© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/17 / 17. März 2017

Mit genetischen Barcodes auf Schmugglerjagd
DNA-Analysen sollen im Kampf gegen den milliardenschweren illegalen Artenhandel helfen
Uwe Schaller

Nicht nur zum Wald, auch zur Tierwelt pflegen die Deutschen ein intensives Gefühlsverhältnis. Das unterscheidet sie von anderen Nationen und nimmt mitunter bizarre Formen an. So berichtet Sandra Altherr vom Verein Pro Wildlife darüber, daß immer dann, wenn die Entdeckung einer neuen Tierart gemeldet werde, mindestens zwei Deutsche ein Flugticket kaufen. Sie brechen auf in tropische Fernen, um sich ein seltenes Exemplar an Ort und Stelle zu sichern und das Tier ins heimische Wohnzimmer zu holen. Die Deutschen nähmen bei diesem Exotenimport eine „traurige Vorreiterrolle“ ein.

Gendatenbanken für Zoll-Fahnder

Allerdings, dies stellt die Umweltjournalistin Verena Müller in ihrem Report über den Handel mit seltenen Tier- und Pflanzenarten klar (Natur, 10/16), figurieren die deutschen Selbstabholer im internationalen Spektrum bestens organisierter Wilderer, Schmuggler, Händler und Käufer eher als Randgruppe. Auch das vorige Woche im Zoo von Thoiry bei Paris erschossene und seines Nashorns beraubte weiße Rhinozeros oder der Horndiebstahl im Stadtmuseum von Offenburg stehen bislang nicht für einen neuen Trend.Das große Geschäft beim „Ausverkauf mit der Natur“ machen andere, deren Handelsdrehscheiben zwischen Afrika und Südostasien rotieren.

Interpol taxiert ein Kilogramm Nashorn – das wegen seiner aphrodisierenden Wirkung besonders in China gefragt ist – auf über 50.000 Euro. Ein einträgliches Geschäft ist auch Elfenbein, wie eine Übersicht des International Fund for Animal Welfare zeigt. Der zufolge hätten im Frühjahr 2016 thailändische Behörden in zwei Einsätzen gegen die Elfenbein-Mafia sieben Tonnen des weißen Goldes aus dem Verkehr gezogen. Gleichzeitig gelang es bei einer Razzia in Singapur, 3,7 Tonnen Elfenbein zu beschlagnahmen. Für diese Menge zusammen mußten etwa 200 Elefanten sterben. Jeder „liefert“ dabei zwei Stoßzähne zu je 50 bis 60 Kilogramm, die zusammen bis zu 36.000 Euro kosten. 

Solche Erfolge können das Elefantensterben aber nicht verhindern. Nach dem im Sommer 2016 veröffentlichten Great Elephant Census ist der afrikaweite Bestand der Dickhäuter zwischen 2007 und 2014 um weitere 30 Prozent eingebrochen, auf 352.271 Tiere, verteilt auf 18 Staaten. 1979 waren es noch 1,3 Millionen Exemplare. Den Geschäftsführer der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt, Christof Schenck, überrascht der Rückgang um acht Prozent jährlich nicht, denn „die Wilderei ist ungebrochen auf sehr hohem Niveau“ (Gorilla, 3/16). Der Elfenbeinhandel ist damit eines der lukrativsten „Subunternahmen“ der mit seltenen Naturgütern handelnden Syndikate, die wiederum mit 14,7 Milliarden Euro jährlicher Einnahmen gleich hinter Drogenhandel, Produktpiraterie und Menschenhandel auf dem viertgrößten illegalen Geschäftsfeld operieren.

Doch auch die Artenschützer rüsten auf. Mit Hilfe von Gendatenbanken soll es Fahndern erleichtert werden, die Herkunft von Tieren und Pflanzen so exakt wie möglich zu bestimmen. Verena Müller illustriert erste Erfolge der DNS-Waffe im Kampf gegen Tierschmuggler anhand der Beratung von Zollbeamten am Flughafen Leipzig/Halle durch das benachbarte Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). Dort bestimmt der Biologe Mark Auliya aufgrund eines „genetischen Fingerabdrucks“, woher etwa beschlagnahmte Handtaschen aus Schlangenleder stammen.

