© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/17 / 24. März 2017

Historische Wendepunkte
Saudi-Arabien: Das Königreich sucht einen schwierigen Neuanfang / Hoffen auf Trump
Gabriel Burho

Mit der Amtsübernahme des neuen US-Präsidenten schöpft Saudi-Arabien Hoffnung, seine traditionell gute, wenn auch unter der Obama-Administration angeschlagene Beziehung neu zu beleben. Entsprechend würdigte der saudische Verteidigungsminister Mohammed ibn Salman Abdulaziz Al Saud vergangene Woche bei seinem Besuch im Weißen Haus Trump als „treuen Freund der Muslime“. Zugleich sprach er von einem „historischen Wendepunkt“.  US-Präsident Donald Trump und der Vize-Kronprinz unterstrichen ihr großes Interesse an einer „starken, umfassenden und dauerhaften strategischen Partnerschaft“, die dem Mittleren Osten Stabilität und Wohlstand bringen soll. Um diese zu erreichen, sei es wichtig, den „destabilisierenden regionalen Aktivitäten“ des Iran entgegenzutreten.

Rivalität mit Teheran beherrscht die Szenerie

Der Konflikt zwischen Riad und Teheran schwelt seit der iranischen Revolution von 1979 und zeigt sich seitdem an immer neuen Fronten. Auch wenn der Export des iranischen Revolutionskonzeptes aufgrund der dezidiert schiitischen Untertöne bisher gescheitert ist, hat sich das Land seit dem Krieg gegen den Irak stabilisiert, ist zu einer Regionalmacht geworden und hat, nach dem Atomabkommen, auch gute Chancen – zumindest regional – zu einer führenden Wirtschaftsmacht aufzusteigen, während Saudi-Arabien die Endlichkeit seines Ölreichtums durch die gegenwärtige Ölkrise immer bewußter wird. 

Das Königshaus in Riad dagegen balanciert seit seiner Gründung auf einer dünnen Linie zwischen radikaler Religiosität und Westbindung. Das Land entstand aus dem Zweckbündnis zwischen dem Haus Saud und dem extremistischen Gelehrten Abd al-Wahab. 

Auf dieser Verbindung und den Einnahmen aus dem Erdöl basiert der soziale Frieden im Königreich bis heute. Die theologischen Positionen des Wahabismus sind denen des islamistischen Dschihadismus sehr ähnlich, die Strafen im Königreich in weiten Teilen identisch mit denen des IS-Kalifats. 

Gleichzeitig ist die Westbindung eine wichtige Stütze der staatlichen Sicherheitsarchitektur. Verbunden werden diese Gegensätze durch die Geistlichkeit, die das Königshaus stützt. Dafür unterstützt der saudische Staat die wahabitische Mission global mit riesigen Finanzmitteln, und über private Finanziers fließen ebenso erhebliche Mittel zu radikalen islamistischen Gruppen –  daß der IS zu diesen zählt, wird häufig geäußert, doch Belege dazu werden nicht geliefert. Statt dessen sieht Riad Teheran als Drahtzieher hinter dem Kalifatsstaat. Der Iran wiederum macht Saudi-Arabien für das Chaos im Mittleren Osten verantwortlich. Riad trage Verantwortung für die Verbrechen an den Menschen in Syrien, Irak und dem Jemen, ließ der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Bahram Qasemi, verlauten. 

Der kalte Krieg gegen den Iran dreht sich aber nicht nur um geopolitische Fragen. Die Frage der Deutungshoheit über den Islam wie auch die Angst der Saudis vor einer Erhebung der schiitischen Minderheit, welche im Osten des Landes auf den wichtigen Ölquellen sitzt, beherrschen die Auseinandersetzung. Als Folge unterstützt Teheran alle schiitischen Gruppierungen, während Riad den globalen (auch radikalen) Sunnismus fördert. Daß Trump das Atomabkommen bereits im Wahlkampf als „worst deal ever“ bezeichnete, hat ihm in Saudi- Arabien viel Sympathie eingebracht. 

