© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/17 / 07. April 2017

Donald Trump wirkt
Autoindustrie: US-Konzerne reagieren mit Investitionsumlenkung Richtung Heimat / Audi, BMW und VW halten bislang an ihren Mexiko-Plänen fest
Thomas Kirchner

Es droht wieder ein Handelskrieg in der Autoindustrie – und diesmal kann es auch deutsche Hersteller treffen. Ältere erinnern sich noch: „Japan-Autos – Europa kommt unter die Räder“, titelte der Spiegel (30/1980) und reagierte damit auf die Tatsache, daß das Land der aufgehenden Sonne damals die meisten Autosproduzierte. „Der Industriestandort Bundesrepublik ist in Gefahr. Das Vordringen der Japaner bedroht unsere Arbeitsplätze“, warnte der damalige BMW-Chef Eberhard von Kuenheim. Jedermann müsse klar sein, „daß es für die europäische Autoindustrie ums Überleben geht“, meinte Bobby Lutz, Chef von Ford Europa.

Kurz zuvor hatte FDP-Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff bei einer Tokio-Visite „weise Selbstbeschränkung“ bei japanischen Autoexporten angemahnt. Um die EWG-Zölle zu umgehen, wurden schließlich japanische Autofabriken in England und Frankreich errichtet. Die USA setzten unter Ronald Reagan „freiwillige“ Beschränkungen durch: der Fahrzeugimport aus Japan wurde auf 1,68 Millionen Autos jährlich begrenzt. Toyota, Honda & Co. eröffneten US-Werke und brachten moderne Fertigungsmethoden in das Land, in dem Henry Ford die Fließbandfertigung erfunden hatte, dessen Autoindustrie aber von mächtigen Gewerkschaften in die Bredouille gebracht worden war.

Statt Einfuhrquoten droht nun Trumps Grenzsteuer?

Geholfen haben die Markteingriffe nur kurzfristig: General Motors und Chrysler gingen in der Finanzkrise 2008/09 pleite, ihre Zulieferer schon im Jahrzehnt zuvor. Reagan hat ihren Niedergang nur einige Jahre hinausgezögert. Seit der Ratifizierung des nord­amerikanischen Freihandelsabkommens Nafta unter Bill Clinton haben sich die Einfuhrquoten erledigt. Früher wurde den Japanern vorgeworfen, amerikanische Arbeitsplätze zu stehlen, Donald Trump geht jetzt Mexiko an den Kragen. Die Hersteller sollen ihre Autos gefälligst in den USA produzieren. Auch die deutsche Branche hat ihr Fett abbekommen.

Ein komplettes System aus Autoherstellern und Zulieferern ist in Mexiko entstanden. Höherwertige Fahrzeuge werden noch in den USA gefertigt, die Klein- und Mittelklasse kommt aus Mexiko. In erster Linie produzieren US-Firmen in Mexiko, während BMW und Mercedes ihre Wagen bislang in den US-Südstaaten montieren. Volkswagen ist seit Käfer-Zeiten eine Ausnahme: Die größte VW-Fabrik außerhalb Deutschlands befindet sich im mexikanischen Puebla. Und im Vertrauen auf Nafta und einen Freihändler im Weißen Haus eröffnete Audi in San José Chiapa im Oktober 2016 sein erstes Werk in Mexiko, wo seither die teure Q5-Baureihe für den gesamten Weltmarkt vom Band rollt. Die BMW 3er-Reihe soll 2019 aus San Luis Potosí kommen.

Die Angst vor Donald Trump ist daher nicht nur in Wolfsburg oder Detroit groß. Der Vorteil des Republikaners ist, daß ihn die Aura des unberechenbaren Verrückten umgibt. Dementsprechend zirkulieren schon Horrorszenarien, sollte es wirklich zu Strafzöllen kommen: um drei Millionen Fahrzeuge könnte der US-Automobilmarkt von derzeit 17 Millionen Einheiten schrumpfen, wenn 2.500 Dollar Strafzölle pro Auto erhoben würden. Doch Zölle wird es nur geben, wenn Nafta neuverhandelt wird. Und die von republikanischen Politikern angedachte „Grenzsteuer“ (JF 7/17) ist bisher nur ein Hirngespinst, dessen Medienecho über die geringen Chancen einer Verabschiedung hinwegtäuscht.

Die Panik über Trump zeigt dennoch Wirkung: Investitionen in Mexikos Automobilbranche sind laut einer aktuellen EY-Studie rückläufig. Ford kündigte eine Kehrtwende bei einer 1,5-Milliarden-Investition an, die stattdessen jetzt in die USA fließen soll. Ob damit auch wirklich Arbeitsplätze in „God’s own Country“ geschaffen werden ist fraglich. Eher wird die Automatisierung beschleunigt. Dieses Phänomen ist bereits in einigen anderen US-Branchen zu beobachten, die von der Erhöhung des Mindestlohns besonders stark betroffen sind. Wie in Deutschland experimentiert McDonalds nun auch im Dienstleistungsparadies USA mit elektronischer Bestellungsaufnahme. Nicht mexikanische Billigarbeiter, sondern Roboter werden Amerikanern in Zukunft die Arbeitsplätze wegnehmen. Und Trump könnte so der US-Wirtschaft also unfreiwillig einen neuen Produktivitätsschub verleihen.

Drohende Ausfälle bei Autokrediten in den USA?

Überhaupt bleibt abzuwarten, ob die Automobilindustrie und Mexiko nicht von ganz anderen Risiken überschattet werden. Da ist zunächst einmal Mexikos Schuldenproblem: Der staatliche Ölkonzern Pemex mit seinen 100 Milliarden US-Dollar Schulden, die in diesem Jahr um mindestens zehn Milliarden wachsen werden, ist nur die Spitze des mexikanischen Schuldenbergs, der eine viel größere Krise auslösen kann als Trump mit Zöllen. Der schwache Peso hilft zumindest kurzfristig, ist aber Symptom der schwierigen wirtschaftlichen Lage.

In den USA selbst läuft der Autoabsatz derzeit noch auf Hochtouren und ist wahrscheinlich überhitzt. Hier droht eine Welle von Ausfällen bei Autokrediten und damit ein Preisverfall im Gebrauchtwagensegment, was wiederum Neuwagenpreise drücken würde. Dazu kommt, daß die Kreditsummen häufig den Wert der Fahrzeuge übersteigen – Erinnerungen an die Hypothekenkrise werden wach, und das Ende des Autokreditbooms angesichts steigender Zinsen ist vorhersehbar. Der durchschnittliche Autokredit ist in nur vier Jahren von 26.000 auf 30.000 Dollar gestiegen, Laufzeiten von sieben Jahren sind keine Seltenheit mehr. Insgesamt beträgt das Volumen der ausstehenden Autokredite mehr als eine Billion Dollar, mehr als ein Achtel der gesamten Hypothekenschulden.

Deutschlands Autobranche macht sich – trotz gegenteiliger Bekundungen – zu Recht Sorgen. Allerdings liegen die wirklichen Risiken nicht in Trumps Steuer- und Handelspolitik, sondern in finanziell überlasteten amerikanischen Kunden, deren Kreditrahmen nicht mehr für immer teurere Wagen reicht. 

EY-Studie „USA New Government: Implications for the Mexican Automotive Industry“: www.ey.com