© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/17 / 24. März 2017

Studieren für den Umsturz
Antidemokratische Umtriebe an Universitäten: Noch immer sind die Allgemeinen Studentenausschüsse Rückzugs- und Rekrutierungsorte der linksextremen Szene / Die roten Platzhirsche mobben jeden weg, der politisch anders gepolt ist
Christian Schreiber

Die Redaktion der grünlinken taz war in heller Aufregung. Gerade erst hatten Studenten der Universität Magdeburg durch gewalttätige Proteste eine Podiumsdiskussion der Hochschulgruppe der Alternative für Deutschland verhindert, da meldete sich deren Landesvorsitzender zu Wort: „Der politische Diskurs wird zunehmend vom Linksextremismus beherrscht, was eine sachliche Auseinandersetzung unmöglich macht“, teilte André Poggenburg mit und beantragte eine Aktuelle Stunde im Parlament. Dort ließ er verlauten, daß die ASten der Hochschulen „Hort des militanten Linksextremismus“ seien. Für die Journalisten der taz war dies „schwer zur ertragen“, und so räsonierte man darüber, „ob man sich durch AfD-Auftritte an Universitäten provoziert fühlen darf“.

Niedersächsische ASten Hochburgen der Militanz

Seit Jahrzehnten gelten die Allgemeinen Studenten-Ausschüsse (ASten) an den deutschen Hochschulen als Rückzugsort und Rekrutierungsstelle der linksextremen Szene. Dies hat Gründe.  Einer Studie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung aus dem Jahr 2014 zufolge engagieren sich gerade einmal 14 Prozent der Studenten in der Hochschulpolitik. Aktiv bringt sich nur jeder zwanzigste Student in den AStA oder in das Studentenparlament ein. Dies liegt auch an den Themen, die dort behandelt werden. So versuchte der ASta der Universität in Kassel im vergangenen Jahr, eine Pflichtteilnahme zu einer „Gender-Veranstaltung“ durchzusetzen. Kritiker wurden als „homophobe Faschisten“ beleidigt.

Als Hochburg des militanten Linksextremismus gelten die ASten in Niedersachsen. In Göttingen ist die antifaschistische Szene besonders stark. Dennoch gelang es vor rund zwei Jahren zwei Studenten des CDU-nahen Rings Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS), Referentenstellen im AStA zu besetzen. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Die Landesastenkonferenz (LAK) in Niedersachsen, Zusammenschluß von bislang 13 niedersächsischen Studentenvertretungen, schloß den ASta vorübergehend aus. Laut Satzung darf die LAK Studentenschaften ausschließen, wenn ihre Referenten Mitglieder von Organisationen sind, die „rassistische“ oder „sexistische“ Positionen vertreten. Nach Ansicht der LAK war dies bei den beiden Studenten der Fall, da diese zugleich Mitglied in einer Studentenverbindung waren. Die Landesastenkonferenz störte, daß der Verein Deutscher Studenten zu Göttingen ein „heteronormatives Rollenbild“ propagiere, welches „Frauen auf die Rolle von Freundinnen, Verlobten und Ehefrauen von Männern festlegt“. Die LAK setze sich hingegen für eine „emanzipatorische Gesellschaft“ ein und kämpfe gegen Sexismus, Rassismus und weitere Diskriminierungen. Der RCDS-Vorstand monierte damals, die LAK betreibe „aufgrund von Vermutungen“ eine Vorverurteilung des Göttinger AStA und versuche, den Ausschluß „mit der Sexismus-Keule“ durchzusetzen.

Die Themen „Sexismus“ und „Homophobie“ werden an den deutschen Hochschulen in den Agitationsstuben der ASten heiß diskutiert. In Köln wurde ein Verbot des örtlichen RCDS-Ablegers gefordert, weil dieser auf einem Wahlplakat von Studenten statt den gendersprech-gerechten „Studierenden“ gesprochen hatte. Besonders aktiv ist in Köln Jonas Thiele von der Hochschulgruppe „campusgrün“, die den Grünen nahesteht. Er agitiert seit Jahren für ein Verbot der drei Kölner Burschenschaften und bringt dies mit den Worten „Zensur statt Mensur“ auf den Punkt. Damit befindet er sich in Köln in guter Gesellschaft. Ohne große Probleme können militante Gruppen dort für ihre Veranstaltungen werben. So mobilisiert gegenwärtig das Autonome Zentrum Köln in Kooperation mit dem „Antifa-AK Köln“ für Proteste und Blockaden gegen den AfD-Parteitag Mitte April in der Domstadt. Vielsagend deren Ankündigung: „Wir haben es uns zum Ziel gemacht, die AfD-Party in Köln mit allen notwendigen Mitteln zu verhindern!“

