© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/17 / 31. März 2017

Abweichler aufspüren und einschüchtern
Zivilgesellschaft: Der Historiker und Gewaltforscher Jörg Baberowski soll mundtot gemacht werden
Thorsten Hinz

Der Osteuropa-Historiker Jörg Baberowski muß es sich gefallen lassen, als „rechtsradikal“ bezeichnet werden. So lautet das Urteil des Landgerichts Köln im Rechtsstreit zwischen dem Professor der Berliner Humboldt-Universität und dem Allgemeinen Studierendenausschuß (AStA) der Universität Bremen (JF 13/17). Der Konflikt datiert vom Oktober 2016, als Baberowksi in Bremen einen Vortrag zum Thema „Gewalt verstehen?“ halten wollte, der auf seinem Buch „Räume der Gewalt“ basierte. Die Veranstaltung sollte ursprünglich an der Universität stattfinden, mußte aber nach Drohungen des AStA in die Räumlichkeiten der Konrad-Adenauer-Stiftung verlegt werden. Laut Gericht bleibe es dem AStA unbenommen, die politischen Positionen Baberowskis als „rechtsradikal“ zu bezeichnen. „Auf die Frage, ob eine solche Bewertung zutreffend oder falsch, einseitig oder ausgewogen, fair oder unangemessen o.ä. ist, kommt es nicht an.“

Vordergründig schlägt das Urteil eine Bresche für die Meinungsfreiheit, doch in der Konsequenz bedeutet es, daß weitere Schleusen für eine Kampagne geöffnet werden, die das Ziel hat, Baberowski mundtot zu machen. Er gehört zu den wenigen amtierenden Professoren, die öffentlich gegen Merkels Politik der offenen Grenzen aufbegehren. Dadurch hat er sich den Haß militanter Kräfte zugezogen, die seine Auftritte zu verhindern und seinen Ruf zu zerstören versuchen. Anläßlich eines Vortrags in Hamburg verteilte der dortige AStA ein Flugblatt, auf dem zu lesen war: „Rechtspopulistischer Osteuropaforscher Prof. Baberowski in der StaBi? Keine Uni dem Rassismus! Rechtsradikalen das Podium nehmen!“ Angeheizt und orchestriert wird die Kampagne vom trotzkistischen Onlineportal „World Socialist Web Site“.

Baberowski will das Urteil nicht hinnehmen

Es ist verständlich, daß Baberowski das Urteil nicht hinnehmen will. „Wenn Sie in Deutschland jemanden erledigen wollen, dann nennen Sie ihn einen Rechtsradikalen. Das funktioniert immer! Der Beschuldigte ist dann mit nichts anderem mehr beschäftigt, als sich zu rechtfertigen“, sagte er der Berliner Zeitung und ergänzte: „Die Stigmatisierung von Menschen stammt aus dem Einschüchterungsarsenal der Diktatur. Die liberale Bürgergesellschaft aber lebt vom Streit, der auf Argumenten beruht. Ihr fühle ich mich verbunden.“ 

Im Grunde handelt es sich weniger um ein juristisches als um ein politisches und gesellschaftliches Problem. Die Bürgergesellschaft, auf die Baberowski sich beruft, existiert nur in der Theorie. Sonst könnte er es sich leisten, die Anwürfe trotzkistischer Sektierer links liegenzulassen und hätte er alles Recht der Welt, „rechte“ und sogar „rechtsradikale“ Positionen zu vertreten. Vor allem wäre er gar nicht erst in diesen Verdacht geraten, weil er überhaupt kein Rechter, sondern ein rechtsstaatlich gesinnter, freigeistiger Liberaler ist. 

Eine liberale Bürgergesellschaft würde keine weitere Zwangsfinanzierung des AStA dulden, der von einer kleinen, gut organisierten Minderheit beherrscht wird, sich ein politisches Mandat anmaßt und dabei den Typus des halbgebildeten, dogmatischen, allerdings machttechnisch versierten Apparatschiks hervorbringt. Dieser Typus hat schon früher eine besondere Professionalität im Aufspüren und Eliminieren von Abweichlern und Volksfeinden entwickelt und gehört zu den mediokeren Unheilsfiguren des 20. Jahrhunderts. Heute generiert er ebenfalls ein beträchtliches Einschüchterungspotential. Das zeigt sich an der fehlenden Unterstützung der Universitätsleitung für den attackierten Professor. Baberowski nennt dieses Verhalten schlicht „feige“.

Der Begriff „rechtsradikal“ ist zu einem perfiden Zwitterwort und damit zu einem Kampfbegriff geworden, der einen seriösen Ursprung und wissenschaftlichen Anspruch mit einer propagandistischen Suggestion verbindet, die tief ins Unterbewußtsein greift. Er entstammt einer normativen Begrifflichkeit, die auf dem antitotalitären Konsens beruht. In diesem Modell umfaßt – grob gesagt – das politische Spektrum die Linke, die liberale Mitte sowie die Rechte, wobei Links- und Rechtsradikale die äußersten Punkte markieren. Diese stehen mit dem Standbein innerhalb des Verfassungsbogens und stoßen mit dem Spielbein an dessen Grenzen. Der Oberbegriff „demokratische Mitte“ grenzt dieses politische Spektrum gegen die Extremisten von rechts und links ab, die ein antipluralistisches oder totalitäres Modell  erstreben, nötigenfalls mit Gewalt. 

