© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/17 / 31. März 2017

Debatte im Kreuzfeuer
Das JF-Interview mit Dunja Hayali hat von Rechts bis Links heftige Reaktionen ausgelöst
Gil Barkei

Das Interview mit der ZDF-Journalistin Dunja Hayali in der vorigen Ausgabe der JUNGEN FREIHEIT hat für großes Aufsehen im deutschen Medienbetrieb gesorgt. Bereits die Vorabankündigung löste einige Aufregung aus. Mehrere Branchendienste nahmen das Thema auf, mit dem Ergebnis heftiger Reaktionen in den sozialen Netzwerken. 

Linke empörten sich darüber, Hayali sei naiv, diesem „Kampfblatt der neuen Rechten“ zu Aufmerksamkeit und Auflage zu verhelfen. Rechte und Konservative kritisierten, warum ausgerechnet eine Symbolfigur des „linksliberalen Erziehungsjournalismus“ eine Bühne bekomme, die „ihren eigenen Ansprüchen an Meinungsfreiheit oftmals nicht gerecht“ werde. Auch zahlreiche Leser der JF formulierten ihren Unmut über das Gespräch. Ein Abonnent merkte an, die Zeitung solle anstatt einer GEZ-Journalistin lieber aus der Öffentlichkeit „Ausgegrenzten ein Forum bieten“. Ein Kommentator auf der JF-Facebook-Seite kündigte Konsequenzen an: „Diese Ausgabe werde ich wohl auslassen.“

Langsam entwickelte sich eine konstruktiver Dialog

Beiden Seiten gemein war die Ablehnung eines Dialoges per se, unabhängig von dem Gesagten: „Mit denen, mit der spricht man nicht!“ Auffallend stur herrschte die Meinung, die jeweilige Gegenseite meine es ohnehin nicht ernst mit der Aufgeschlossenheit. 

Besonders bei Twitter schlug Hayali eine Welle der Entrüstung von links entgegen, ohne daß das Gespräch überhaupt gelesen werden konnte. Wie könne sie mit dieser „ockerdunklen Postille“, diesem „Nazi-Blatt“ überhaupt reden? „No way, lösch dich“, forderte ein Nutzer mit dem Logo der Antifa im Twitter-Profil. „Überschätzte Journalistin“ und „Opportunistin“, wetterte die Publizistin Jutta Ditfurth. Ismail Küpeli, Journalist der von der Recherchegruppe Correctiv herausgebenen deutsch-türkischen Online-Zeitung ozgeruz.org, antwortete auf den JF-Titel „Wir müssen reden!“ schlicht mit „Nein, müssen wir nicht“. Auf Hayalis Aufforderung, doch erst mal das Interview zu lesen, folgten Kritiker-Reaktionen, der JF werde man doch jetzt nicht noch Geld in die Kassen werfen. 

Trotz einer Recherchereise in Südosteuropa stellte Hayali sich den Vorwürfen und veröffentlichte in Rücksprache mit der JF das komplette Interview auf ihrem Facebook-Auftritt – 7.000 „Gefällt mir“ und 984 Kommentare bekam der Beitrag bisher. Deutlich positivere Beiträge mischten sich in die Diskussion. In erster Linie überraschte Stimmen wollten wissen, wie es zu dem Gespräch gekommen sei, ob sich Hayali diesen Schritt auch gut überlegt habe und wisse mit welcher Zeitung sie sich da eingelassen habe. „Sie haben vor Monaten gefragt. Ich habe ja gesagt“, antwortete Hayali auf Twitter. Sie verfolge die JF sehr wohl, habe „Freunde gefragt“ und die „Mehrheit war dafür“. Anerkennung und Zuspruch kommt auch von JF-Lesern. Einer schrieb bei Facebook: „Ich bin alles andere als ein Fan von Ich-bau-meine-Karriere-auf-Haßkommentare-auf Hayali, aber sich auf ein Interview in der JF einzulassen ist für sie ein sehr mutiger und respektabler Schritt, (...) vielleicht ist es mal an uns zu zeigen, wie Respekt im Dialog aussehen kann.“

Zunehmend mehr Journalisten sehen das ähnlich. „Schade, daß man es erwähnen muß: aber gute Aktion von der JF und Hayali“, twitterte Bild-Journalist Peter Rossberg. „Wir müssen alle mehr miteinander reden.“ Publizist Hugo Müller-Vogg schrieb: „Wer wie Dunja Hayali ‘mehr Dialog’ fordert, kann ihn doch nicht nur auf Gleichgesinnte beschränken.“ Und als der grüne Europaabgeordnete Jan Philipp Albrecht Hayali eine falsche Strategie gegen Extremismus vorwarf, fragte Tilo Jung von „Jung & Naiv“ nur „Und das soll eine falsche Strategie sein?“ und fügte an „weiter so“. Zu der damit tatsächlich langsam in Gang gekommenen Debatte bemerkte Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt: „großartig!“