Sonderlich tolerant ist man in Köln ohnehin nicht. So wollte vor einigen Monaten der linksstehende Politikwissenschaftler Armin Pfahl-Traughber über die AfD referieren. Erst nach der Einladung fiel dem AStA auf, daß sich der Professor auch kritisch mit dem militanten Linksextremismus auseinandergesetzt hat. Für die Studenten ein absolutes Unding, Pfahl-Traughber wurde kurzfristig ausgeladen. Schon eher nach dem Gusto des AStA ist dagegen der ultralinke Buchautor Jörg Kronauer, der als Experte zum Thema Studentenverbindungen durch die Lande reist und selbst in universitären antifaschistischen Gruppen sozialisiert wurde. Die Übergänge zwischen der gemäßigten Linken und der militanten Antifa sind dabei fließend. Eine bestimmte parteipolitische Bindung gibt es dabei nicht.

Das war in den sechziger und siebziger Jahren noch anders. So führte der hohe Anteil von DKP-nahen Hochschullehrern Anfang der siebziger Jahre zu dem Vorwurf, in den Politikwissenschaften und der Soziologie der Universität Marburg bestehe eine „Parteihochschule“.

Eine kritische Auseinandersetzung mit linksextremen Strukturen findet in aller Regel nicht statt. Als Forscher der FU Berlin Anfang 2015 herausgefunden hatten, daß es in Deutschland ein erhebliches Potential an Personen mit linksextremen Einstellungen gebe, forderte der AStA prompt die Schließung des entsprechenden Forschungsprojekts. Er wies die Studie als „unwissenschaftlich“ zurück und ging verbal in die vollen. „Man sollte annehmen, Antifaschismus und Zivilcourage würden gefördert von denen, die so gern mit dem Begriff Demokratie hantieren, aber das Gegenteil ist der Fall: Ein staatlich geförderter Forschungsverbund bläst implizit zum Angriff von Verfassungsschutz und Sicherheitsbehörden auf Linke und Antifaschisten. Dessen amtierender Präsident Hans-Georg Maaßen ist im übrigen ebenfalls mit der FU assoziiert – ein Schelm, wer Böses dabei denkt“, teilte das „Referat für Kommunikation und Antirepression“ des AStA mit.

Der benachbarte ASta der TU verwendet auf seiner Netzseite als Emblem einen roten Stern mit geballter Faust – eine offen kommunistische Symbolik, die durch den Zirkel an das Staatswappen der DDR erinnert. Sind Ähnlichkeiten mit dem Emblem der Terroristengruppe RAF, die auch den roten Stern verwendete, gewollt? Als Maskottchen dient dem ASta der FU wiederum ein Eichhörnchen, das gerade dabei ist, den Griff einer Sprengstoff-Zündmaschine hinunterzudrücken. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt?

Noch eindeutiger geht es dagegen an der Universität Hamburg zu. Dort ließ der AStA einen Kalender drucken, der in Auflage von 15.000 unter das Studentenvolk gebracht wurde. Darin machten sich Autoren  über tote Politiker aus dem liberalen und konservativen Spektrum lustig. Empörung löste dabei der Eintrag zum Todestag des von der RAF 1977 ermordeten Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer aus. „Mit seinem Tod schafft Hanns Martin Schleyer die Voraussetzung für die nach ihm benannte Mehrzweckhalle in Stuttgart“, hieß es auf dem Kalenderblatt des 18. Oktobers geschmacklos.

Immer wieder kommt es gegen solche Aktionen zu Klagen. Denn das sogenannte hochschulpolitische Mandat ist rechtlich bis heute umstritten. Jeder Student ist durch seine Immatrikulation gezwungen, einen gewissen Beitrag an die Studentenschaft zu bezahlen. Davon wird die Arbeit der ASten und des Studentenparlaments bezahlt. Ein Austritt aus dieser „Zwangsgemeinschaft“ ist lediglich in Sachsen-Anhalt und in Sachsen möglich.

