© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/17 / 14. April 2017

Schäuble preßt Firmenerben schamlos aus
Erbschaftsteuerreform: Familienunternehmen müssen mit erheblichen Mehrbelastungen rechnen / Spitzenplatz im Europa-Vergleich
Christian Schreiber

Wolfgang Schäuble könne im Gespräch „sehr geistreich, humorvoll und schlagfertig sein“, schwärmte vorige Woche der einst CDU-kritische Spiegel. Auch wenn sich der Bundesfinanzminister mit Mittelständlern trifft, geht er selbstverständlich nicht auf Konfrontationskurs. Wenn der joviale Breisgauer doch unangenehmes verkünden muß, dann vermittelt er geschickt den Eindruck, daß andere – das Verfassungsgericht (JF 28/16), die SPD – ihm keine andere Wahl ließen.

Keine Steuerbelastung in Österreich und der Schweiz

Bei der 2016 unter Schäubles Ägide reformierten Erbschaftsteuer dürfte es im Bundestagswahlkampf ähnlich laufen – Mittelständler und Familienunternehmer zählen schließlich zu den treuesten Unionswählern und Spendern. Doch das Erbschaftsteuergesetz hat es in sich (JF 40/16). Nicht nur, daß das Gesetz rückwirkend zum 1. Juli 2016 in Kraft trat – große Verlierer der neuen Regelungen sind die familiengeführten Firmen, das Herz der deutschen Wirtschaft.

Eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zeigt, daß die Familienunternehmen in Deutschland seit Schäubles Reform weit schlechter dastehen als die meisten Nachbarn. Speziell erfolgreiche Familienunternehmen müssen mit erheblichen Mehrbelastungen rechnen. Dies gelte insbesondere beim Übergang an nur einen Erben und wachsender Größe des vererbten Betriebsvermögens, heißt es im „Länderindex Familienunternehmen“ des ZEW. „Im internationalen Vergleich von 18 OECD-Staaten ist Deutschland als Folge dieser Reform auf den letzten bzw. vorletzten Platz zurückgefallen“, erklärt der Stuttgarter Wirtschaftsjurist Rainer Kirchdörfer, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Stiftung Familienunternehmen. 

Das ZEW hatte für die Studie die Auswirkungen durch die jüngste Reform mit Hilfe von Simulationsrechnungen für eine Modellfirma mit 210 Millionen Euro Jahresumsatz berechnet. Diese Größe entspricht einem typischen, global agierenden Familienunternehmen in Europa. Durch die Schäuble-Reform verdreifache sich die bisherige Belastung von 10,2 auf 30,6 Millionen Euro. Nur in Belgien müßten sogar 40,7 Millionen Euro Steuern bezahlt werden.

In Italien (2,3 Millionen), Großbritannien (4,4 Millionen) oder den Niederlanden (7,4 Millionen) wäre die Erbschaftsteuer moderat. Lediglich die USA liegen mit 26,1 Millionen Euro auf Schäuble-Niveau. Der bislang in CDU-Kreisen verteufelte Donald Trump plant allerdings eine Steuerentlastung speziell für Familen. Im Kleingedruckten des deutschen Gesetzes verbirgt sich weiteres Ungemach: der bei der ZEW-Rechnung berücksichtigte Vorwegabschlag ist an strenge Bedingungen geknüpft. Dessen Gewährung sei „abhängig von bestimmten Entnahme-, Verfügungs- und Abfindungsbeschränkungen, welche kumulativ über einen Zeitraum von zwei Jahren vor und 20 Jahren nach Entstehung der Steuer erfüllt sein müssen“. Ohne diese Ausnahmen wären bei Firmenübergabe 43,4 Millionen Euro fällig – mehr als in Belgien. In Luxemburg, Österreich, Polen, Schweden, der Schweiz, der Slowakei sowie der Tschechei werde keine Erbschafsteuer fällig. Dort ist sie völlig oder beim Übergang an Ehegatten oder Kinder abgeschafft.

„Angesichts dieses objektiven Befundes sollten unsere politischen Meinungsführer bei allen derzeit vorschnell ausgesprochenen Forderungen nach einer höheren Substanzbesteuerung die Folgen bedenken“, mahnt Kirchdörfer. „Nicht nur die Trump-USA, sondern auch Großbritannien und Frankreich beneiden Deutschland um seine weltweit einmalige Unternehmenslandschaft mit vielen großen Familienunternehmen und einem wesentlichen industriellen Sektor, der ebenfalls von Familienunternehmen getrieben wird. Verlieren wir diese Unternehmenslandschaft durch politische Fehlentscheidungen, so werden wir diese Basis unserer sozialen Marktwirtschaft und das damit verbundene Steuersubstrat sowie vor allem die Arbeitsplätze kaum mehr zurückbekommen.“

Die ZEW-Forscher deuten in ihrer Studie aber auch Hoffnung an: Bei ihrer Analyse seien „lediglich die zentralen gesetzlichen Neuerungen“ berücksichtigt worden. Die tatsächliche Steuerbelastung sei aber stets einzelfallabhängig: „Unter Umständen können einige mit dem neuen Gesetz einhergehende Mehrbelastungen durch Nutzung von anderen Verschonungsmöglichkeiten wie der Verschonungsbedarfsprüfung zumindest abgemildert werden.“

Damit lassen sich nicht alle Familienunternehmer beruhigen. Es gibt Überlegungen, gegen das Gesetz zu klagen: „Mit dieser Reform können wir ganz schlecht leben. Familienunternehmen leiden unter der Erbschaftsteuer, vor allem aber leiden sie unter der fehlenden Planungssicherheit. Denn auch gegen den jetzigen Stand wird es mit Sicherheit wieder Klagen geben“, erklärte der Verbandschef von Schleswig-Holstein, Rüdiger Behn.

Die Erbschaftsteuer sei nicht notwendig, um sozialen Ausgleich sicherzustellen: „Andere Länder, wie etwa Österreich, haben gar keine Erbschaftsteuer und damit auch nicht die Probleme, die sich daraus ergeben. Und trotzdem sind die sozialen Unterschiede dort nicht größer als in Deutschland“, sagt der Eckernförder Getränkehersteller („Kleiner Feigling“). Eine börsennotierte AG bleibe dagegen von der Erbschaftsteuer verschont. „Die Erbschaftsteuer entzieht den Familienunternehmen Liquidität gerade in der relativ gefahrvollen Phase, in der sich die nächste Generation nämlich erst beweisen muß“, so Behn.

Studie „Länderindex Familienunternehmen –Erbschaftsteuer im internationalen Vergleich“:  familienunternehmen.de/