Es folgten um konstruktive Kritik bemühte Besprechungen des Interviews in mehreren Tages- und Onlinezeitungen. Liane Bednarz auf uebermedien.de bescheinigt, das Interview sei „sehr ausgewogen“ gewesen. Während die taz resümiert, Hayali habe sich in eine „Rechtfertigungssituation gebracht“, von der nur die JF profitiere, kommt die Berliner Zeitung zu dem Schluß, die Journalistin habe „mal wieder alles richtig gemacht“ und die JF sei die Vorgeführte. 

Harald Staun von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sieht in dem von ihm angeblich beobachteten Trend zur Abo-Kündigung unter JF-Lesern den eigentlichen Erfolg. Da weiß er allerdings mehr als die Abonnement-Abteilung der jungen freiheit. 





Reaktionen in den Medien, Facebook-Profil von Dunja Hayali: Zustimmung und Kritik aus beiden Lagern

„Dabei ist das Interview sehr ausgewogen. Natürlich gibt es den üblichen Opferton seitens der ’Jungen Freiheit’, welcher scharfe Reaktionen auf eigene Positionen als ’unfair’ mißversteht. (...)Ich habe Hayali gegen Anfeindungen, die das Interview ausgelöst hat, auf Twitter verteidigt. Das hat einen Grund, es ist, wenn man so will, die Kulmination einer langen Beobachtung der Jungen Freiheit. Der man auch und gerade als Kritiker attestieren muß, sich gemäßigt zu haben und rote Linien zu ziehen, die seit dem November 2015 klar und deutlich zu sehen sind.“

Liane Bednarz, uebermedien.de, 24.3.2017

„Die Zeitung bleibt der Opferrolle der Rechten treu, es ist vor allem Hayali, die sich verteidigen muß. Wer damit Schwierigkeiten hat, das sind vor allem die Leser der Zeitung, die offenbar eher das Gefühl haben, daß sie es sind, die ihr Lieblingsblatt irgendwohin geschleppt hat, wo es wehtut. Auf der Facebook-Seite der Jungen Freiheit kann man lesen, wie die Leser vom Glauben abfallen, nicht von dem an ihre Vorurteile natürlich, sondern von dem an ihre Zeitung. Und vielleicht kann man ja die Abo-Kündigungen, die dort reihenweise verkündet werden, auch als Erfolg verbuchen. Es ist nur wohl nicht der, den Hayali beabsichtigte.“

Harald Staun, „Frankfruter Allgemeine Sonntagszeitung“, 26.03.2017

„Wer das JF-Interview trotzdem liest, kann erleben, wie Hayali einem nicht sehr souveränen Fragesteller freundlich den Unterschied zwischen Haltung und Parteilichkeit oder Fehlern und Fake News erklärt. Ohne dabei auch nur einen Moment lang aus Gefälligkeit von ihrem Standpunkt zu weichen. (...) Es scheint, als hätte die Journalistin mal wieder alles richtig gemacht.“

Maike Schultz, Berliner Zeitung, 24.03.2017

„So geht Dialog, gut, daß es Menschen und Medien gibt, die diesen pflegen wollen und die instinktiv wissen, daß keine Meinung, sei sie der eigenen auch entgegengesetzt, ein Verbrechen darstellt und ungesagt und ungehört bleiben sollte.“

Felix Honekamp, ef-magazin.de, 27.03.2017

„Es ist diesmal eben nicht so, daß eine Journalistin im Dienste ihrer Zuschauer einen Sachverhalt aufklärt oder darstellt. Durch die Interviewsituation hat sich Hayali in eine Rechtfertigungssituation gebracht. Sie habe „Freunde gefragt“, schreibt sie ihren Kritikern auf Twitter, „Mehrheit war dafür“. Reden mit den Rechten als private Demokratieübung – es soll vorgekommen sein, daß Mehrheiten nicht die klügere Entscheidung getroffen haben. Schon jetzt kann man sagen, wer bei der Sache gewonnen hat. Die JUNGE FREIHEIT bringt sich mit ihrem Hayali-Interview ins Gespräch.“

Anja Maier, taz, 23.03.2017