© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/17 / 24. März 2017

Dorn im Auge
Christian Dorn

Ein Mensch, wie stolz das klingt.“ Die zynische Verheißung des Sowjetkommunismus erfährt im Aktionskünstler Pjotr Pawlenski eine authentische, unverstellte Darstellung – als eine Auferstehung, die die Kreatur vom Kopf auf die Füße stellt. Der Veteran Oleg Kulik vergleicht den jüngeren Künstlerkollegen mit dem Erscheinen von Jesus Christus, der – im gleichen Alter von 30 Jahren – plötzlich in die Öffentlichkeit trat. Kulik sieht in ihm wie bei Richard Wagner „ein Gesamtkunstwerk“. Jetzt seien wir „Zeugen des Endes der Karriere“, da Pawlenski mit seiner Partnerin und den beiden Kindern in Frankreich Asyl beantragt hat.


Die Filmemacherin Irene Langemann, bekannt für ihre bestechende Dokumentation „Rubljovka“ (JF 24/18), hat hierzu mit „Pawlenski. Der Mensch und die Macht“ einen beeindruckenden Film gedreht, der so zugleich zu einem historischen Dokument geworden ist (www.lichtfilm.de/de/). Er zeigt den Künstler Pawlenski in seinen spektakulären Aktionen, deren Performance sich erst mit der ebenso hilflosen wie lächerlichen Reaktion des Machtapparates vollendet. Hier agiert ein einzelner Mensch, der sich wehrlos als Opfer darbringt, und dennoch die Fäden in der Hand hält. So inszeniert er selbst die Macht und stellt diese durch ihr Agieren bloß, etwa wenn diese Pawlenski unbedingt für verrückt erklären will, daran scheitert und dadurch selbst ihre Besessenheit ausstellt. Besonders deutlich wird dieser Prozeß bei der Aktion „Fixierung“ vom 10. November 2013, als sich Pawlenski am „Tag der Polizei“ auf dem Roten Platz einen Nagel durch den Hodensack treibt, oder als er eine Tür des russischen Geheimdienstes, als einer terroristischen Organisation, anzündet und darauf besteht, wegen Terrorismus angeklagt zu werden – was die Behörden bezeichnenderweise verweigern. Ein besserer Blick in die Seele der russischen Gesellschaft als dieser Film ist kaum denkbar, weshalb der Besuch unbedingt zu empfehlen ist!


Immerhin, so Wladimir Kaminers Fazit während der Pressevorstellung im Kino International an der Karl-Marx-Allee: „Noch einen Pawlenski wird das System nicht überleben.“ Obgleich Kaminer diesem System schon lange den Rücken gekehrt hat, trägt erst sein jüngstes Buch den Titel „Goodbye, Moskau“. Auch von Pawlenski sind parallel zum Film drei Bücher in Deutschland erschienen: „Pawlenski – Aktionen“ (Ciconia Ciconia Verlag), „Der bürokratische Krampf und die neue Ökonomie politischer Kunst“ (Merve Verlag) und „Gefängnis des Alltäglichen“ (Matthes & Seitz).