Soweit die Theorie. Während staatliche Stellen, die etablierten Parteien und öffentlichen Institutionen sich fortwährend auf den antitotalitären Konsens berufen, haben sie ihn in der Praxis längst aufgehoben. Aufgrund der Dauerberieselung im „Kampf gegen Rechts“ verschwimmen in der allgemeinen Wahrnehmung konservative, gemäßigt rechte, nationale, rechtsradikale und sogar rechtsstaatliche Positionen, die der Masseneinwanderung entgegenstehen, mit rechtsextremen faschistischen, nazistischen Zuschreibungen zu einer braunen Brühe. Auf die Parteipolitik übertragen heißt das: SPD, Linkspartei und Grüne repräsentieren die gemäßigte und eine radikale Linke, die mit dem Spielbein auch Ausflüge ins gewaltbereite extremistische Lager unternimmt. Die Union deckt sozialdemokratische und zentristische Positionen ab, während Konservative, gemäßigte und radikale Rechte dem NS-Stigma ausgesetzt sind. In der Folge ist die Bezeichnung „rechtsradikal“ inhaltlich beliebig, hat aber für den, der mit ihr behaftet wird, eine ähnliche Wirkung wie ein scharlachroter Buchstabe oder ein gelber Fleck. Solange in der Bundesrepublik weder eine gemäßigte noch eine radikale Rechtspartei etabliert ist, kann man – immer unter der Voraussetzung des Antitotalitarismus – von keiner freiheitlich-demokratischen, sondern allenfalls von einer antifaschistisch-demokratischen Grundordnung sprechen.

Als „Extremismus der Mitte“ diffamiert

Diese nationale Besonderheit hat sich mit dem weltweiten Trend zur „Postdemokratie“ (Colin Crouch) verbunden. Darin sind die demokratischen Abläufe inhaltsleer geworden und beschränkt die Politik sich darauf, tatsächliche oder auch bloß vermeintliche Sachzwänge zu interpretieren, die sich aus den transnationalen Waren- und Kommunikationsflüssen ergeben. Aktuell leitet sie daraus das Recht auf freie Migration nach Europa ab, was wiederum dem linken Ideal einer transnationalen, grenzenlosen Menschengemeinschaft entspricht.

Der Widerspruch dagegen läßt sich nicht innerhalb der antifaschistisch-demokratischen Logik und Sprache formulieren, sondern nur im parteipolitischen und zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen sie. Das zeigen auch die Reaktionen darauf. Selbst liberales und rechtsstaatliches Bürgerengagement, wie Baberowski es praktiziert, wird als „Extremismus der Mitte“ diffamiert. Das ist eine ebenso groteske wie demagogische Umkehrung des Sachverhalts, denn eine Politik, die extremistischer ist als die der amtierenden „demokratischen Mitte“, die die Ablösung des deutschen Staatsvolks durch seinen ethnisch-kulturellen Umbau betreibt, ist schlechterdings kaum möglich.

Während die Bezeichnung „rechtsradikal“ heute ein tödliches Wurfgeschoß darstellt, schadet das Wort „linksextrem“, das Demokratiefeindlichkeit bezeichnet, niemandem. Als kürzlich der  AfD-Abgeordnete Stephan Brandner im thüringischen Landtag den Chef der Staatskanzlei, Benjamin-Immanuel Hoff (Die Linke), mehrmals als „linksextrem“ bezeichnete, antwortete dieser im Bewußtsein der antifaschistischen Hegemonie: „Der Abgeordnete Brandner hat mich in seiner Rede mehrfach als linksextrem bezeichnet. Dafür hat er keinen Ordnungsruf bekommen. Völlig richtig: Ich trage diesen Ehrentitel von Herrn Brandner mit Stolz. Vielen Dank.“

Hoff wurde allerdings schnell von der Einsicht eingeholt, daß es für den Inhaber eines Staatsamtes noch nicht angängig ist, die Perspektiven linker Politik so ungeniert zu umreißen, weshalb er später erläuterte: „Was ich ausdrücken wollte, ist, wenn jemand weit rechts stehend jemand anderen aus seiner Position als weit links einschätzt, dann könnte es möglicherweise sein, daß man in der Mitte der Gesellschaft steht.“ Auf den Gedanken, daß Gleiches auch für sogenannte „Rechtsextremisten“ oder „Rechtsradikale“ gelten könnte, kam er nicht. Es ist eben alles eine Frage der Macht!

In diesem Machtspiel hat der AStA als eine ins Extreme gesteigerte systemische Konsequenz eine feste Funktion. So spekulierte die Journalistin der Berliner Zeitung über mögliche Rückwirkungen von Baberowskis Stigmatisierung auf die Humboldt-Universität, der es doch „reichlich unangenehm sein“ müsse, „einen Geschichtsprofessor in den eigenen Reihen zu haben, den andere – auch wenn es nur der Bremer AStA ist – höchstrichterlich als rechtsradikal bezeichnen dürfen“. Das war nicht einmal böse gemeint von der Redakteurin, die sich ganz unreflektiert im Kosmos der antifaschistisch-demokratischen Denkweise bewegt. Der aber kann nur in der politischen und diskursiven, nicht in der juristischen Auseinandersetzung aufgesprengt werden.