Entsprechend sucht die saudische Regierung immer wieder kritisierte Probleme im Bereich der Menschen-, Minderheiten- und Frauenrechte mitttels eines soganannten „Nationalen Transformationplans 2030“ zu verkleinern. 

Im Februar dieses Jahres gab es den ersten „Tag der Frau“, und die Regierung hat angekündigt, mehr Frauen in Berufsausbildungen zu bringen – durchaus eine Herausforderung in einem Land, in dem Frauen ohne Erlaubnis eines Mannes nicht das Haus verlassen, einen Paß beantragen oder Auto fahren dürfen. 

Mit harten Bandagen gegen  unbotmäßige Dschihadisten

Ebenso legte die saudische Regierung Initiativen auf, um schulische Curricula und die Inhalte der Lehrbücher zu reformieren, die immer noch herabwürdigend über andere Religionen sprechen und die Pflicht zum Kampf gegen „Ungläubige“ betonen. Doch Bildungsminister Ahmed ibn Mohammed Al-Issa macht im Gespräch mit dem Wall Street Journal keinen Hehl daraus, daß es noch Licht und Schatten gebe. In den vergangenen zehn Jahren habe man bereits allerlei Anstrengung unternommen, um Lehrbücher zu verbessern und das Bildungssystem auf die Bedürfnisse des Landes abzuzstimmen, um den Extremismus zu „besiegen“. Vieles sei jedoch zu tun. Vor allem weibliche Lehrer, von denen viele in entlegenen Gebieten arbeiteten, sollen nun in Zukunft mehr staatliche Unterstützung erhalten.  

In erster Line jedoch verschärft Saudi-Arabien im Kampf gegen den Terrorismus die Gangart. Blutige Anschläge von Al-Qaida-Kämpfern seit dem Jahr 2003 sowie seit 2015 von IS-Dschihadisten werden auf zwei Ebenen beantwortet. 

Einerseits stützt das Königreich die internationale Anti-IS-Allianz in Syrien. und gründete parallel dazu im Dezember 2015 die Islamische Koalition. An deren Kampf gegen „jede Form von Terrorismus“ ist allerdings nicht der Iran beteiligt. Andererseits stehen Dschihadisten und deren Sympathisanten unter extremem Verfolgungsdruck. Selbst „Likes“ bei Facebook ziehen harte Strafen nach sich. Neben Dutzenden Hinrichtungen sitzen in fünf „Beratungs- und Service-Centern“ 5.000 Insassen ein. 

Das Prince Mohammed Bin Naif Counselling and Care Centre in Riad ist eines davon. In den eher Luxusgefängnissen gleichenden Anlagen sollen die zumeist sehr jungen, radikalisierten Dschihadisten mittels eines 12-Schritte-Integrationsprogramms auf den rechten wahabitischen Weg zurückgeführt werden. Doch dieser sei steinig, erklärte Khalid M. Abalhassan, Professor an der Al-Imam Muhammed Ibn Saud Islamic University Riad, bei einer Syrienkonferenz im Berliner Forschungsinstitut „Dialog der Zivilisationen“. Er habe das Prince-Mohammad-Zentrum in Riad besucht. Viele der jungen Insassen zeigten sich jedoch ignorant gegenüber den wahabitischen Inhalten und Autoritäten.  

Dagegen zitiert The Independent den Al-Qaida-Kämpfer und Guantánamo- Häftling Hassan Abdullah as-Sharbi. Ja, es gebe ein „strenges Entradikalisierungsprogramm“ im Königreich, erklärte dieser, doch solle man nicht den Fehler machen, dies beim Wort zu nehmen.  Unterhalb der offiziellen Behauptungen gebe es eben auch ein „verstecktes Radikalisierungsprogramm“. Doch das hinderte CIA-Direktor Mike Pompeo im Februar nicht daran, Kronprinz  und Innenminister Mohammed ibn Naif ibn Abdul-Aziz Al Saud für dessen Anti-Terror-Arbeit mit der George-Tenet-Medaille auszuzeichnen.