Engagierte konservative  Studenten leben gefährlich

Im Sommer 2015 kam es zu einer Klage gegen den AStA der Universität Osnabrück. Der hatte die Gelder der Studenten zweckentfremdet, als er zu Protesten gegen die NPD, Pegida und gegen eine evangelikale Großdemonstration mit dem Namen „1.000 Kreuze-Marsch“ aufrief. Ein Gericht stellte schließlich fest, eine Grenze sei überschritten worden, und sprach laut Aussage des antifa-affinen taz-Journalisten Andreas Speit eine „orangene Karte“ aus. Die Klage wurde am Ende doch noch abgewiesen. Unterstützung erhielten die Linksaußenstudenten dabei wie so häufig von Vertretern der Gewerkschaften. „Es ist Unsinn, eine Grenze ziehen zu wollen“, sagte Nicole Verlage, DGB-Vorsitzende in Osnabrück. Wer die Aufgaben des AStA „einschränkt oder gar verbietet, verläßt die Basis dieser Gesellschaftsordnung, die sich ganz allgemein als freiheitlich-demokratisch verstanden wissen möchte“.

Es versteht sich von selbst, daß dieses Privileg nur linken Studenten offensteht.  Nationale und konservative Studenten, die sich an der Uni politisch engagieren, leben gefährlich. In Düsseldorf traut sich ein AfD-Mitglied nur noch mit Pfefferspray an die Universität, nachdem er eine parteinahe Gruppe gegründet hatte. Er berichtet von massiven Anfeindungen. Im vergangenen Juli gelang der AfD übrigens der erste Einzug in ein Studentenparlament. Ein Vertreter der AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative errang in Kassel einen Sitz. Die Aufregung war groß. „Wir sehen das sehr kritisch“, äußerte Ben Seel, Vorstandsmitglied des Bündnisses „Zusammenschluß freier StudentInnenschaften“ gegenüber dem Spiegel und teilte umgehend mit, daß man nicht mit AfD-Vertretern zusammenarbeiten werde. Nicht viel demokratischer in Düsseldorf. Dort zeichnete sich ein Wahlerfolg der AfD-nahen Gruppe ab. Die Wahl wurde kurzfristig abgeblasen. Man sehe die „Richtigkeit der Wahl in Gefahr“, teilte der Wahlausschuß mit. Man will in den Parlamenten und ASten lieber unter sich bleiben.

Als Hochburg des militanten Linksextremismus darf sich mittlerweile Leipzig bezeichnen. Dort blieb es entgegen allen Befürchtungen am vergangenen Sonntag allerdings ruhig. Der Alt-Neonazi Christian Worch hatte 150 Anhänger zu einer Kundgebung seiner Mini-Partei „Die Rechte“ im Süden der Stadt zusammengetrommelt, die als Hochburg der autonomen Szene gilt. Es kam zu vereinzelten Böllerwürfen und rund 20 Festnahmen. Das befürchtete Chaos blieb aus.

Das war im November 2015 noch anders. Damals wurden 69 Polizeibeamte verletzt, nachdem eine Antifa-Demo völlig aus dem Ruder lief. Seitdem beschäftigt sich auch der Verfassungsschutz mit der Szene im Stadtteil Connewitz. Nirgendwo sind die Übergänge so fließend zwischen militanten Autonomen, der Universität und der etablierten Politik. Schlüsselfigur ist der sächsische Grünen-Chef Jürgen Kasek. Der Rechtsanwalt ist bei Leipzig geboren, hat in Leipzig studiert und ist bestens mit studentischen Gruppen vernetzt. „Immer dann, wenn in Sachsen über Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit diskutiert wird, wenn in Heidenau oder Bautzen eine linke Soli-Demo stattfindet, dann kann man sicher sein, daß schon bald der Name Kasek auftaucht“, schrieb Die Zeit über ihn. Im Vorfeld der Demonstrationen des vergangenen Wochenendes warnte die örtliche Polizei davor, sich an militanten Aktionen zu beteiligen. „Es ist ungehörig zu sagen, daß die komplette Gegendemonstration in Verantwortung gezogen wird, wenn jemand einen Stein hebt. Das geht nicht“, sagte der Jurist. Die Polizei reagierte umgehend und scharf auf diese Einlassung: Es gehe nicht darum, den Protest gegen Neonazis zu kriminalisieren: „Wir halten aber auch das linksextremistische Auftreten für menschenverachtend und haßerfüllt.“

Die antifaschistischen Gegendemonstranten um Wortführer Kasek sehen sich aber im Recht. Rekrutiert wird direkt in der linksextremen Szene in Connewitz und an der Uni. Die Internetseite des „StudentINNENRates“ quillt über vor ultralinker Propaganda. Aufrufe zu Aktionen gegen den Leipziger Pegida-Ableger finden sich dort ebenso wie das Dauerbekenntnis, daß Flüchtlinge willkommen seien. Und die Gründung einer muslimischen Hochschulgruppe findet natürlich ebenfalls das Wohlgefallen der „besorgten“ Studentenschaft.