© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/17 / 05. Mai 2017

Taliban-Mitgliedschaft als Asylgrund
Deutsches Dilemma
Marc Zoellner

Auf den ersten Blick schockiert die Zahl: Gleich mehrere tausend Kämpfer der radikalislamischen Taliban sind laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) seit 2015 in die Bundesrepublik eingereist, um in den Wirren der Flüchtlingskrise als Asylbewerber Unterschlupf zu finden. Gegen siebzig von ihnen ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Und sie alle sind geständig. Denn daß die Verdächtigen bei den Taliban kämpften, fand kein Geheimdienst und keine Kriminalbehörde heraus, sondern das gaben die Flüchtlinge selbst freiwillig zu Protokoll. Nämlich, um ihre Abschiebung zu verhindern, da die Taliban in Afghanistan „verfolgt“ werden.

Drohende Folter im jeweiligen Heimatland läßt den deutschen Staat vor Abschiebungen prinzipiell zurückschrecken. Diese Gesetzeslücke ist geeignet, weitere Präzedenzfälle zu schaffen: Was, wenn plötzlich irakische IS-Kämpfer in Deutschland Asyl beantragten, oder Anhänger der nigerianischen Boko Haram? Auch ihnen drohen in ihrer Heimat Repressalien durch die dortigen Behörden. Deutschland benötigt zur Vorbeugung eine klare Regelung: Für Abschiebungen ist eine Bestrafung in den Herkunftsländern irrelevant, wenn dieser eine Mitgliedschaft in einer Terrorgruppe vorausgeht. Die Resozialisierung von deren Mitgliedern ist nicht die Aufgabe der deutschen Justiz.