© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/17 / 07. April 2017

Die Geldwäscher der Revolution
Inwieweit finanzierte der deutsche Geheimdienst Lenin 1917? Bereits frühzeitig wurden Spuren der Kapitalflüsse für die Bolschewiki verwischt
Jürgen W. Schmidt

Immer wieder einmal kochen Gerüchte hoch, der deutsche Geheimdienst habe, zu Deutschlands späterem Schaden, die russische Revolution 1917 finanziert. Das ist nicht richtig, aber auch nicht ganz falsch. In Lenins Schweizer Umfeld lebten gar manche Parteigenossen, welche für Geld den deutschen Geheimdienst mit Informationen über die Lage unter den vielen politischen Emigranten in der Schweiz bedienten. 

Einer dieser bezahlten deutschen V-Leute war der 1882 geborene Este Alexander Kesküla, der übrigens auch die ersten Kontakte zwischen Lenin und den deutschen Behörden zwecks Lenins Fahrt quer durch Deutschland über Skandinavien nach Rußland knüpfte. Die immer wieder kolportierte Behauptung, daß Lenins Zugabteil „plombiert“ gewesen sei, ist übrigens eine Legende. Lediglich das während der Reise nicht kontrollierte Gepäck wurde bei der Einreise über die Schweizer Grenze bei Schaffhausen plombiert. Kesküla, der noch um 1940 in Stockholm lebte, ist kurz darauf verschollen, ein Schicksal, welches auch andere Personen mit Insiderwissen zu Stalins Zeiten teilen sollten. 

Propaganda über fremd-finanzierte Parteizeitungen

Lenin indessen war damals eifrig darauf bedacht, persönlich den größtmöglichen Abstand zu den deutschen Behörden zu wahren. Er wollte nämlich nicht in Rußland in den Ruch eines bezahlten Landesverräters geraten. So bestand er darauf, die Reise- und Verpflegungskosten für sich und seine Fahrtgenossen auf der Bahnreise durch Deutschland selbst zu tragen. Das fiel ihm nicht sonderlich schwer, weil ihm seine Mutter als Witwe eines hohen Staatsbeamten zum Lebensunterhalt große Teile ihrer Pension sowie Teile der Erträge des Familiengutes überwies. 

In Rußland angekommen, legte Lenin keine so strengen Maßstäbe mehr an. Um die revolutionäre Situation in Rußland noch mehr anzuheizen, um die Volksmassen auf die Linie der Bolschewiki einzustimmen und um letztlich die bürgerliche „Provisorische Regierung“ zu stürzen, war jede Menge Geld zu Propagandazwecken nötig. Parallel zu Lenins Eintreffen in Rußland Mitte April 1917 schnellte die tägliche Auflage der bis dahin kaum gelesenen Prawda auf 90.000 Exemplare hoch. 

Schon im Juli 1917 erreichte die monatliche Gesamtauflage bolschewistischer Parteizeitungen beachtliche 3,2 Millionen Exemplare. Doch dies beruhte nicht auf deutschen Subventionen, sondern ein in Deutschland und Dänemark lebender, wirtschaftlich sehr erfolgreicher Revolutionär russischer Herkunft namens Alexander Parvus steckte maßgeblich hinter den plötzlichen Geldflüssen für die Bolschewiki. Als Israel Helphand war er 1867 in Weißrußland zur Welt gekommen, hatte in der Schweiz Volkswirtschaft studiert und promoviert. Durch glückliche Spekulationen sowie Rüstungs- und Rohstofflieferungen während des Krieges verdiente er ein riesiges Vermögen und konnte nun den Bolschewiki aus der finanziellen Klemme helfen. Weil der englische Geheimdienstresident in Petrograd, Major Stephen Alley und der im ehemaligen Sankt Petersburg als Spionageabwehrchef tätige Oberst Boris Nikitin eifrig nach den Quellen des plötzlichen Reichtums der Bolschewiki spürten, mußte das aus Deutschland kommende Geld sehr sorgfältig „gewaschen“ werden. 

Diese Arbeit vertraute Lenin seinem Finanzexperten polnischer Herkunft Jakub Ganecki-Fürstenberg an, dem dabei ein weiterer Pole namens Mieczyslaw Koslowski und eine Frau Ewgenia Sumenson zur Seite standen. Frau Sumenson hatte Prokura bei der Petersburger Firma Klingsland, auf deren Konten bei der Petersburger „Russisch-Asiatischen Bank“ von einer anscheinend harmlosen Kopenhagener Firma „Handels- und Eksportkompagniet“ über schwedische Banken Riesensummen eingingen für angeblich getätigte Handelsgeschäfte.

Brauchte Lenin Geld, sagte er nur Ganecki-Fürstenberg Bescheid, der über Koslowski bei Frau Sumenson die nötigen Summen orderte. Daß sich hinter der dänischen Firma Alexander Parvus verbarg, versteht sich von selbst. Als schließlich Major Alley und Oberst Nikitin im Juli 1917 diese Geldbewegungen eruierten, tauchte Lenin aus Petersburg ab und floh nach Finnland. Dort distanzierte er sich von Ganecki-Fürstenberg und Koslowski, weil sie Mitglieder der polnischen Sozialdemokratie wären, aber keine Bolschewiki. 

Lenins Finanzjongleure ließ Stalin später ermorden

Stalin setzte dem später die Krone auf, indem er in den dreißiger Jahren die Mitwisser der finanziellen Transaktionen Ganecki-Fürstenberg, Koslowski und Sumenson umbringen ließ. Der Helphand-Sohn E. A. Gnedin wanderte für 16 Jahre ins Gulag und ein anderer Helphand-Sohn, damals sowjetischer Diplomat in Rom, lief 1940 aus Angst vor der ihm drohenden Verhaftung zu den Amerikanern über. Angesichts dieser bolschewistischen Finanzmanipulationen fanden sich einfallsreiche Fälscher, welche Dokumente fälschten, die Lenin als bezahlten Agenten des deutschen Generalstabs entlarven sollten. 

Diese als „Sisson-Dokumente“ bekannten Papiere befinden sich heute in den USA und sind schon lange als Fälschungen bekannt. Weniger bekannt ist, daß die deutsche Regierung nach dem Oktoberumsturz 1917 bis zum Juni 1918 der nunmehr bolschewistischen, finanziell klammen russischen Regierung mehrfach Millionenbeträge zur Verfügung stellte, um deren politisches Überleben abzusichern und so Rußlands fernere Nichtbeteiligung am Weltkrieg zu gewährleisten.