© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/17 / 31. März 2017

CD-Kritik: Motorama
Wenig, kaum, alles
Sebastian Hennig

Motorama aus Rostow am Don sind ein Phänomen. Mittels wenig, kaum und fast nichts bewirken sie Zustände, bei denen sich die Yoga-Matte des westlichen Esoterikers von selbst einrollt. Es eröffnen sich Dimensionen des Bewußtseins, die der sportlichen Therapie unzugänglich sind. Die Triebseele kapituliert und die Geistseele beginnt zu schwingen im Rhythmus von vordergründigem Baß, elastischem Schlagzeug und schmetternder Gitarre. In der Schwermut der mit russischem Akzent von Vladislav Parshin gesungenen lapidaren englischen Sätze gipfelt die Trance. Ohne jede Ansage walten die drei Musiker während des Konzerts wie eifrige Handwerker. Der Uneingeweihte wird auf dreiviertel der Zeit recht banal gelangweilt.

Im letzten Drittel des Konzertes schürzt sich dann der Knoten. Eine ungenügend gelagerte Brücke gerät durch die Wiederholung der gleichen Impulse immer stärker ins Schwingen, bis sie am entscheidenden Punkt der Amplitude einstürzt. Das Sirren von Musik und Gesang verschmilzt zu einem indifferenten Sirenenruf, wie beim Landeanflug eines Flugzeuges die Kristallgläser im Vertiko zu singen beginnen. Motorama wird immer wieder mit Joy Division verglichen. Ihr viertes Album „Dialogues“ klingt nun mehr nach New Order. Die Musik ist noch flüssiger und beinahe schon konturlos geworden.

Motorama Dialogues Talitres, 2016 www.wearemotorama.com