© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/17 / 31. März 2017

Ein Mittler zwischen Frankreich und Deutschland zur falschen Zeit
Patriot oder Kollaborateur: Die Autobiographie des Historikers und Vichy-Politikers Jacques Benoist-Méchin
Klaus Hornung

Das Wort von der „Erbfeindschaft“ zwischen Deutschen und Franzosen hat lange die Geschichte der beiden Völker verhängnisvoll geprägt. Für die Generationen beider Seiten ist es erst nach 1945 wirklich Vergangenheit geworden. 

Schon nach dem Ersten Weltkrieg wurden die ersten Stimmen der Versöhnung vernehmbar. Zu ihnen gehörte auch der Verfasser des aktuellen Buches. Jacques Benoist-Méchin stammte aus adliger Familie, war ein anerkannter Historiker und Schriftsteller, von dem 1935 in Frankreich eine monumentale „Geschichte der deutschen Militärmacht“ erschien, die mit einem Preis der Academie Française ausgezeichnet wurde. Nach den Zweiten Weltkrieg wurde er durch das Buch „Der Himmel stürzt ein“ über den französischen militärischen und politischen Zusammenbruch 1940 in Deutschland bekannt (Düsseldorf 1958). Noch in den Friedensjahren vor 1939 war von ihm eine Biographie des Stauferkaisers Friedrich II. erschienen, die die Zuneigung des Autors zur deutschen Kultur und Geschichte hatte deutlich werden lassen.

Präliminarfrieden mit dem Deutschen Reich im Blick

1940 trat Benoist-Méchin in die Politik des Staates von Vichy ein mit der erklärten Absicht, sich nun intensiv für die Verständigung zwischen Franzosen und Deutschen einzusetzen. Zunächst war er in der Delegation für die Hunderttausenden von französischen Kriegsgefangenen tätig. Mit der Bildung der Regierung unter Admiral François Darlan Anfang 1941 wurde er Staatssekretär für die deutsch-französischen Beziehungen. Darlan und seine Regierung stellten die politische Verständigung mit dem Deutschen Reich in den Mittelpunkt ihres Programms, um bestenfalls ein Bündnis unter der Voraussetzung einer gleichberechtigten Partnerschaft Frankreichs zu erwirken.

Der Besuch Darlans in Hitlers Berghof am 11. Mai 1941, an dem auch Benoist-Méchin teilnahm, sollte diesem Ziel dienen. Er fand freilich unter ungünstigsten Bedingungen statt. Hitlers Aufmerksamkeit galt längst dem anstehenden Angriff auf die Sowjetunion. Hinzu kam, daß an jenem 11. Mai 1941 gerade der Flug des Hitler-Stellvetreters Rudolf Heß nach England bekannt wurde. Die Annäherung der Vichy-Regierung an Hitler brachte sie jedoch endgültig in den Verruf der Kollaboration. Ihr Schicksal war damit mit der sich abzeichnenden Niederlage Deutschlands verknüpft. Anders als andere Vichy-Politiker hatte es Benoist-Méchin jedoch abgelehnt, nach Deutschland zu fliehen. Im September 1944 wurde er verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Erst im Mai 1947 fand sein Prozeß statt. Am 4. Juni 1947 verurteilte das Gericht ihn, noch unter dem Eindruck der politischen „Säuberungen“ in Frankreich, zum Tod. Das Urteil wurde jedoch nicht vollstreckt. Bald darauf wurde es durch den Präsidenten der 4. Republik in zehn Jahre Haft umgewandelt. 

1954 wurde Benoist-Méchin vorzeitig aus der Haft entlassen. Er hatte seit 1944 nun doch insgesamt zehn Jahre in politischer Haft verbracht. Noch einmal konnte er sich rund weitere drei Jahrzehnte unermüdlich seiner Arbeit widmen, darunter dem genannten großen Werk über den militärischen Zusammenbruch Frankreichs 1940, den er selbst als persönliche Tragödie erfahren hatte.

Die Autobiographie Benoist-Méchins ist ein wichtiger Beitrag zur Zeitgeschichte des Zweiten Weltkrieges. In diesem Buch werden vor allem die Ursachen des Scheiterns der deutsch-französischen Verständigung 1940/1942 deutlich. Hitler vernachlässigte durch seinen Weltanschauungskrieg gegen Stalin die Politik in Westeuropa und damit auch die Verständigung oder gar einen Präliminarfrieden mit Frankreich. Dieser hätte die Voraussetzung eines französischen Bündniswechsels werden können, wie ihn Otto Abetz, der deutsche Botschafter in Paris, Admiral Darlan und auch Benoist-Méchin anstrebten. 

Seine Lebenserinnerungen machen deutlich, wie sehr er die französisch-deutsche Verständigung erstrebte, die sein Lebensthema geworden war, wie wenig sie jedoch den Kairos ihrer Realisierung fand und den französischen Patrioten in das Räderwerk des Zeitstroms geraten ließ. 

Jacques Benoist-Méchin: Zwischen Pétain und Hitler. 

Aus den Kriegserinnerungen 1940–1947. Verlag Druffel & Vowinckel, Gilching 2016, gebunden, 376 Seiten, Abbildungen, 22,80 Euro