© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/17 / 17. März 2017

Die Ein-Thema-Partei muß schnell dazulernen
Ukip: Mit Nigel Farage im Nacken versucht Parteichef Paul Nuttall den Neustart der Unabhängigkeitspartei
Michael Walker

Nach den Streitereien, die die Partei seit ihrem Triumph bei dem Volksentscheid im vergangenen Juni auf teilweise komödiantisch anmutende Weise zerrütten, muß die Ukip sich nach Einheit und stetigem Wachstum gesehnt haben. Statt dessen verlor ihr Vorsitzender Paul Nuttall am 22. Februar eine Unterhausnachwahl in der Brexit-Hochburg Stoke-on-Trent mit 5.233 zu 7.853 Stimmen (Labour). Freunde wie Feinde der Partei hatten das Ergebnis im Vorfeld als „ausschlaggebend“ für die Zukunft bezeichnet. Nach der Niederlage verkündete Nuttall, der Ende November 2016 mit 62 Prozent der Stimmen aller Parteimitglieder zum neuen Vorsitzenden gewählt worden war, vollmundig, er werde „nirgendwohin gehen“. Der Parteigründer und langjährige Vorsitzende Nigel Farage verlautbarte, Nuttall habe die Nachwahl verloren, da er „nicht entschieden genug Position zur Einwanderung bezogen“ habe, während Farages Freund und wichtigster Parteispender Aaron Banks sich beschwerte, Nuttall führe die Partei „wie einen Kramladen“.

Wirtschaftspolitisch kritisiert er libertären Kurs

Nuttall präsentiert sich als moderater Einheitskandidat, der wenig mit dem Ukip-Gründer gemeinsam hat. Der 40jährige ist gläubiger Katholik mit den entsprechenden konservativen Ansichten zur Abtreibung und anderen sozialpolitischen Fragen. Als Akademiker bringt er im Gegensatz zu Farage keinerlei Erfahrung oder Kontakte zur Wirtschaft mit. Politisch positioniert er sich zwischen Hardlinern wie Farage und „Gemäßigten“ wie Douglas Carswell, dem abtrünnigen Tory, der als einziger Ukip-Abgeordneter im britischen Parlament sitzt; in Wirtschaftsfragen allerdings bekennt er sich ausdrücklich als Kritiker des libertären Kurses, wie er beispielsweise Parteimäzen Aaron Banks (JF 49/16) vorschwebt.

Daß Labour siegreich aus der Nachwahl in Stoke hervorging, dürfte nicht zuletzt an den Skandälchen und Fehltritten gelegen haben, die Nuttall im Wahlkampf plagten und von den weitgehend Ukip-kritischen Medien genüßlich breitgetreten wurden. Mit am meisten schadete ihm wohl seine später revidierte Behauptung, er habe 1989 bei dem Unglück im Hillsborough-Stadion in Sheffield, bei dem 96 Menschen ums Leben kamen, enge Freunde verloren.

Hat die Ukip überhaupt noch eine Daseinsberechtigung? Diese Frage läßt sich nicht zuletzt mit dem Hinweis bejahen, daß ihre Mission bislang noch nicht abgeschlossen ist, solange der Brexit nicht offiziell vollzogen ist. Prominente britische Politiker wie der ehemalige Premierminister Tony Blair und der ehemalige Chef der Liberaldemokraten Paddy Ashdown machen offen gegen den Austritt mobil.

Eine gewisse Ironie liegt darin, daß die Ukip bei EU-Wahlen aufgrund des dort geltenden Verhältniswahlrechts weitaus erfolgreicher abschneidet als im eigenen Land, wo ein striktes Mehrheitswahlrecht gilt.Dennoch gibt sich Nuttall kampflustig und schlägt sämtliche Spekulationen über einen bevorstehenden Rücktritt in den Wind. 

Allerdings sind nicht nur unter den erklärten Ukip-Gegnern viele der Meinung, daß die Partei ihren Zenit überschritten hat und die Niederlage in Stoke den Anfang vom Ende bedeutet. Die Nachfolge Farages anzutreten, der nicht nur stets für Unterhaltung gut war, sondern Nuttall nun auch noch ständig im Nacken sitzt und bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit bereit ist, der Presse lang und breit zu erklären, was er alles falsch macht, ist mit Sicherheit eine undankbare Aufgabe. Erst recht nicht zu einem Zeitpunkt, da die Ein-Thema-Partei Ukip sehr schnell lernen muß, ein breiteres Spektrum abzudecken, wenn sie überleben will. Schließlich hat Pateimäzen Banks kein Interesse daran, sein Geld zum Fenster hinauszuwerfen, sondern will handfeste Erträge aus seiner Investition sehen, wie sie Farage mit der Erzwingung und dem Erfolg des Volksentscheids einbrachte.