© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/17 / 14. April 2017

Grüße aus Rom
Mit Faß am Bauch
Paola Bernardi

Die warme Aprilsonne sticht bereits und läßt einen langen, heißen römischen Sommer erwarten. Auf den Steinbänken unter den Bäumen rings um einen Brunnen scheint die Zeit stillzustehen. Mütter schwatzen, während die Kinder herumwuseln. Liebespaare turteln. Touristen entspannen. Der kleine Platz auf dem Oppio-Hügel neben dem Kolosseum ist eine Insel im lauten überquellenden Rom. Sein Name überrascht viele:  Piazza Martin Lutero. 

Niemand der hier Anwesenden weiß etwas über das Reformationsjubiläum. Erst im September 2015 hatte der glücklose römische Bürgermeister Ignazio Marino der evangelisch-lutherischen Kirche in Rom diesen Platz zum Angedenken an Luther vermacht. 

Damals gab es viel Polemik, denn das Heilige Jahr stand bevor. Nun, es ist auch nicht Roms erste Adresse, denn den Park selber sollte man bei einbrechender Dunkelheit lieber meiden. Nicht nur gilt er als Stricherparadies, sondern hier campieren zunehmend illegal Eingereiste, die einen schwunghaften Drogenhandel betreiben.

Im Bewußtsein der Römer lebt Frater Martinus in einer seltsamen Gestalt fort.

Rom und der Augustinermönch hatten immer ein schwieriges Verhältnis zueinander. Als sich Luther 1510/11 an der Piazza del Popolo – dem Empfangssalon Roms – im Augustinerkloster aufhielt, erlebte er die ganze Pracht der pompösen Empfänge zu Ehren des Papstes. Der Reformator brandmarkte sie als „gotteslästerliches Treiben“ und nannte die Stadt der Päpste eine „babylonische Hure“. 

Im Kirchenbuch von Santa Maria del Popolo ist er als Frater Martinus eingetragen. Im Bewußtsein der Römer lebt er in einer seltsamen Gestalt fort, die in einer Seitenstraße des Corso in eine Mauer eingelassen ist. Ein Mann mit Kappe, der ein dickes Faß quer über den Bauch hält, aus dessen Spundloch Wasser sprudelt. Diese Gestalt ist für das römische Volk der Vater der Reformation. 

Wie sehr sich dennoch die Zeiten geändert haben, zeigte jetzt das 200jährige Bestehen der evangelischen Gemeinde in Rom. Einst mußten die Gottesdienste der Lutheraner konspirativ im Verborgenen gefeiert werden. Nun beging die Gemeinde mit Pauken und Trompeten einen ökumenischen Gottesdienst, an dem der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Kardinal Reinhard Marx sowie der Präsident der EKD, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm,  den Gottesdienst zelebrierten und Papst Franziskus sandte ein Glückwunschschreiben. Was würde wohl Luther sagen?