© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/17 / 31. März 2017

„Sabotage, Hetze, Konspiration“
Landesparteitage der AfD: Mit teilweise harten Bandagen kämpften die Kandidaten um aussichtsreiche Plätze / Dämpfer für Führung
Michael Paulwitz / Christian Vollradt

Eine gewisse Neigung zur Beschädigung ihrer personellen Aushängeschilder kann man der Alternative für Deutschland (AfD) nicht absprechen. Vor dem Mitgliederparteitag der bayerischen AfD zur Aufstellung der Landesliste zur Bundestagswahl am 24. September galten Landeschef Petr Bystron und der profilierte Euro- und Währungskritiker Peter Boehringer auf den beiden ersten Listenplätzen als gesetzt. Unangefochten durchgesetzt hat sich indes nur Boehringer mit 87,5 Prozent der Stimmen bei nur einem Gegenkandidaten. Bystron dagegen verlor die Position des Spitzenkandidaten an den Starnberger Kreisvorsitzenden Martin Hebner, der seine Kandidatur erst auf dem Parteitag angemeldet hatte. 

Hebner erhielt auf dem Landesparteitag in Greding 243 Mitgliederstimmen, Bystron 190, ein dritter Kandidat spielte mit nur zehn Stimmen keine Rolle. Der nunmehrige Listenführer ist öffentlich praktisch unbekannt, gilt aber als intern gut vernetzt. Seine Vorstellungsrede bestritt er vor allem mit Attacken auf die Arbeit des Landesvorstands, dem er als Landesschriftführer selbst angehört. 

Interne Querelen und  persönliche Animositäten

Kritische Nachfragen etlicher Mitglieder, die ihm Passivität und Illoyalität in der Vorstandsarbeit vorwarfen – weil die Einladungen zu spät versandt worden waren, fand der Parteitag nur am Sonntag statt wie geplant an beiden Wochenendtagen statt –, verhallten vor dem aufgeheizt applaudierenden und buhrufenden Anhängerblock.

Interne Querelen und persönliche Animositäten hatten der offenkundig mit gezielter Mobilisierung vorbereiteten Kampfkandidatur Dynamik verliehen. In einigen fränkischen Kreisverbänden herrscht Beobachtern zufolge eine Stimmung des Vernachlässigtseins gegenüber der Münchner Zentrale – eine in Bayern nicht ungewöhnliche Konstellation. Seit Wochen schwelt zudem ein Konflikt zwischen dem Landesvorstand und dem Nürnberger Kreisvorsitzenden Martin Sichert um organisatorische Fragen.

Auch bei den vor allem in Franken und Niederbayern anzutreffenden Höcke-Anhängern konnte Hebner offenbar punkten. Der Landesvorstand hatte zuletzt das Parteiausschlußverfahren gegen den Thüringer Landeschef unterstützt. Bystron selbst hatte auf Ausgleich gesetzt und war dafür eingetreten, lediglich Parteiordnungsmaßnahmen gegen Höcke einzuleiten.

Wegen der langwierigen Präliminarien und der ausführlichen Vorstellungsrunden konnten am Sonntag nur die ersten drei Listenplätze besetzt werden. Nach Peter Boehringer, Direktkandidat im oberpfälzischen Amberg-Neumarkt, kandidiert auf Platz drei die Straubinger Kreisvorsitzende Corinna Miazga, die sich ebenfalls überraschend gegen ihre favorisierte niederbayerische Landsmännin Katrin Ebner-Steiner durchgesetzt hatte. Ob Bystron auf einem der folgenden Listenplätze kandidiert, wenn der Parteitag am 1. und 2. April fortgesetzt wird, hängt vom Zuspruch der Mitgliederbasis ab.

