal anders operiert und nutzt man gegen sie, was sie für ihren Vorteil halten, etwa, daß eine terrorisierte Bevölkerung nur zu gerne Informationen gegen sie liefert, kann man sie aus dem Gleichgewicht bringen. 

Nigeria ist ein korrupter Staat. Macht das Ihre Arbeit nicht extrem schwierig?

Barlow: Mit Zustimmung der Regierung haben wir eine eigene Aufklärung aufgebaut. Wir wählten geeignete nigerianische Soldaten für unsere 72. Mobile Strike Force aus, die in der Lage war, Boko Haram zu zerschlagen. Es zeigte sich, daß wir diese Leute wirklich zu einer gefährlichen Truppe ausgebildet hatten – im Gegensatz zu den ausländischen Ausbildern, die sie vorher hatten. Als die Nigerianer erlebten, daß wir alle Härten und Gefahren mit ihnen teilten, haben sie uns blind vertraut und sich als unbedingt loyal erwiesen. Na ja, nicht ungewöhnlich bei STTEP; das geschieht überall, wo wir aktiv werden.

Ist der Westen denn wirklich daran interessiert, Boko Haram und den IS zu besiegen? Denn es erscheint schwer vorstellbar, daß französische oder amerikanische Militärs nicht dazu in der Lage sein sollen, diese Gruppen effektiv zu bekämpfen. 

Barlow: Diese Banden haben Basen in etlichen afrikanischen Ländern, die alle zerstört werden könnten. Wieso neutralisiert man sie nicht? Mit moderner Technologie sollte das kein Problem sein. Oder haben Boko Haram und der IS etwa eine bessere Technologie als der Westen? Nein, offenbar geht es gar nicht um Aufstandsbekämpfung. Außerdem begreifen ausländische Truppen die geopolitischen Implikationen nicht. Sie folgen einer Doktrin für westliche Kriegsführung, die in Afrika nicht greift. Und es fehlt ihnen eine kohärente asymmetrische Strategie zur Terrorbekämpfung. Die Ausbildung durch die Amerikaner gleicht oft einem Kaufhaus, in dem die Schaufenster eindrucksvoll dekoriert sind, aber wenn man das Haus betritt, sind alle anderen Räume leer. Soldaten tun das, was man ihnen befiehlt und wofür sie ausgebildet sind. Wenn ihr Auftrag unklar oder mißverständlich ist und nicht von politischem und militärischem Siegeswillen getragen ist, scheitern sie. Daraus kann man schließen, daß es Gründe dafür geben muß, daß diese Banden ihr Unwesen dauerhaft treiben können – Gründe politischer und ökonomischer Natur. Und das reicht noch weiter: In Syrien wird eine Freie Syrische Armee, die überhaupt nicht als solche existiert, vom Westen ausgebildet und unterstützt. Und wenn sie in den Irak wechselt, wird sie plötzlich zum IS. Oder Libyen: Hat wirklich niemand daran gedacht, was mit dem riesigen Waffenarsenal dort geschieht, wenn man die Strukturen des Landes komplett zerstört? Das hätte eigentlich dem Dümmsten klar gewesen sein müssen! Aber entweder hat man die Folgen ignoriert oder sie waren erwünscht.

All das erinnert an den Einsatz Ihrer vorherigen Firma Executive Outcomes in Sierra Leone: Dort hatten Sie schnell Erfolg und drängten mit nur zweihundert Kämpfern die Rebellen der Revolutionary United Front innerhalb von zwei Monaten aus dem Land. Dann wurde Executive Outcomes auf Druck der Weltbank und der USA aus dem Land geworfen, und die RUF kam zurück, herrschte noch brutaler und nahm sogar die Hauptstadt Freetown ein, wo sie innerhalb weniger Tage 7.000 Menschen ermordete oder verstümmelte.

Barlow: Im Gegensatz zu vielen privaten Militärdienstleistern, die von westlichen Regierungen – etwa in Afghanistan, Irak oder auf dem Balkan – eingesetzt wurden und werden, haben sich weder Executive Outcomes noch STTEP jemals irgendwelcher Verbrechen schuldig gemacht. Bei uns gab und gibt es keine Morde, Prostitution, Waffenschmuggel, Menschenhandel oder Ausbeutung von Rohstoffen. Wir haben nie die einheimische Bevölkerung tyrannisiert, bestohlen oder vergewaltigt und keine Flüchtlinge verursacht. Wir werden unter Vertrag genommen, um Konflikte zu beenden, nicht um sie künstlich zu verlängern, bis einer legalen Regierung die Luft abgedrückt ist. Jeder Vertrag wurde von uns in kürzester Zeit erfüllt. Dennoch stellen uns viele Medien als „böse Jungs“ dar. Während, ob aus Inkompetenz oder Absicht, die ständigen Versager oft als die „Guten“ gezeichnet werden, obwohl sie mehr Probleme produzieren als beseitigen.

