© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/17 / 24. März 2017

Blick in die Medien
Der Zug ist abgefahren
Tobias Dahlbrügge

Die Deutsche Bahn kommt zwar nicht immer pünktlich, fährt dafür aber neuerdings auf dem „Buntheit und Vielfalt“-Gleis. Die Bahn pumpt einen Werbespot der Frankfurter Agentur Ogilvy & Mather mit dem Titel „Toleranz-Zeit: Die Bahn verbindet mehr als A und B“ in die sozialen Medien.

Abgesehen davon, daß „Toleranzzeit“ wie „tolle Ranzzeit“ klingt, transportiert das Video typische Gutmenschen-Stereotype. Eine junge Muslima mit Kopftuch sitzt im ICE einem deutschen Studenten gegenüber, der gerade für eine Anatomie-Prüfung paukt. Diesem gehen – Sie ahnen es schon – lauter böse Vorurteile durch den Kopf. Doch dann, als der junge Mann sich zurückbesinnt und kurz laut über die Lernmaterie nachdenkt, entpuppt sich die teilverschleierte Dame – ganz die bereichernde Fachkraft – ebenfalls als Medizinstudentin, die ihm kurzerhand in perfektem Deutsch helfen kann.

Bahn-Geschichten sollen verstärkt im gesellschaftlich aktuellen Kontext erzählt werden.

Die Werbechefin der Bahn, Antje Neubauer, ist ganz entzückt, denn sie will künftig verstärkt „Bahn-Geschichten im gesellschaftlich aktuellen Kontext erzählen“. Erst im vergangenen Jahr hat die Bahn ihren Kunden mit einem pädagogisch wertvollen Spot über homosexuelle Fußballer sozialpolitischen Benimmunterricht erteilt.

Frau Neubauer nennt das „die Kunden bei ihren Bedürfnissen abholen“. Die Reisenden haben also das dringende Bedürfnis, mit Moslems Bahn zu fahren und sich unterwegs zu mehr „Toleranz“ erziehen zu lassen. Vielleicht sollte die Bahn ihre Kunden lieber zuverlässiger am Bahnsteig abholen.

Daß die bunte Werbewelt nicht viel mit der Realität zu tun hat, belegt ein neues Sicherheitskonzept der Deutschen Bahn. Wegen massiv steigender Übergriffe auf seine Mitarbeiter hat das Unternehmen angekündigt, die Zugbegleiter mit Pfefferspray und Alarmgeräten auszurüsten. Zudem soll die Zahl der Sicherheitskräfte um das Siebenfache erhöht werden.