© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/17 / 31. März 2017

Ländersache
Weiß-blauer Bierpopulismus
Thorsten Brückner

Zwei Mark fünfzig kostete 1971 die Maß auf dem Oktoberfest. Seitdem gingen die Bierpreise auf der Wiesn steil nach oben und erreichten im vergangenen Jahr 10,70 Euro. Damit soll nach dem Willen von CSU-Bürgermeister und Wiesn-Chef Josef Schmid nun Schluß sein. Bis 2019 soll es keine weiteren Preissteigerungen beim Lieblingsgetränk der Bayern auf dem größten Volksfest im Freistaat geben. 

Die Wirte rebellieren. Zumal es nicht bei der Preisbremse bleiben soll. Durch eine Umsatzpacht will Schmid die gestiegenen Sicherheitsausgaben finanzieren. Der islamische Terror fordert jetzt also auch im Bierzelt seinen Tribut. Als Ausgleich bietet Schmid den Wirten einen weiteren Öffnungstag an. Aber besonders die Bierpreisbremse spaltet die Münchner, deren Vertreter im Stadtrat und die Stadtregierung. In der rot-schwarzen Koalition kracht es. Oberbürgermeister Dieter Reiter, der selbst jahrelang für das Volksfest verantwortlich war, rüffelt Schmid: „Ich habe das auch sechs Jahre lang gemacht. Da haben solche Gespräche im Vorfeld stattgefunden, hinter verschlossenen Türen. Es hat dazu geführt, daß wir in allen Jahren einstimmige Beschlüsse gefaßt haben.“ Eine kräftige Watschn für seine Nummer 2.

Vielleicht ist Reiter aber auch einfach nur neidisch. Während Schmid nämlich aufs Ganze geht und trotz der rechtlichen Grauzone, in der er sich dabei bewegt, den Wirten die Pistole auf die Brust setzt, hat es Reiter jahrelang mit fruchtlosen Appellen versucht. Während seiner Zeit als Wiesn-Verantwortlicher stieg der Bierpreis von 8,10 Euro auf 10,10 Euro. Schmids weiß-blauer Populismus stößt aber auch im Stadtrat auf Widerstand. 

Die Bayernpartei, die zweitgrößte Oppositionsfraktion dort, wirft Schmid eine Neiddebatte vor. „Die ganze Zeit auf Wählerstimmenfang gehen: Das geht nicht“, sagte deren Fraktionsvorsitzender Joachim Altmann dem Merkur. Einen ersten Dämpfer mußte Schmid vergangene Woche hinnehmen. Der Stadtrat weigerte sich, seine Wiesn-Reform im Schweinsgalopp durchzupeitschen. Nun wird sich das Parlament der Landeshauptstadt im Mai mit dem Thema beschäftigen. Schmid gibt sich dennoch siegessicher und sagt an die Adresse der SPD gerichtet. „Das möchte ich sehen, wie die im Stadtrat gegen eine Bierpreis-Bremse und eine Umsatzpacht stimmen. Darauf lasse ich es ankommen.“ 

Während die eher freiheitlich denkenden Bajuwaren sonst wenig empfänglich für sozialistische Eskapaden ihrer Volksvertreter sind, drücken sie bei einer Preisedeckelung für den Gerstensaft schon mal beide Augen zu. Die Bayern trinken Bier wie Limo. Da macht sich ein Preisunterschied von 50 Cent pro Maß eben doch bemerkbar. Allerdings nur, wenn man die Nahrungsaufnahme vor dem Festbesuch regelt.

Denn es ist unwahrscheinlich, daß die Daumenschrauben, die die Politik den Wirten beim Bier anlegt, sich nicht in steigenden Preisen für Haxe und Schweinebraten niederschlagen werden. Die Gesetze der Marktwirtschaft gelten auch in Oberbayern. Aber zwei Maß sind ja bekanntlich auch ein Schnitzel.Die Geschichte ist übrigens auf Schmids Seite. Denn was war das im vergangenen Jahr zum 500. Jubiläum zwischen Alpen und Main so gefeierte bayerische Reinheitsgebot anderes als eine Bierpreisbremse?