© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/17 / 14. April 2017

Verkünder der frohen Botschaft
In der Oberlausitz zelebrieren sorbische Osterreiter die Auferstehung Christi
Paul Leonhard

Buntes Volk ist von überall herbeigeströmt, steht am Straßenrand und wartet geduldig, Fotoapparate und Handys gezückt. Der Klang von weit entfernten Kirchenglocken legt sich über die Landschaft. Dann das Geklapper von Pferdehufen. Ein langer Zug schwarz gekleideter Reiter taucht hinter saatgrünen Feldern auf und nähert sich langsam.

Paarweise reiten die Männer heran. Die Herolde der Hoffnung. Aufrecht, schwarze Zylinder auf dem Kopf. Schwarze Gehröcke und Krawatten zu weißen Hemden, dunkle Hosen in glänzenden Reitstiefeln. Vornweg zwei Reiter mit den Kirchenfahnen. Ein Mann des zweiten Paares trägt das Kreuz, einer des folgenden die Statue des auferstandenen Christus. 

Die Kreuzreiter sind unterwegs, um die frohe Botschaft zu verkünden. Die Botschaft vom Sieg des Lebens über den Tod, von der Rettung der Menschheit, von der Auferstehung Christi. Sie singen sorbische Kirchenlieder, mitunter auch lateinische oder deutsche, beten den Rosenkranz.

Bis zu 2.000 Männer hoch zu Pferde werden am Ostersonntag in der sächsischen Oberlausitz unterwegs sein. Neun Prozessionen gibt es. Das Osterreiten ist eine Tradition, die von den hier beheimateten Sorben seit Jahrhunderten gepflegt wird. 1541 wird sie erstmals erwähnt, ihre Ursprünge liegen aber im Saatreiten in vorchristlicher Zeit, als die Sorben einen magischen Kreis um die Felder zogen, um diese vor bösen Gesitern oder Kobolden zu schützen.

Überhaupt stellen die Bräuche des kleinen slawischen Volkes speziell zu Ostern eine schier unentwirrbare Symbiose von heidnischen und christlischen Motiven dar: das Eieranmalen, das Osterschießen, das Holen von Quellwasser am Ostersonntagmorgen durch junge Mädchen, die dabei kein Wort sprechen dürfen.

Ritten die Reiter einst nur um die eigene Flur, bürgerte sich später ein, die benachbarte Kirchgemeinde ebenfalls zu besuchen. So reiten die Rablitzer seit fast 500 Jahren nach Wittichenau, und die Prozession der Ostroer führt seit mehr als 200 Jahren nach Nebelschütz. Der Ablauf ist streng geregelt. Teilnehmen dürfen nur katholische Männer und Jugendliche ab dem 14. Lebensjahr. Lediglich in Zerkwitz bei Lübbenau in der Niederlausitz dürfen Frauen und Mädchen mitreiten. In der Oberlausitz ist es dagegen die Aufgabe der Frauen, beim Herausputzen der Pferde zu helfen und die Osterreiter zu verköstigen.

1541 wird die Tradition erstmals erwähnt

Schon ab Karfreitag werden die Pferde auf das Ereignis vorbereitet. Sie werden gewaschen, gebürstet, gestriegelt, die Hufe poliert, die Mähnen geflochten. Am Ostersonntag werden letztere enflochten, ausgebürstet und toupiert. Der Kopfputz wird angebracht. Sattel und Geschirr sind prächtig geschmückt. Einige zeigen Symbole wie Muscheln, Mond, Sterne oder das Osterlamm. Der Pferdeschweif ist mit einem weißen Tuch geschmückt, auf das geschickte Frauenhände Rosen, Nelken und Frühlingsblumen gestickt haben. Auch die sorbische Trikolore in Blau, Rot und Weiß ist zu sehen. Sechs bis acht Stunden dauert das Herausputzen eines Pferdes.

Am Ostersonntag reiten einige Reiter noch morgens gegen sechs Uhr in Alltagskleidung um ihre Felder, um Gott um seinen Segen für die aufkommende Saat und Schutz vor Unwetter und Ungeziefer zu bitten. Bis zum Frühgottesdienst finden sich dann alle vor der Kirche ein, wo die Fahnen und Standarten an die Reiter verteilt werden. Diese reiten um das Gotteshaus und machen sich vom Pfarrer gesegnet singend und betend auf den Weg zum benachbarten Kirchspiel, wo sie dreimal die Kirche und den Friedhof umrunden und an einer Andacht teilnehmen. Die Route ist festgelegt. Denn auch die Nachbarn haben Kreuzreiter ausgeschickt, und die Prozessionen dürfen sich nicht kreuzen, weil – so der Abgeglaube – das Unglück bringen würde.

Wer zum ersten Mal mitreiten darf, trägt einen grünen Kranz auf der Brust. Silberne und goldene Kränzen verweisen auf den 25. beziehungsweise 50. Osterritt und künden von einer langen Tradition, die nur durch Kriege und Epidemien unterbrochen wurde. Auch in der atheistisch geprägten DDR fanden die Prozessionen statt. Die SED-Oberen blickten zwar scheel auf die Sorben, ließen sie aber gewähren. Vielleicht auch mit Blick auf eine Entwicklung, die sie auf ein Ende der Tradition hoffen ließen. Denn mit der Mechanisierung und Kollektivierung der Landwirtschaft gab es immer weniger Pferde. Ein Problem, das es auch heute noch gibt. Viele Osterreiter müssen sich die Tiere für das Fest ausleihen.

Prozessionen gibt es in Crostwitz, Panschwitz, Nebelschütz, Ostro, Radibor, Storcha, Wittichenau, Ralbitz und Bautzen. An ihnen nehmen zwischen 50 und 400 Reiter teil. In diesem Jahr gilt ein Besuch der Nebelschützer Osterreiter ob ihres wundervollen Gesangs als Tip.

 Routen und Zeiten: osterreiten.com