Warum ist das so? 

Barlow: STTEP wird von nichtafrikanischen Regierungen ob ihrer Gier nach Bodenschätzen und ihrer Politik der Destabilisierung als Hindernis empfunden. Andere afrikanische Regierungen betrachten STTEP dagegen als Verbündeten. Wir trainieren nicht nur ihre Armeen, wir geben auch politischen Rat. Die Bevölkerung in den Städten und Dörfern jubelt, wenn wir zu ihr vorstoßen. Wir setzen unser Leben aufs Spiel, und einige von uns verlieren es bei der Bemühung, unsere Versprechen einzulösen. Trotzdem bleibt STTEP unter Beschuß von Mächten, die heimlich den Terrorismus unterstützen um Konflikte und Chaos zu schüren, aber nach außen so tun, als würden sie ihn bekämpfen. Dabei ist diese zu stoppen das Letzte, was sie wirklich wollen, denn sie verschleiern ihre Politik der ökonomischen Sabotage und der Destabilisierung zugunsten der Ausbeutung afrikanischer Rohstoffe für multinationale Großkonzerne. Doch die – vielleicht – unbeabsichtigte Konsequenz ist, daß die so produzierten Probleme Afrikas über Europa hereinbrechen, Stichwort Flüchtlinge. Bisher übrigens – allerdings überrascht uns das wenig – hat STTEP nur wenige Kunden. Und das trotz unserer Bilanz, jeden Auftrag erfolgreich erfüllt und Tausende unschuldige Leben gerettet zu haben. Aber einige afrikanische Regierungen und auch Nichtregierungsorganisationen haben mir verraten, daß man ihnen mit Sanktionen gedroht hat, falls sie STTEP engagieren. Denn offensichtlich will man nicht, daß afrikanische Regierungen rein afrikanische Firmen verpflichten. Das zeigt, daß afrikanischen Regierungen nicht zugebilligt wird, die Zukunft ihrer Länder zu bestimmen, wenn sie neoimperialen Interessen in die Quere kommen. Man billigt ihnen nicht das Recht zu, selbst zu entscheiden, wer ihre Armeen ausbildet. Darüber entscheiden tatsächlich nicht-afrikanische Regierungen. Und es folgt fast regelmäßig ein Regimewechsel, ob durch Gewalt oder andere Mittel, wenn die vitalen Interessen einer afrikanischen Regierung gegen die wirtschaftlichen Interessen einer starken nichtafrikanischen Macht stehen. Dasselbe passiert auch im Mittlern Osten.

Diese „Balkanisierung Afrikas“, wie Sie es nennen, führt dann auch zu immer mehr  Flüchtlingen?

Barlow: Diese extrem schlechte und egoistische Strategie der Nicht-Afrikaner ist ein Hauptgrund für die Flüchtlingswelle und den Terrorismus, der nun auch Europa erreicht. Sehen wir uns nur den Mist an, den man in Libyen, Nigeria, Somalia, Sudan, Jemen, Syrien, Irak oder Afghanistan angerichtet hat. Schlecht durchdachte Strategien haben die Wirtschaft dieser Länder zerstört, ganze Landstriche und Dörfer unbewohnbar gemacht, Haß und Terror gesät. Ganz zu schweigen von dem Meer an Flüchtlingen, die Europa überschwemmen. Ich sehe keine positive Entwicklung. Und nochmal zur Mainstreampresse: Executive Outcomes hatte keinen Zugang zu ihnen. Und die meisten der sogenannten Kriegsberichterstatter werden von Geheimdiensten kontrolliert.

Zum Beispiel? 

Barlow: In meinem Buch über Executive Outcomes nenne ich Namen von sogenannten „Journalisten“. Übrigens hat mich kein einziger von ihnen verklagt – aus Angst, daß eine Gerichtsverhandlung zu noch mehr Öffentlichkeit führt. Sie verkündeten angebliche Tatsachen, die nie recherchiert wurden, und vieles wurde keck von Agenturen der Dienste selber erdacht. Geändert hat sich, daß STTEP durch Internet und soziale Medien eine eigene Stimme hat, was Executive Outcomes noch nicht hatte. Im Gegensatz zu den Zeiten von Executive Outcomes können wir heute unsere Sicht der Dinge verbreiten. Außerdem haben einige afrikanische Regierungen inzwischen mitbekommen, wie sehr sie belogen werden. Ich spreche regelmäßig mit ihnen und stelle fest, daß viele die Strategie der Balkanisierung Afrikas inzwischen durchschauen. Wenn man die internationale Presse beherrscht, ist es leicht, Lügen zu verbreiten. So haben mir einige Regierungschefs erzählt, man habe sie gewarnt, wir würden angeblich Putsche gegen sie vorbereiten.

