© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/17 / 21. April 2017

Das Ende der „Kostenloskultur“
Finanzmarkt: Immer mehr Banken und Sparkassen verlangen horrende Gebühren
Christian Schreiber

Kontoführung, Überweisung, Geldabbuchen – was jahrzehntelang zum kostenlosen Service der deutschen Kreditinstitute gehörte, entpuppt sich nun als neue Einnahmequelle. So haben erste Volks- und Raiff­eisenbanken bereits die Möglichkeiten für Kunden, auf Modelle ohne Geldabhebegebühr zurückzugreifen, vollkommen abgeschafft. Bisher konnte man das noch durch pauschale Kontoführungsgebühren umgehen, berichtet das Finanzportal Biallo. Vorreiter der Abzockwelle war 2014 die Deutsche Skatbank, die als erste 0,25prozentige Strafzinsen für Großkunden verlangte. Die Raiffeisenbank Gmund am Tegernsee dachte sich immerhin einen verschleiernden Namen aus: Wer mehr als 100.000 Euro auf dem Konto hat, muß ein „Verwahrentgelt“ von 0,4 Prozent zahlen (JF 46/16).

Noch 2009 warb die Commerzbank-Tochter Comdirect mit 75 Euro Startguthaben, mit kostenloser Kontoführung sowie gebührenfreier Maestro- und Visakarte um Kunden – und „einen Euro monatlich auf dein Girokonto“ gab’s obendrauf. Doch diese Zeiten sind vorbei. Banken und Sparkassen leiden unter der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). In den Kreditinstituten wimmelt es derzeit von Strategen, Beratern und Controllern, die neue Gewinnpotentiale aufspüren sollen.

Firmen und Privatkunden mit hohen Geldbeträgen müssen bei immer mehr Banken Verwahrgebühren zahlen – sie verlangen Geld, um der Bank Geld leihen zu dürfen. Normalkunden werden vor allem mit höheren Gebühren rund um das Girokonto belastet. Die Bundesregierung hat diese Abzocke ermöglicht: Seit der Neuregelung des Zahlungsdienstvertrag-Paragraphen können Bargeld Ein- und Auszahlungen vom eigenen Konto mit einem Entgelt belegt werden. Davon machen immer mehr Institute Gebrauch.

Mehr als 40 der 398 deutschen Sparkassen verlangen für das Geld der Kunden Abhebegebühren. Laut Biallo haben auch über 150 von den tausend deutschen Genossenschaftsbanken Kontomodelle mit Automatengebühren eingeführt – und sie schieben den Schwarzen Peter gern an die EZB weiter. Dabei haben sie auch von ihm profitiert, wie Bundesbankpräsident Jens Weidmann einräumte: „Fairerweise sollte jedoch nicht unerwähnt bleiben, daß die sinkenden Zinsen anfänglich bei einigen Banken auch zu positiven Bewertungseffekten geführt haben und die konjunkturstimulierende Wirkung der Geldpolitik das Risiko von Kreditausfällen verringert“, sagte er gegenüber der Frankfurter Rundschau.

Postbank-Standardkonto kostet 46,80 Euro jährlich

Der Geschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken, Michael Kemmer, hört das nicht so gern. In der Zeit prophezeite der frühere BayernLB-Chef auch den Kunden der von ihm vertretenen Privatbanken das Ende der angeblichen „Kostenloskultur“. Was damit gemeint ist, wissen die 14 Millionen Kunden der Deutsche-Bank-Tochter Postbank seit November vergangenen Jahres: Das bis dahin kostenlose Standardkonto „Postbank Giro plus“ kostet nun 46,80 Euro jährlich.

Der Deutsch-Amerikaner und Bundesbank-Vorstand Andreas Raymond Dombret kennt das aus seinem Geburtsland ohnehin nicht anders und verteidigt den „Abschied von der Umsonstkultur“: Es werde schwieriger, Geld zu verdienen, die Banken seien gezwungen, sich über Optimierungen Gedanken zu machen, so der frühere Bank-of-America-Topmanager. „Die Häuser verlangen für viele Dienstleistungen und Produkte wieder Gebühren. Allerdings müssen diese Produkte auch attraktiv sein, sonst werden Banken und Sparkassen dafür diese Preise nicht am Markt durchsetzen können“, sagte Dombret dem Sender N24.

Der für die Finanzaufsicht zuständige Bundesbanker möchte allerdings keine Zukunftsprognose abgeben, dies sei alles eine Frage des Wettbewerbs: „Ursprünglich haben die Banken und Sparkassen an den Kundenguthaben Geld verdient – allein durch die Unterschiede zwischen kurz- und langfristigen Zinsen. Heute ist das nicht mehr möglich, weil die Zinsen alle ähnlich niedrig sind. Der Bankensektor kann da nur Kosten senken oder Provisionen und Gebühren erhöhen.“ Sollten die Zinsen wieder steigen, sei auch eine Gebührenrücknahme denkbar: „Der Markt wird das regeln.“

Angst vor Kontokündigungen gibt es bislang nicht. „Bankdienstleistungen sind nicht kostenlos. Die Verbraucher verstehen und akzeptieren das auch“, glaubt Michael Bockelmann, Präsident des Genossenschaftsverbandes. Man werde sich auf verschiedene Modelle einstellen. Eine gewisse Anzahl an Überweisungen oder Barabhebungen könnten kostenfrei bleiben. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband argumentiert ähnlich: Neben Konten mit Pauschalpreis, bei denen keine Zusatzkosten entstünden, gebe es nun eben „Angebote mit einem niedrigeren Grundpreis, bei denen auch einzelne Buchungsposten bepreist werden“.

Dirk Schiereck, VWL-Professor an der TU Darmstadt, sieht angesichts dessen das Ende des Bargelds näher kommen. Einzelhandel und Banken seien sich darin einig, daß Bargeld teurer sei und es für sie besser wäre, wenn mehr Kunden mit Karte oder per Handy bezahlten. „Daher versuchen die Banken das Verhalten der Kunden zu ändern.“

Verbraucherschutzinfos für Bankkunden:  www.bafin.de/