Wie auch bei den Kollegen der Royal Zoological Society of Scotland (RZSS) stehen die Riesenschlangen Asiens, Netz- und Tigerpython, im Zentrum der Aufmerksamkeit von „DNS-Fahndern“. Um sukzessive die Bestände detailliert zu erfassen, müssen an Ort und Stelle, in Südostasien, Gewebeproben in möglichst vielen Pythonpopulationen entnommen werden. Daraus extrahieren die Forscher die DNS, wobei sie sich auf den Abschnitt der für die Energiegewinnung zuständigen Mitochondrien konzentrieren.

Ein bestimmter Abschnitt dieser DNS markiert eine Differenz zwischen Populationen, so daß etwa Pythons von den Philippinen von ihren Verwandten auf Borneo zu unterscheiden sind. Die Leipziger Zollbeamten kann Auliya deshalb darüber aufklären, ob die Handtaschen aus malaysischen Schlangenhäuten gefertigt und legal eingeführt worden sind, oder ob sie aus Vietnam stammen, von wo sie Schmuggler nach Malaysia brachten und falsch deklarierten.

Stoßzahnherkunft läßt sich immer genauer ermitteln

Ähnlich sollen genetische Barcodes demnächst legal gehandeltes von illegalem Elfenbein trennen. Auch chemische Elemente sind ein wichtiges Beweismittel. Varianten von Wasser-, Sauer- und Kohlen- und Stickstoff sowie Schwefel lagern sich im Tiergewebe und in die Stoßzähne ein. In ihnen, so zitiert Müller den WWF-Zoologen Stefan Ziegler, spiegele sich die Isotopenlandschaft wider, in der die Savannenbewohner lebten, bevor Wilderer sie töteten. Inzwischen könne man mittels Barcode einen Stoßzahn auf 300 Kilometer genau dem ursprünglichen Lebensraum des gewilderten grauen Riesen zuordnen. Den ersten Fahndungserfolg feierte Ziegler 2011 beim Leipziger Zoll. Seine Isotopenanalyse ergab, daß der Inhalt einer in Nigeria aufgegebenen Elfenbein-Sendung aus Zentralafrika stammte und zu Recht beschlagnahmt worden war.

Derzeit werden die Anwendungsfelder der Barcode-Methode ausgeweitet. 2016 nahm ein modernes Genlabor in Nairobi seine Arbeit auf. Das erste in Ostafrika. Man will damit die kenianische Wildschutzbehörde unterstützen, der nicht nur die Elfenbeinjäger zusetzen, sondern eine wachsende Zahl Einheimischer, die sich mit Buschfleisch versorgen und sich dabei nicht auf Elefanten beschränken, sondern auch Giraffen, Affen, Zebras, Büffel und Antilopen nicht verschmähen. Staatliches Hauptmotiv, um diese Massaker zu stoppen, ist aber nicht der Artenschutz, sondern die eindringliche Warnung der letzten westafrikanischen Ebola-Epidemie, die durch den Verzehr von Buschfleisch ausgelöst wurde.

Um reinen Ressourcenschutz geht es hingegen Bernd Degen, Direktor des Thünen-Instituts für Forstgenetik in Großhansdorf unweit von Hamburg. In seinem Labor würden sich Holzprodukte, vom Kinderspielzeug bis zum Pizzaheber, stapeln, eingeschickt von Holzhändlern, die nicht mit der Holzhandelsverordnung (EU-Richtline 995/2010) in Konflikt geraten möchten, die den Handel mit Hölzern aus illegalem Einschlag verbietet.

Degen gilt als Topadresse in der Branche, da er auf vielen Tropenexkursionen Referenzmaterial für seine Holz-Gendatenbank gesammelt hat. Wenn sie einmal vollständig ist, kann der Holzforscher bis auf 100 Kilometer genau sagen, woher ein Stück Holz stammt. Das wäre ein nicht unwichtiger Beitrag im Kampf gegen ein „Gewerbe“, das jährlich etwa zehn Milliarden Euro damit umsetzt, jahrhundertealte Baumgiganten zu Mahagoni-Möbeln zu verarbeiten. 

„Towards understanding isotope variability in elephant ivory“, in Biological Conservation (197:154-163 /5/16)  researchgate.net

Forschungsbereich Ökologische Genetik des Thünen-Instituts:  www.thuenen.de