© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/17 / 21. April 2017

Erzittert die Luft im Knalle
Bundeswehr: Angeblich soll das Heer künftig massiv aufgerüstet werden / Profitieren würde vor allem die selbsternannte „Krone aller Waffen“
Peter Möller

Die Meldung klingt wie eine Nachricht aus einer anderen Welt. Anfang April berichtete das Wochenmagazin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über angebliche Pläne von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die Bundeswehr um 27 zusätzliche Bataillonen zu verstärken. Demnach solle das Heer künftig wieder über drei voll aufgestellte klassische Divisionen – zwei schwere und eine leichte – verfügen. Derzeit setzen sich die deutschen Landstreitkräfte aus zwei gemischten Großverbänden und der vor allem aus Luftlandeeinheiten bestehenden Division Schnelle Kräfte zusammen. Angesichts der Truppenreduzierungen der vergangenen 25 Jahre würde die Umsetzung dieser Pläne eine deutliche Aufrüstung bedeuten, von der nach Angaben der FAZ vor allem die Artillerie profitieren würde, die von derzeit vier auf 14 Bataillone vergrößert werden soll. 

Offene Feldschlachten in norddeutscher Tiefebene

Eine Entscheidung, die für Militärexperten durchaus nachvollziehbar ist. Denn wer heute bei der Bundeswehr ein traditionelles Artilleriegeschütz in Aktion erleben will, muß auf einen Staatsbesuch hoffen. Für die dann fälligen Salutschüsse verfügt das Wachbataillon als einzige Einheit des Heeres noch über zehn klassische Haubitzen. Alle anderen Artilleriegeschütze mit Ausnahme einiger Raketenwerfer vom Typ Mars und der knapp hundert modernen Panzerhaubitzen 2000 sind den zahlreichen Bundeswehrreformen seit 1990 zum Opfer gefallen. Neben der Panzertruppe mußte die Artillerie nach Ende des Kalten Krieges die meisten Federn lassen. Von knapp 50.000 Artilleristen blieben bis 2012 lediglich 3.500 Soldaten übrig, die Zahl der Bataillone wurde von fast 40 auf vier reduziert.

Diesem Kahlschlag lag neben Spar-zwängen auch der Umbau der Bundeswehr von einer Armee für die Bündnisverteidigung zu einer Interventionsarmee zugrunde. Für Auslandseinsätze in Bürgerkriegsregionen wie etwa Afghanistan war der Einsatz von Geschützen als Feuerunterstützung im Gegensatz zu den Szenarien des Kalten Krieges, die offene Feldschlachten mit gepanzerten Großverbänden in der Norddeutschen Tiefebene vorsahen, nur noch von untergeordneter Bedeutung. Und entsprechend sollten etwa von den bis 2003 gelieferten 185 Panzerhaubitzen vom Typ 2000 nach den 2011 vom damaligen Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) präsentierten Plänen für die Neuausrichtung der Bundeswehr gerade einmal 81 Geschütze im aktiven Dienst verbleiben. Ein Teil der überzähligen Panzerhaubitzen wurde dementsprechend noch 2015 nach Litauen verkauft.

Trifft der Bericht der FAZ zu, sehen die Pläne des Verteidigungsministeriums neben neuen Artillerieeinheiten außerdem zusätzliche Panzer- und Panzergrenadierbataillone vor, um die Divisionen wieder auf die erforderliche Kampfkraft zu bringen. Völlig unklar ist bislang allerdings, wo das Personal für die zusätzlichen Bataillone herkommen soll. Seitdem die Wehrpflicht ausgesetzt wurde, hat die Bundeswehr Mühe, ausreichend Soldaten zu rekrutieren. Erst in der vergangenen Woche sprach von der Leyen in diesem Zusammenhang im Interview mit der Süddeutschen Zeitung von einem „riesigen Personalproblem“.

Das Verteidigungsministerium reagierte denn auch zugeknöpft auf den FAZ-Bericht. Es gebe keine Pläne für eine Veränderung der Grundstruktur des Heeres und auch keine Pläne für eine Veränderung des Stationierungskonzepts, sagte ein Sprecher des Ministeriums dem unabhängigen Fachmagazin Bundeswehr-Journal. Denkbar sei, daß die von der Zeitung zitierten Papiere mit längerfristigen Nato-Planungen zu tun hätten. Dieser Verteidigungsplanungsprozeß des Bündnisses beinhalte unter anderem einen Abgleich des Fähigkeitsbedarfs mit den vorhandenen und geplanten Fähigkeiten der Mitgliedsstaaten und führe später zu einem Fähigkeitskatalog und zu entsprechenden Fähigkeitsforderungen. Im Ministerium selbst gebe es noch keinerlei Entscheidungen zu zukünftigen möglichen Fähigkeitsforderungen der Allianz, hieß es aus dem Bendlerblock.

Wenig schmeichelhaftes Bild von den Fähigkeiten

Dennoch scheint der Bericht der FAZ nicht völlig aus der Luft gegriffen zu sein. Vielmehr passen die Pläne, die angeblich bereits im Juni der Nato präsentiert werden sollen, ins derzeitige Lagebild bei der Zukunftsplanung der Bundeswehr. Unter dem Eindruck der Beteiligung Rußlands am Ukraine-Konflikt hat das Verteidigungsministerium in jüngster Zeit mehrfach Signale ausgesendet, daß die politische Führung gewillt ist, die Bundeswehr künftig wieder besser auszustatten. Angefangen mit der Ankündigung Ursula von der Leyens Anfang 2015, ein zusätzliches Bataillon mit Kampfpanzern vom Typ Leopard 2 aufzustellen, über den Ende vergangenen Jahres bekanntgewordenen Bau von fünf zusätzlichen Korvetten für die Marine bis hin zur Ankündigung, den Verteidigungsetat von 1,2 Prozent des deutschen Bruttoinlandsproduktes auf die mit den Nato-Partnern vereinbarten zwei Prozent zu erhöhen.

Vor allem der letzte Punkt, die mangelhafte finanzielle Ausstattung der deutschen Streitkräfte, war in den vergangenen Monaten immer wieder von amerikanischen Politikern thematisiert worden. Dazu paßt ein Beitrag der amerikanischen Armeezeitung Stars and Stripes über die mangelhafte Ausrüstung der Bundeswehr, der ausgerechnet in der vergangenen Woche erschien. Darin wird ein wenig schmeichelhaftes Bild von den Fähigkeiten der Bundeswehr zur Bündnisverteidigung gezeichnet. 

Derzeit, so heißt es in dem Bericht, sei die deutsche Armee nicht in der Lage, aus dem Stand eine schwere Brigade zur Verteidigung des Nato-Territoriums zur Verfügung zu stellen, ohne dafür andere Einheiten personell und materiell auszuschlachten. Die jetzt bekanntgewordenen Pläne aus dem Verteidigungsministerium könnten diese Misere beenden.