© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/17 / 17. März 2017

Fernziel 51 Prozent
Vor der Landtagswahl: Die Saar-AfD galt stets als Sorgenkind der Partei / Mittlerweile sind die Wogen etwas geglättet / Liberal-Konservative ohne große Chancen
Christian Schreiber

Sechs Wochen vor der Landtagswahl im Saarland gab sich Josef Dörr siegessicher. „Wir sind drin, drin, drin“, rief der 78jährige Landesvorsitzende der Alternative für Deutschland beim Wahlkampfauftakt seinen Anhängern entgegen. Mittlerweile ist die Euphorie verflogen. Zuletzt sahen die Meinungsforscher seine Partei nur bei sieben Prozent (Insa). Tendenz fallend. Manfred Güllner, Chef des nicht gerade AfD-freundlichen Instituts Forsa, hält mittlerweile sogar für nicht mehr ausgeschlossen, daß die Partei noch an der Fünfprozenthürde scheitert. Seiner Prognose zufolge kommt die AfD auf nur noch sechs Prozent. Anfang des Jahres waren es noch neun gewesen, im Sommer 2016 sogar zwölf Prozent. 

Die AfD bestreitet im kleinsten Flächenland der Republik, wo am 26. März gewählt wird, ihren bisher schwersten Wahlkampf. Das hat bundespolitische, aber auch regionale Gründe. Wie die Linkspartei und die Grünen hat auch die AfD mit dem Schulz-Effekt und der daraus resultierenden Mobilisierung der beiden großen Parteien zu kämpfen.  Zudem spielt die Flüchtlingskrise, das große Thema der Wahlkämpfe 2016, derzeit in der öffentlichen Wahrnehmung keine so große Rolle mehr. Hierzu kommt, daß die in einer Großen Koalition regierende CDU mit Innenminister Klaus Bouillon im Ruf steht, die Probleme der Einwanderungswelle vor Ort gut gelöst zu haben. 

Noch viel schwerer wiegt allerdings der Zustand des Landesverbandes, der offiziell 350 Mitglieder hat, aber dessen Arbeit nur schwer zu durchschauen ist. Seit der ehemalige Sonderschullehrer Dörr im Frühjahr 2015 handstreichartig den Vorsitz übernahm, wurde nahezu die gesamte Führungsspitze des Verbands ausgetauscht. Bundesweite Schlagzeilen machte Dörr, als der Bundesvorstand im vergangenen Jahr die Auflösung des Verbands beschloß. Der Vorsitzende und einige seiner Mitstreiter hätten Kontakte zu Rechtsextremisten gehabt. Der Bundesparteitag bestätigte die Maßnahme zunächst, die anschließend vom Bundesschiedsgericht wieder kassiert wurde. 

Die beiden Parteivorsitzenden Frauke Petry und Jörg Meuthen forderten noch im vergangenen Oktober, der Landesverband möge auf einen Wahlantritt verzichten. Mittlerweile hat sich das Verhältnis offenbar wieder entspannt. Petry selbst wird Anfang der Woche im Saarland erwartet, zur Abschlußveranstaltung in Saarbrücken ist auch Co-Parteichef Meuthen angekündigt. Zudem waren mit Paul Hampel und Georg Pazderski weitere Mitglieder des Bundesvorstands an der Saar im Wahlkampf-Einsatz. 

Spitzenkandidat ist der 66jährige Saarbrücker Immobilienkaufmann Rolf Müller, der ebenfalls in die Schlagzeilen geraten war, als der Stern veröffentlichte, daß Müller in seinem Antiquitätengeschäft Abzeichen mit Hakenkreuz und sogenanntes „KZ-Geld“ zum Kauf angeboten habe. Ein Ermittlungsverfahren wurde durch die zuständige Staatsanwaltschaft mittlerweile eingestellt. Doch der Ruf der AfD hat vor Ort weiter gelitten. Zudem fällt es der Partei schwer, sich mit ihren Forderungen Gehör zu verschaffen. Bei den zahlreichen Diskussionsrunden traten die AfD-Vertreter kaum in Erscheinung. 

Bei den Veranstaltungen hielt sich das Interesse eher in Grenzen, zum Politischen Aschermittwoch mit Gastredner Hampel kamen laut Saarbrücker Zeitung nur etwa 60 Personen. Dennoch gibt sich Spitzenkandidat Müller optimistisch und geht „von einem deutlich zweistelligen Ergebnis“ aus. Landeschef Josef Dörr sprach während des Wahlkampfs öfter von einer „Elite des guten Willens“. Für ihn ist die AfD „nicht rechts, nicht links, sondern vorn und oben“ und auf dem Weg „von einer kleinen zu einer großen Volkspartei“. Fernziel sei es, „51 Prozent zu bekommen“. 

Weitaus kleinere Brötchen müssen dagegen die Liberal-Konservativen Reformer (LKR) backen. Die vom ehemaligen AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke unter dem Namen Alfa gegründete Partei tritt nach dem verlorenen Prozeß um die Namensrechte erstmals unter der neuen Etikettierung an. Spitzenkandidat ist der ehemalige Saarbrücker AfD-Kreisvorsitzende Sven Wagner, der auch die LKR-Fraktion im Stadtrat der Landeshauptstadt führt. 

Bei ihrem ersten Antritt kann sich die Kleinstpartei mit nach eigenen Angaben gerade einmal 30 Mitgliedern an der Saar der Unterstützung der Parteiprominenz sicher sein. Neben Lucke sowie dem früheren AfD-Vize Hans-Olaf Henkel traten auch die Europaabgeordneten Ulrike Trebesius, Bernd Kölmel und Joachim Starbatty an der Saar auf. Allerdings vor in der Regel nicht mehr als zwei Dutzend Zuhörern. 

Die LKR wollen in Abgrenzung zur AfD „die Alternative für Anständige“ sein.  In den bisherigen Umfragen sind relevante Zustimmungswerte für die Partei, die einen kostenintensiven Wahlkampf über Zeitungsannoncen führt, nicht meßbar. „Ein Resultat im deutlich wahrnehmbaren Bereich wäre schon ein Erfolg“, sagt Spitzenkandidat Wagner.