© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/17 / 24. März 2017

Spezialkraft als Kanonenfutter
Polnischer Vorzeigemilitär bestach eher durch sowjetfreundliche Gesinnung als durch Schlachtengeschick: Vor 70 Jahren wurde „General Walter“ ermordet
Paul Leonhard

Der polnische General Karol Swierczewski alias „General Walter“ galt in der DDR als Held. Nach ihm waren Oberschulen in Halle, Cottbus und Zinnowitz benannt. Ein Panzeregiment der Nationalen Volksarmee trug seinen Namen. Auch Polen baute dem 1897 in Warschau, das damals zum russischen Zarenreich gehörte, geborenen Berufsrevolutionär Ehrenmale und würdigte ihn auf Geldscheinen, Münzen und Briefmarken. Schließlich war Swierczewski einst Kommandant der 35. Internationalen Division im spanischen Bürgerkrieg und in den letzten Kriegsmonaten Befehlshaber der 2. Polnischen Armee. Auch seine angebliche Ermordnung durch ukrainische Widerstandskämpfer im März 1947 paßte gut ins Bild eines kommunistischen Vorzeigehelden.

Die Wahrheit kam erst nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Lagers ans Licht: Swieczewski war nicht nur ein erklärter Gegner der polnischen Republik, gegen die er im polnisch-sowjetischen Krieg als Leutnant kämpfte, er war auch trotz einer dreijährigen Ausbildung an der sowjetischen Militärakademie „M.W. Frunse“ in Moskau in militärischen Dingen völlig unfähig. Nachdem die von ihm geführten Einheiten im spanischen Bürgerkrieg wiederholt unverhältnismäßig schwere Verluste erlitten hatten, wurde der in die Sowjet-union zurückgekehrte Swierczewski nur noch als Kommandeur von Divisionen im Hinterland eingesetzt. Das änderte sich erst, als die Sowjetführung in den zurückeroberten polnischen Gebieten die männliche Bevölkerung zwangsrekrutierte und die so geschaffenen beiden Armeen als Kanonenfutter gegen die deutsche Wehrmacht in den Kampf warf.

Swierczewskis Unfähigkeit zeigte sich vor allem in der Schlacht um das ostsächsische Bautzen, bei der die von ihm geführte 2. Polnische Armee bei einem deutschen Panzerangriff fast aufgerieben wurde. Nach Erkenntnissen polnischer Historiker war Swierczewski in diesen Wochen mitunter derart betrunken, daß er zeitweise seines Kommandos enthoben werden mußte.

Unterdrücker des nationalen Widerstands in Polen

Einerseits waren hohe polnische Verluste den Sowjets nicht unwillkommen, andererseits war Swierczewski, Bolschewist seit 1918, einer der wenigen hohen polnischen Militärs, die Moskau bedingungslos ergeben waren, so daß sein militärischen Versagen vertuscht, er noch im April 1945 zum Armeegeneral und Anfang 1946 zum stellvertretenden Verteidigungsminister Polens ernannt wurde. 

Sein Spezialgebiet wurde die Bekämpfung antikommunistischer Widerstandsgruppen. Am 28. März 1947 wurde er bei Baligród in den Beskiden tödlich verwundet. Ob es sich dabei um einen Hinterhalt hier operierender ukrainischer Freiheitskämpfer oder des sowjetischen Geheimdienstes NKWD handelte, ist bis heute unklar. Letzterer nutzte den Tod des Generals als Begründung für die „Aktion Weichsel“. Bei dieser wurden mehr als 150.000 Ukrainer und Lemken, darunter viele ehemalige Soldaten der polnischen Volksarmee, aus dem Südosten Polens in ehemalige deutsche Gebiete zwangsumgesiedelt.

Heute gilt Swierczewski als einer der Hauptverantwortlichen für die Unterdrückung des nationalen Widerstands in Polen und die „Versklavung der polnischen Nation“. Im Mai 2003 forderte die Organisation ehemaliger Veteranen und Unabhängigkeitskämpfer vom Institut für Nationales Gedenken eine Untersuchung, ob Swierczewski Verbrechen gegen die polnische Nation begangen habe. Dabei wurde explizit auf von ihm unterzeichnete 29 Todesurteile gegen Soldaten und Offiziere der 2. Polnischen Armee verwiesen. Siebzig Jahre nach Swieczewskis Tod wird jetzt auch von den letzten Straßen sein Name getilgt. So faßte der Stadtrat von Bogatynia, dem einst sächsischen Reichenau, Anfang des Jahres den Beschluß, die General-Karol-Swierczewski-Straße in Sieniawka (Kleinschönau) nach einem Solidarnosc-Priester zu benennen.