© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/17 / 07. April 2017

Legebatterien für Nachrichten
Zeitungsvielfalt: Die Zusammenlegungen in vielen Verlagen bedeuten weniger Pluralismus
Ronald Berthold

Wer noch kürzlich morgens in einem Berliner Zeitungsladen seinen Kaffee trank, hörte oft dieselbe Bestellung: „Eine B.Z.!, eine Bild!“ Heute erübrigt sich das, denn der Axel-Springer-Verlag hat die Lokalredaktionen der Boulevardzeitungen zusammengelegt. Folge: Es steht auf den Berlin-Seiten beider Blätter fast derselbe Inhalt. Synergien, die der rapiden Leserflucht und damit einhergehenden Sparzwängen geschuldet sind, aber die Auflagenverluste nicht bekämpfen. Im Gegenteil: Wer früher beide Zeitungen kaufte, braucht heute nur noch eine. Der Niedergang der Gesamtverkaufszahlen von B.Z.! und Bild-Berlin verstärkt sich also zwangsläufig.

Das Branchenfachwort für diese Synergien lautet „Newsroom“: Die Redakteure produzieren mehrere Zeitungen aus einem gemeinsamen Großraumbüro gleichzeitig. Daß darunter nicht nur die Meinungsvielfalt, sondern auch die Pluralität bei der Themenauswahl leidet, ist immanent. Das führt zu der Klage vieler Leser: „Es steht ja in allen Zeitungen das gleiche.“ Denn der Effekt tritt deutschlandweit auf: Im Norden, wo nun von der holländischen Grenze bis zur Ostseeküste „NOZ Medien“ und die „Medien Holding: Nord“ samt Schleswig-Holsteinischem Zeitungsverlag (sh:z) zusammengehen. Oder im Westen, wo DuMont seine Kölner Titel, die Hallesche Mitteldeutsche Zeitung und die Frankfurter Rundschau zentral beliefert.

In der Hauptstadt geht es noch einen Schritt weiter. Seit Beginn dieses Jahres gestaltet eine gemeinsame „Newsroom GmbH“ die Inhalte von Berliner Zeitung und Berliner Kurier. DuMont betritt damit Neuland. Daß eine Abonnement- und eine Boulevardzeitung zusammengelegt werden, galt bisher aufgrund der unterschiedlichen Themenaufbereitung als nicht durchführbar. 

Die durch die „Newsroom“-Strategie ausgelöste inhaltliche Ähnlichkeit vieler Zeitungen verstärkt sich durch das Zurückgreifen auf Stücke von Nachrichtenagenturen. Wer immer weniger Reporter beschäftigt, hat keine Kapazitäten mehr, die Redakteure zu Terminen zu schicken. Er greift zwangsläufig auf Texte der Deutschen Presse-Agentur (dpa) zurück.

Die Agentur kann mit weltweit 1.300 Journalisten mehr leisten, als jede deutsche Zeitung. Blätter, die allein den „dpa-Basisdienst“ bestellen, erhalten täglich rund 750 Beiträge aus allen Ressorts. Damit läßt sich bequem eine Zeitung füllen. Folge: Die Texte sind in vielen Medien nicht nur ähnlich, sondern sogar wortgleich. Der Nachrichtenagentur kommt so eine enorme Bedeutung bei der Themensetzung zu. Was bei dpa nicht auftaucht, hat für die klassischen Massenmedien und deren Leser praktisch nicht stattgefunden. Die Nachrichtenverbreitung in Deutschland unterliegt damit, je mehr Medienkonzerne an eigenem Personal einsparen, einem Quasi-Monopol.

Die Zentralisierungen nehmen aktuell weiter zu

Auch die häufig zu findende Formulierung: „Das hat der Politiker gegenüber Reportern der Funke-Mediengruppe gesagt“, gehört zu dieser von vielen Menschen empfundenen „Einheitsberichterstattung“. Wer sich hier ein Gespräch mit zahlreichen Redakteuren verschiedener Zeitungen vorstellt, liegt meist falsch. Denn es ist oft nur ein Journalist, mit dem sich der Politiker zum Interview getroffen hat. Er beliefert dann alle Funke-Blätter. Hinzu kommt: Kaum ein Konsument weiß etwas mit „Funke-Mediengruppe“ anzufangen. Dahinter steckt der frühere WAZ-Konzern. Wie aber kommt es zu dieser Formulierung? Der Verlag gibt zu seinem Interview eine Presseerklärung mit diesem Begriff heraus, die er an dpa versendet. Diese wiederum verbreitet sie, und ihre Kunden übernehmen sie. Früher nannte sich eine Zeitung selbst beim Namen, um mit exklusiven Zitaten Imagepflege zu betreiben. Heute ist es – wie im Fall Funke – eine ganze Reihe, die kein Journalist mehr in einem Bericht aufzählen kann, ohne zu langweilen. So bleibt der Imagegewinn für die einzelne Zeitung aus, weil die genauen Blatt-Titel außerhalb der Branche nicht bekannt sind. Insgesamt gibt dieser Verlag allein zwölf deutsche Tageszeitungen heraus – darunter das alte Kernblatt Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) sowie die von Springer hinzugekauften Berliner Morgenpost und Hamburger Abendblatt. Der überregionale Inhalt in diesen Zeitungen ist daher weitgehend austauschbar.

Die „Madsack Mediengruppe“, die 15 Tageszeitungen zwischen Hannover und Dresden bündelt, setzt in ihrer Zukunftsstrategie „Madsack 2018“ ebenfalls auf zentralisierte Organisationsstrukturen. Nationale und internationale Themen werden von dem hauseigenen „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND) in der Hannoveraner Zentrale geliefert. 

Beobachter sind sich sicher, daß der Trend zu weniger Pressevielfalt anhalten und sich aufgrund der drastischen Auflageneinbrüche weiter verstärken werde.