© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/17 / 24. März 2017

Reda Seyam ist der hochrangigste deutsche Bürger im Islamischen Staat – falls er noch lebt
Der Minister
Fabian Schmidt-Ahmad

Vielleicht lebt Reda Seyam, vielleicht ist er tot. In jedem Fall ist der Terrorist mit deutschem Paß am Ziel: Kampf und Opfertod für den Islam sind das Höchste, betonte der gebürtige Ägypter, lange bevor er Bildungsminister des Islamischen Staates wurde. So ist dieses Amt die vielleicht letzte Station seines Weges im Krieg für den Terror. Zwangsläufig war das alles nicht.

Als der 1960 geborene Seyam kurz vor der Wende 1989 nach Deutschland kommt, ist er ernsthaft um Integration bemüht. Er pflegt einen europäischen Lebensstil, lernt deutsch, so erzählt seine erste Frau, eine Deutsche, die heute mit dem Pseudonym Doris Glück unter Zeugenschutz lebt, in ihrem Buch „Mundtot. Ich war die Frau eines Gotteskriegers“. Ihr Ehemann dieser Zeit ist ehrlich empört über die Rückständigkeit seiner Landsleute, etwa wenn diese unverschleierte Frauen bedrohen.

Der Umschwung kam mit dem Golfkrieg 1991. Stundenlang saß Seyam grübelnd vor dem Fernseher. Für ihn attackierte der Westen seine moslemischen Brüder.

Seine Frau schaffte den Absprung nicht, als sich ihr Vorzeige-Integrationsobjekt zu wandeln begann. Ihm zuliebe gab sie stückweise ihre Freiheiten auf, konvertierte zum Islam, verlor den Kontakt zur Familie, akzeptierte Seyams neue Bekanntschaften, die kamen und gingen, ohne daß sie Fragen zu stellen wagte: Dschihad-Veteranen aus Afghanistan, ist sie sich heute sicher.

Auch Seyam zog es in den Kampf. Der Jugoslawienkrieg wurde zur Feuertaufe. Offiziell reiste er als Mitarbeiter einer moslemischen Hilfsorganisation nach Bosnien. Seine Frau, die ihm folgt, die Heirat einer Zweitfrau akzeptierend, berichtet dagegen heute von einer Tarnfirma. Seyam sei Teil einer zusammengewürfelten islamischen Bewegung gewesen, die auf dem Balkan die Blaupause für einen Gottesstaat, ein Kalifat, einübte – mit Seyam in der Rolle eines Propagandachefs. Sie erzählt von Kriegsverbrechen, von Enthauptungen gefangener Serben, die Seyam auf Videokassetten festhielt und an ein weltweites Publikum verschickte. Doch mit Kriegsende schwanden die Spenden, und Blauhelm-Soldaten interessieren sich für die Enklave. Seyam ging nach Saudi-Arabien, knüpfte Kontakte, prahlte mit einem Namen: Osama bin Laden. Er war oben angekommen.

2002 riß ein Attentat auf Bali 202 Menschen in den Tod. Reda Seyam wurde mit Gehaltslisten und Propagandavideos im Gepäck verhaftet. BKA-Beamte kamen seiner Verschleppung durch die CIA zuvor und flogen ihn nach Deutschland. Ein Verfahren verlief jedoch im Sande. Seyam lebte mit Zweitfrau und sieben Kindern von Sozialhilfe, seit 2004 in Berlin. Doch das Leben als Star einer aufblühenden salafistischen Szene reichte ihm nicht; er reiste nach Syrien. Vielleicht kam er dort 2014 bei einem Drohnenangriff um. Vielleicht aber taucht er morgen in einem deutschen Sozialamt auf.