© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/17 / 14. April 2017

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weissmann

Was man neuerdings wieder an Argumenten „gegen Rechts“ vorträgt, erinnert an den „Hexenhammer“. Dieses Manual erlaubte den Inquisitoren, mit Hilfe eines umfangreichen Kriterienkatalogs festzustellen, ob jemand Schwarze Magie trieb oder nicht. Ganz besonders verdächtig war selbstverständlich das Leugnen des Verdächtigen und die größte Ketzerei die Behauptung, daß es keine Hexen gebe.

˜

Begriffe, an die man sich nur schwer gewöhnt: „Doktormutter“.

˜

Die doppelte Staatsbürgerschaft und deren Folgen für die gespaltene Loyalität eines Bevölkerungsteils, die Rolle der Ditib im „Dialog mit dem Islam“ und der Türkischunterricht an deutschen Schulen, die Bildung ethnischer Seilschaften in den Parteien und die geheimdienstlichen Umtriebe Ankaras, die Fortsetzung der türkischen Innenpolitik auf deutschem Boden und die Unfähigkeit, spätosmanische Selbstüberschätzung auf das gebotene Maß zurückzustutzen. Das alles sind keine Probleme, die von ungefähr kommen. Deshalb verwenden die Verantwortlichen soviel Energie auf die Klarstellung, daß es niemand geahnt habe. Das stimmt aber nicht: „Dergestalt gefördert, haben sich große Türkenkolonien und islamistische Netzwerke bilden können, die nach außen zumeist scheinkonform auftreten, intern indessen aggressive Propaganda betreiben und latente Drohpotentiale aufbauen.“ (Hans-Peter Raddatz, 2004)

˜

Den Toleranten zur Erinnerung: Wenn alles gleich gültig ist, ist alles gleichgültig.

˜

Bildungsbericht in loser Folge CII: Die gegenwärtige Bildungsdebatte gewinnt erstaunlich an Fahrt. Selbst die Zeit äußert Zweifel am Sinn der Abiturientenschwemme und ein an die Pensionierungsgrenze gekommener Oberstudiendirektor wagt den Tod des Gymnasiums nicht nur hinter vorgehaltener Hand zu beklagen, die Öffentlich-Rechtlichen lassen über den Nachwuchsmangel bei Bäckern und Schlachtern diskutieren, und Josef Kraus’ Analyse des Schulnotstands ziert die Sachbuchbestsellerlisten. Wer deshalb Hoffnung schöpft, sei aber gewarnt. Denn die Erwartung, es werde demnächst irgendeine echte Veränderung geben, ist trügerisch: Der Aufstand der Eltern für mehr Unterrichtsqualität findet nicht statt, da die Mehrzahl ziemlich genau weiß, daß sich stärkere Siebung gegen die Interessen ihres Nachwuchses auswirken muß; der Druck der Wirtschaft, wenn sie ihn denn ausübt, beschränkt sich auf die Forderung nach Funktionstüchtigkeit, Bildung als solche interessiert da nicht; es gibt keine politische Kraft, die sich des Themas annehmen wird, denn die Praxis zeigt, daß man zwar durch Bildungspolitik Wahlen verlieren, aber nicht gewinnen kann. Es bleibt also bei der Feststellung, die der unselige Hartmut von Hentig schon vor vierzig Jahren getroffen hat: Verglichen mit dem Bemühen um Korrektur der Fehlentwicklungen des deutschen Bildungssystems war das Ausmisten der Augiasställe ein Kinderspiel.

˜

Konservativ A: Nach 1945 hat man in der Türkei die repräsentative Demokratie als Staatsform viermal eingeführt und dreimal wieder abgeschafft. In der Vergangenheit konnte man von einem Zehnjahresrhythmus ausgehen: Die Armee putschte 1960, 1971 und 1980. Seit dem letzten Staatsstreich ist erstaunlich viel Zeit vergangen, was man aber wohl in erster Linie auf Erdogans vorausschauende Entmachtung der Armee, die Erschöpfung des kemalistischen Erbes und die Macht eines beharrend-beharrlichen Volkscharakters zurückführen muß, der nun den dünnen Firnis westlicher Modernität abstreift.

˜

Konservativ B: Die große Ausstellung in Karlsruhe über Ramses II., vom 19. Jahrhundert mit dem Beinamen „der Große“ versehen, hinterläßt vor allem den Eindruck der Stereotypie. Die Ausdrucksformen von den Schriftzeichen über die Architektur bis zur Plastik wirken als Wiederholung des Immergleichen. Das war gewollt, denn Ramses betrachtete sich in erster Linie als Restaurator, ein Wiederhersteller, der Maat, der alten, als göttlich betrachteten Ordnung. Das konnte gar nicht oder gar nicht immer in gutem Glauben geschehen, da waren Eingriffe, auch brutale, nötig, um den Eindruck des Überlieferten zu erwecken. Vielleicht sollte man darin aber auch ein Beispiel für „organische Konstruktion“ (Ernst Jünger) sehen. Immerhin, als der einbalsamierte Leichnam des Pharao 1976 per Flugzeug nach Paris gebracht wurde, um ihn vor dem Verfall zu retten, ließ ihn die französische Regierung mit allen militärischen Ehren empfangen, die einem Staatsoberhaupt zukommen.

˜

Noch zu Ramses: In der Ausstellung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Rothaarigkeit des Pharao keine natürliche sei, sondern auf die Einbalsamierung zurückgehe. Bleibt wenigstens die Rothaarigkeit von König David gemäß 1. Samuel 16,12 (Einheitsübersetzung). 

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 28. April in der JF-Ausgabe 18/17.