Kämpfen um ihre Spitzenkandidatur im Heimat-Landesverband Sachsen mußte am selben Tag auch Landes- und Bundessprecherin Frauke Petry. Auf dem Parteitag in Weinböhla bei Meißen erhielt sie knapp 72 Prozent der Stimmen. Wegen rechtlicher Unsicherheiten wurden die bereits im Januar aufgestellten ersten fünf Listenplätze nochmals gewählt. Dort hatte Petry ohne Gegenkandidaten 79 Prozent erzielt, jetzt mußte sie sich gegen zwei Konkurrenten durchsetzen. Die scharfen persönlichen Angriffe ihres Herausforderers Roland Ulbrich hatten sie erkennbar schwer getroffen. Bestätigt wurde mit 77 Prozent, aber ohne Gegenkandidaten auch der Dresdener Richter Jens Maier, gegen den ein Parteiausschlußverfahren wegen Äußerungen im Rahmen seines gemeinsamen Auftritts mit Höcke in Dresden läuft. Zu Beginn des Parteitags war Petry in einem mit großer Mehrheit gefaßten Beschluß aufgefordert worden, den Ausschlußantrag zurückzunehmen. 

In weiteren Landesverbänden wurde an diesem Wochenende ebenfalls mit harten Bandagen um die begehrten vorderen Listenplätze gekämpft. In Hamburg setzte sich der Landessprecher und Bürgerschafts-Fraktionsvize Bernd Baumann mit 51,6 Prozent nur knapp als Spitzenkandidat durch; seine kurzfristig angetretene Gegenkandidatin Nicole Jordan ist nicht nur Landesschatzmeisterin, sondern als Fraktionsassistentin auch Baumanns Mitarbeiterin. 

Turbulent ging es in Sachsen-Anhalt zu. Landeschef André Poggenburg setzte in Badeborn im Harz zur Generalabrechnung mit seinen innerparteilichen Gegnern um den Abgeordneten Daniel Roi an, den er aus der Landtagsfraktion ausschließen möchte. Poggenburg wirft seinen Kritikern „konspirative“ Aktivitäten und „Zusammenrottung“ vor, andere sprachen von „Sabotage“ und „Hetze“. Poggenburg selbst kandidiert nicht für den Bundestag; die von ihm und seinem Landesvorstand favorisierten Kandidaten mit dem ehemaligen Offizier Martin Reichardt an der Spitze setzten sich schließlich in teils knappen Kampfabstimmungen durch. 

Ganz im Zeichen des heftigen innerparteilichen Krachs stand auch der Parteitag der niedersächsischen AfD am Wochenende in Hannover-Misburg. Die Kritiker von Landeschef Armin-Paul Hampel – in erster Linie aus den Kreisverbänden Osterholz-Verden, Stade und Harburg – hatten eine ausführliche Aussprache auf die Tagesordnung setzen lassen. Dabei sollen nach übereinstimmenden Teilnehmerberichten Anhänger Hampels seine Gegner niedergebrüllt und zum Verlassen des Parteitags aufgefordert haben. Während der gesamten Veranstaltung blieb die Presse ausgeschlossen. Mit 56 Prozent Zustimmung wurde Hampel als Vorsitzender wiedergewählt. Die Kandidatin des gegnerischen Lagers, die Göttinger Kreisvorsitzende Dana Guth, erhielt 27 Prozent. Im künftigen Landesvorstand sind nun nur noch Hampel-Verbündete vertreten. Seine Kritiker wollen jedoch noch nicht klein beigeben. 

Ein besseres Ergebnis sei „nach dem Zoff nicht zu erwarten gewesen“, resümierte Hampel gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Nun aber sei die Motivation für den anstehenden Wahlkampf zurück. „Jetzt macht’s wieder Spaß“, so Hampel, „endlich geht es wieder um Themen.“ Ein AfD-Mitglied, das dem alten und neuen Vorsitzenden nicht gewogen ist, meinte dagegen zur JF: „Wer Herrn Hampel wohl die Plakate klebt? Wir nicht!“ 


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