© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/17 / 31. März 2017

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Im April heißt es Abschiednehmen. Zum letzten Mal steht an der Deutschen Oper Berlin Götz Friedrichs legendäre „Zeittunnel“-Inszenierung von Richard Wagners Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ in zwei kompletten Zyklen auf dem Spielplan. Sie hat inzwischen über dreißig Jahre auf dem Buckel; die Premieren fanden 1984 („Rheingold“, „Die Walküre“) und 1985 statt („Siegfried“, „Götterdämmerung“). Anfangs zeigte sich das Publikum alles andere als begeistert. Frühe Kritiken berichten von „tumultartigen „Zuständen“, „massiven Protesten“ und „heftigen Anfeindungen“. Seit langem jedoch genießt diese Inszenierung nicht nur Kultstatus bei Operngängern, sondern gilt in der Musikwissenschaft auch als eine der wichtigsten Interpretationen von Wagners monumentalem Meisterwerk um Macht, Liebe, Gier und Rache. „Wir erlebten eine Nachfrage, bei wir auch mehr Aufführungen hätten spielen können“, sagt Donald Runnicles, Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin. Nun fällt der letzte Vorhang der „Götterdämmerung“ am 17. April. Die Vorstellungen sind ausverkauft.

„Du siehst, mein Sohn, zum Raum wird hier die Zeit.“ (Gurnemanz zu Parsifal, erster Aufzug )

Das Geheimnis der Langlebigkeit von Götz Friedrichs großartiger „Ring“-Inszenierung besteht in ihrer Zeit-und Ortlosigkeit. „Der Anfang zeigt schon das Ende. Und das Ende ist neuer Anfang. Zeiten und Räume überlagern sich im ‘Ring’. Es gibt keine historische Zeit“, erklärte der Intendant und Regisseur. „Jede Gestalt, jede Situation sind jetzt und einst.“ Wagners Weltparabel stelle sich als „epischer Report eines Untergangs dar, als grandioses Endspiel, in der Größe des Entwurfs am ehesten der Oresteia des Aischylos oder Shakespeares Königsdramen vergleichbar“. Es entstand die Idee eines Einheitsraums, eben des „Zeittunnels“, vergleichbar einem U-Bahn-Schacht, der sich über mehr als dreißig Meter in die Tiefe der Bühne erstreckt. Dieses von Peter Sykora entworfene Bühnenbild bleibt über alle vier „Ring“-Abende hinweg gleich. „Es schien uns die geeignete Dimension, Raum und Zeit zu kombinieren, Vergangenes, Heutiges und Künftiges zu überlagern und sich durchdringen zu lassen“, so Friedrich. Bleibt nur zu wünschen, daß seine „Ring“-Inszenierung für die Nachwelt bald auf DVD erscheint.

„Das Unvergleichliche des Mythos ist, daß er jederzeit wahr, und sein Inhalt, bei dichtester Gedrängtheit, für alle Zeiten unerschöpflich ist.“ (Richard Wagner in „Oper und Drama“, 1851)