© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/17 / 31. März 2017

Lieber ohne Lafontaine
Landtagswahl im Saarland: Der Wähler bereitet den rot-rot-grünen Träumereien ein Ende / AfD überwindet Fünfprozenthürde
Christian Schreiber

Der große Verlierer der Wahl ließ auf sich warten. Gegen 20 Uhr kommentierte eine ARD-Reporterin am vergangenen Sonntag süffisant, „daß Oskar Lafontaine den Weg offenbar noch nicht zu uns gefunden hat“. Für den Spitzenkandidaten der Linkspartei, der als SPD-Mann von 1985 bis 1998 Regierungschef im Saarland war, wurde der letzte Auftritt zu einem Spießrutenlauf. Zwar verloren die Linken nur rund drei Prozentpunkte, aber vor allem die Person Lafontaine war dafür verantwortlich, daß aus dem Regierungswechsel im kleinsten Flächenland der Republik nichts wurde. Wochenlang hatten die Medien über einen Schulz-Effekt spekuliert, ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CDU und SPD vorhergesagt. In allen Umfragen lag die Koalition aus CDU und SPD vorne, und am Ende machte sich sogar etwas wie Wechselstimmung breit. Wenige Tage vor der Wahl sprach sich eine Mehrheit der Befragten für ein Bündnis der beiden Großen unter SPD-Führung aus. 

Am Ende sollte es anders kommen. Die CDU kam mit Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer auf nicht für möglich gehaltene 40,7 Prozent, die SPD lag sogar noch unter der 30-Prozent-Marke. Sichtlich geschockt gestand die geschlagene Herausforderin Anke Rehlinger ein, „daß wir enttäuscht sind, etwas anderes erwartet hatten und uns sicherlich fragen müssen, ob die Koalitionsdebatten hilfreich waren.“ Die 40jährige Wirtschaftsministerin hatte einen guten Wahlkampf gemacht. Hätte sie sich für eine Große Koalition ausgesprochen, wäre das SPD-Resultat wohl besser ausgefallen. So kam es im Endspurt zu einer bemerkenswerten Mobilisierung seitens der CDU. Die Wahlbeteiligung schnellte auf über 70 Prozent und bescherte der Union einen klaren Wahlsieg: „Die Menschen wollten Verläßlichkeit und keine Regierung von Lafontaines Gnaden“, analysierte CDU-Fraktionschef Tobias Hans. 

Es war wohl weniger die Popularität der Ministerpräsidentin als das Schreckgespenst des Ehemaligen, das der CDU den Sieg bescherte. Mit 73 Jahren war Lafontaine beseelt von dem Wunsch, die Sozialdemokraten an der Saar wieder zu vereinigen. Denn die Hardcore-Kommunisten, die sich in vielen westdeutschen Linken-Verbänden tummeln, sucht man im Saarland vergeblich. Dort geben neben Lafontaine Gewerkschafter und Ex-Sozis den Ton an. „Am Ende ist und bleibt es eine SPD-Abspaltung Lafontaines“, sagte Michael Thieser, Politikchef des Saarländischen Rundfunks. Der frühere SPD-Vorsitzende hatte sich lange bitten lassen, noch einmal als Spitzenkandidat in den Ring zu steigen. Dreimal hatte er Wahlkämpfe gegen seinen einstigen Ziehsohn Heiko Maas geführt, dreimal hatte er der SPD massiv geschadet. Diesmal ging er auf Schmusekurs, erklärte frühzeitig seine Bereitschaft, ein Rot-Rot-Bündnis eingehen zu wollen, und verzichtete gar offiziell auf ein Regierungsamt. Am Ende half alles nichts. 

„Mehr war nicht drin. Wir sind in der Opposition“

Als Bundesjustizminister Maas im Fernsehen erklären sollte, daß der Name Lafontaine Stimme gekostet habe, schlug ihm auf der Wahlparty der Linken Haß entgegen. „Ohne ihn wärst du gar nichts“, schrie ein erboster Funktionär in Richtung Monitor. Deutlich verhaltener ging es bei den Grünen zu. Die vier Prozent waren am Ende keine Überraschung mehr. Landeschef Hubert Ulrich strich noch am Ende nach 25 Jahren als Spitzenkandidat die Segel. Der Einzug der Ökopartei war der letzte Hoffnungsschimmer für die Rot-Rot-Befürworter. Doch ob Ulrich am Ende dieses Bündnis eingegangen wäre, blieb offen. Er und Lafontaine sind sich seit Jahren spinnefeind.

Persönliche Verletzungen spielten auch bei der AfD eine große Rolle. Nach turbulenten Monaten und einem Wahlkampf, der über weite Strecken unprofessionell wirkte, rettete sich die Partei mit 6,2 Prozent gerade noch ins Parlament. Der 78jährige Landesvorsitzende Josef Dörr wird als Alterspräsident die konstituierende Sitzung des neuen Landtags leiten und künftig die dreiköpfige Fraktion führen. Neben Dörr zogen auch Spitzenkandidat Rolf Müller (66) und der Homburger Kreisvorsitzende Lutz Hecker (48) in den Landtag ein. Bundesvize Albrecht Glaser erklärte am Wahlabend, die AfD habe ein schlechtes Bild abgeliefert und letztlich kein besseres Ergebnis verdient. Die Auseinandersetzung mit dem Landesverband würde aber eingestellt. Ob das auch für die laufenden Parteiausschlußverfahren gegen Dörr und Hecker wegen angeblicher Kontakte ins rechtextreme Lager gilt, sagte er nicht. Landeschef Dörr, dem seine Kritiker vorwerfen, er würde den Verband nach Gutsherrenart führen und vor allem Familienangehörige mit Posten versorgen, stellte lapidar fest: „Mehr war nicht drin. Wir sind in der Opposition. Ob es dann am Ende zehn oder 20 Prozent sind, ist zweitrangig.“ 

Während bei der AfD eine gemischte Gefühlslage herrschte, sank die Stimmung bei der FDP kurz nach Bekanntwerden der Prognose unter Betriebstemperatur. Mit 3,3 Prozent verpaßten die Liberalen den Wiedereinzug und müssen weitere fünf Jahre in die „APO“, wie es der stellvertretende Landesvorsitzende Tobias Raab formulierte: „Das ist nicht das Ende der FDP im Saarland.“ Dies könnte es aber wohl für Bernd Luckes AfD-Abspaltung gewesen sein. 

Die Liberal-Konservativen Reformer kamen trotz eines materialintensiven Wahlkampfs mit 0,2 Prozent nicht über die Wahrnehmungsgrenze hinaus. Lediglich rund 1.000 Saarländer konnten sich für die selbsternannte „Alternative für Anständige“ erwärmen.