© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/17 / 10. März 2017

Feindkontakt mit Dauerfeuer
Dramatik bei der „Operation Libelle“ 1997 in Albanien
Wolfgang Kaufmann

Das erste Feuergefecht deutscher Soldaten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs fand im März 1997 statt. Ursächlich verantwortlich hierfür war der weitgehende Zusammenbruch der staatlichen Ordnung in Albanien infolge des sogenannten Lotterie-Aufstands. Dubiose Finanzjongleure hatten ein Schneeballsystem aufgebaut und viele im Bankenwesen völlig unerfahrene Albaner damit um Milliarden geprellt, was schließlich zu gewalttätigen Massenprotesten und Plünderungen führte. Angesichts der Vorkommnisse während des Bürgerkrieges in Ruanda drei Jahre zuvor beschlossen die westlichen Staaten in dieser Situation, ihre Bürger aus Albanien zu evakuieren.

Die Bundesregierung unter Helmut Kohl entsandte dazu am 14. März 1997 sechs Transporthubschrauber des deutschen Kontingents der SFOR in Bosnien-Herzegowina. An Bord befanden sich insgesamt 89 Soldaten, die von dem Fallschirmjäger-Obersten Henning Glawatz kommandiert wurden. Die steil angesetzte Landung der ersten beiden Helikopter auf dem alten Militärflughafen von Labrak unweit der deutschen Botschaft in Tirana verlief ohne größere Zwischenfälle, doch als um 15.59 Uhr die dritte CH-53 herabstieß, tauchten plötzlich zwei leicht gepanzerte Fahrzeuge auf, wonach Schüsse fielen. 

Von wem diese kamen, ist bis heute unklar: Vielleicht hatten albanische Polizisten, die das Gelände sichern sollten, in Panik gehandelt. Jedenfalls entspann sich nun ein minutenlanges Gefecht, in dem die Bundeswehrsoldaten genau 188mal feuerten. Worauf, bleibt freilich offen. Immerhin stellte man später nur einen einzigen Treffer am Heck des zuerst gelandeten Bundeswehr-Hubschraubers fest, was von keinem sonderlichen Angriffswillen des Feindes zeugt – sofern es einen solchen überhaupt gegeben hat …

Bis 16.09 Uhr konnten die SFOR-Maschinen alle 21 Deutschen aus Tirana an Bord nehmen. Außerdem flogen sie auch 77 weitere Personen aus 21 Ländern aus, darunter insbesondere Ungarn, Japaner und Österreicher. Die Evakuierten wurden zunächst nach Montenegro und dann mit zwei „Transall“-Flugzeugen der Luftwaffe nach Köln-Bonn gebracht.

Der Einsatz, den Kohl und sein Verteidigungsminister Volker Rühe zuvor mit dem Auswärtigen Amt und den Spitzen der Bundestagsfraktionen abgestimmt hatten, fand später die Zustimmung des Parlaments. Trotzdem erhielten die beteiligten Soldaten keinerlei Auszeichnungen, weil das Ganze angeblich ein völlig normaler Teil ihrer SFOR-Mission gewesen sein soll.