© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/17 / 21. April 2017

CD-Kritik: Matthias Goerne singt Schumann
Aus großer Stille
Jens Knorr

Bald 20 Jahre ist Matthias Goernes Einspielung der Eichendorff- und Kerner-Lieder von Robert Schumann her. Nun hat der Bariton eine knappe Auswahl von 19 Liedern des Komponisten, welche die Zeitspanne von den 1840 komponierten Myrten op. 25 bis hin zu den um 1850 komponierten späten Liedern umgreift, unter den Titel „Einsamkeit“ subsumiert.

Goerne löst die Lieder aus ihren angestammten Werkgruppen heraus, gruppiert sie nach seinen Zwecken neu und transformiert sie – sehr zeitgemäß – in ein zeitloses Gefühls-Nirvana, möbliert mit extrem verlangsamten Tempi, geraubten und nie zurückgegebenen Zeiten und seitens des Pianisten Markus Hinterhäuser mit viel Pedal und Nachhall. Die Lieder kommen aus großer Stille, um sich an Goernes überwältigender Mittelstimme, die übrigens in der Höhe auch eng und unfrei klingen kann („Ins Freie“ op. 89/5), zu wärmen. Zurück in die Stille entlassen, hinterlassen die Neunzehn eine Empfindung von Gemeinsamkeit in Einsamkeit, von Schauder und Zauber – und ihre Interpreten einen Nachgeschmack von Scharlatanerie.

Intentionen des Komponisten und seiner Dichter, Notentext und Kompositionsverhältnisse und was sie bedeuten sind in heißglutendem Klangfluß aufgelöst, verdampft und zu der einen verschmolzen: Das deutsche Lied bin ich, Matthias Goerne! 

Robert Schumann Einsamkeit. Lieder Harmonia mundi 2017  www.matthiasgoerne.com