© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/17 / 24. März 2017

Mehr Mut zur Debatte
Spielräume der Freiheit
Dieter Stein

An diesem Wochenende öffnen sich die Tore zur Leipziger Buchmesse. Sie ist der kleinere Bruder der in Frankfurt am Main stattfindenden Herbstmesse und vor allem ein Stelldichein deutscher Buchverlage, stärker zugeschnitten auf das Lesepublikum. 500 Jahre nach der Reformation, die mittels revolutionärer neuer Drucktechnik zum Urknall aufklärerischer Massendebatten wurde, ist die Buchmesse der Ort, an dem aktuelle gesellschaftliche Kontroversen schwarz auf weiß sichtbar werden.

Ob Kaiserliche Bücherkommission im Frankfurt des 17. Jahrhunderts oder spätere Zensurbehörden roter oder brauner Diktaturen – immer beäugten Mächtige kritisch den von neuen und noch schnelleren Medien beflügelten freien Austausch von Informationen und Meinungen. Die Freiheit, sich zu versammeln, offen und ohne Nachteile politisch äußern zu können und die Freiheit der Presse wurden die essentiellen, über Jahrhunderte zäh erstrittenen Rechte demokratischer Staaten. 

Subkutan findet jedoch unter der Oberfläche in allen Gesellschaften zu jeder Zeit, seien sie formell noch so freiheitlich und demokratisch, stets ein Kampf darum statt, wer den Raum der Öffentlichkeit hörbar betreten darf, wer den Zugang zu Mikrophonen in Rundfunk und Fernsehen erhält, wessen Spielräume weiter und wessen Spielräume enger werden. Es geht dabei immer schlicht um politische Macht.

Daß wir auch in Deutschland eine Unwucht haben zwischen dem, was Bürger denken und meinen und dem, was – insbesondere öffentlich-rechtliche – Medien abbilden und reflektieren, beschrieb vor 40 Jahren Elisabeth Noelle-Neumann schon als  das Phänomen der „Schweigespirale“. Diese Schieflage rückt nun in den letzten Jahren immer deutlicher ins Bewußtsein. Der polemische Ausruf „Lügenpresse“ oder „Fake News“ drang von den Rändern in die Mitte vor. In Sozialen Medien wie Facebook und Twitter reflektieren Leser und Zuschauer in Echtzeit, welche Nachrichten Verbreitung finden und sorgen für alternative Informationen.

Insbesondere im Zuge der seit September 2015 eskalierenden Flüchtlings- und Asylkrise empfanden wachsende Teile des Publikums, daß über die Köpfe der Bürger hinweggeschrieben, hinwegkommentiert wird.

Die ZDF-Moderatorin Dunja Hayali plädiert im Gespräch mit der JF dafür, den Dialog über politische Grenzen hinweg offener zu führen. Sie kritisiert die eigene Journalistenzunft, zu häufig die Distanz zu verlieren und den eigenen Vorurteilen nachzugeben. Ich meine, man sollte sie beim Wort nehmen, und ich will mir gerne an die eigene Nase fassen.

Vielleicht bewegt sich ja doch etwas. Verlassen wir alle unsere Echokammern, in denen wir uns manchmal nur noch selbst bestätigen. Der politischen Kultur täte es gut.