In Deutschland wurde Ihr Einsatz in Nigeria fast nicht zur Kenntnis genommen – und die wenigen Berichte bedienten dann wieder die Söldnerklischees.

Barlow: Wir operieren so lange wie möglich „unterm Radar“ und kompromittieren nie einen Klienten. Europäische und US-Firmen nennt man „private Militärfirmen“ – wir dagegen sind immer die „Söldner“, böse „Rassisten“ aus Südafrika, die „scharf “ auf Diamanten oder Ölkonzessionen seien. Tatsächlich aber sind siebzig Prozent der Beschäftigten bei STTEP schwarz und wir Bleichgesichter dort in der Minderheit. Und was soll ich wohl mit Öl? Meine Leute mit Kanistern bezahlen?

Nach all Ihren Erfahrungen dürften Sie dem Westen gegenüber nicht sonderlich freundlich eingestellt sein.

Barlow: Ich bin weder antiwestlich noch antiöstlich. Ich bin proafrikanisch, denn Afrika ist der Kontinent, auf dem ich geboren wurde und wo ich sterben werde. Ich bin 1974 in die südafrikanische Armee eingetreten. Ich wollte immer Soldat werden. Meinen Dienst verband ich mit Loyalität und Hingabe, mit Werten, unter denen Ehre große Bedeutung hat. Ich glaubte damals, das Militär sei frei von politischer Heuchelei und Bösartigkeit. Mit den Jahren mußte ich schmerzlich lernen, wie weit die Realität von meinen idealistischen 

Vorstellungen entfernt ist. Nach 16 Jahren Dienst in den südafrikanischen Streitkräften – zuletzt im CCB, dem geheimen Civil Cooperation Bureau für verdeckte Operationen, als Leiter der Sektion 5 dort, zuständig für Eu-ropa und den Mittleren Osten – wurde ich, wie viele andere, nach dem Ende der Apartheid rausgeworfen. Ich war buchstäblich pleite. Verschuldet und ohne Job. Sogar Bankraub war damals eine Option für mich. Das einzige, was ich noch hatte, war eine kleine Firma, die Ausbildungsprogramme für Spezial­einheiten anbot: Executive Outcomes. Ich bin davon überzeugt, wir alle sind geprägt durch unsere Geschichte und Umwelt. Trotz dieser blutigen Geschichte sollten wir das Gute sehen und nutzen und dafür sorgen, daß das Böse nie wieder möglich ist. Unsere Welt hat sich seit unserer Geburt dramatisch verändert. Aber weder Sie noch mich kann man für die Taten unserer Vorfahren verantwortlich machen. Ich glaube, wenn man keine wirklichen Überzeugungen hat, wird man auf jeden Fall scheitern. Wenn ich scheitere, dann wenigstens im Kampf für eine Sache, von der ich überzeugt bin.






Eeben Barlow, wurde 1956 in Nordrhodesien, heute Sambia, geboren. 1990 gründete der ehemalige Offizier die Firma Executive Outcomes, die zum strukturellen Vorbild für alle in Folge entstandenen privaten Militärdienstleister wurde. Nach deren Auflösung 1999 aufgrund einer neuen Gesetzgebung Südafrikas gegen Söldnerunternehmen gründete er 2006 das Unternehmen Specialised Tasks, Training, Equipment and Protection International (STTEP) mit Sitz in Pretoria. 2007 veröffentlichte er unter dem Titel „Executive Outcomes. Against All Odds“ seine Autobiographie. In seinem neuen Buch „Composite Warfare. The Conduct of Successful Ground Force Operations in Africa“ (2016) beschreibt Barlow erfolgreiche Strategien für Kriege in Afrika, die sich völlig von westlichen Militärdoktrinen unterscheiden. 

 http://eebenbarlowsmilitaryandsecurityblog.blogspot.de/

Foto: Barlow im Kampfeinsatz 2012: „Sehen Sie sich den Mist an, den man in Afrika angerichtet hat (...) Nun brechen die so produzierten Probleme über Europa herein, Stichwort Flüchtlinge“

 

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