© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/17 / 10. März 2017

Aus der Sackgasse in den Verfall
Vor 25 Jahren siegte Frederik de Klerk im Referendum über das Ende der Apartheid in Südafrika
Yorck Tomkyle

Am Ende war es ein deutlicher Sieg, mit dem der amtierende südafrikanische Präsident Frederik Willem de Klerk an diesem 17. März 1992 seinen Widersacher von der Conservative Party in die Schranken wies. Über 68 Prozent der weißen Stimmberechtigten hatten sich in einem landesweiten Referendum für die Fortführung der Aussöhnungspolitik von FW, wie man den Präsidenten landläufig nannte, entschieden. Dies war der vorläufige Abschluß eines langen und schmerzhaften Weges aus der Apartheid und für viele Beginn einer neuen Zeit.

Vorausgegangen war zunächst die Verschärfung der Apartheidspolitik unter De Klerks Vorgänger Pieter Willem (genannt PW) Botha, welche die sich verschärfende Staatskrise in der achtziger Jahren eindämmen sollte und das Gegenteil erreicht hatte. Immer mehr Landesteile waren bald von bürgerkriegsartigen Unruhen erfaßt worden, die schließlich nur noch mit äußerster Anstrengung unterdrückt werden konnten. 

Zu den Unruhen im Inneren kamen der jahrelange militärische Konflikt mit der Swapo in Südwestafrika, dem heutigen Namibia, sowie die wirtschaftlichen, politischen und – in einem sportbegeisterten Land wie Südafrika nicht zu unterschätzenden – sportpolitischen Sanktionen. Gegen Ende des Jahrzehnts hatte sich die Spirale aus Gewalt und Gegengewalt so schnell gedreht, daß große Teile der weißen wie der schwarzen Bevölkerung des Landes müde waren. Botha trat, zermürbt von innerparteilichen Flügelkämpfen, ab und machte Platz für den neuen starken Mann: FW

Weigehend unbekannt war damals, daß bereits PW damit begonnen hatte, auf dem Verhandlungsweg mit Nelson Mandela nach Möglichkeiten zu suchen, den Konflikt friedlich zu beenden. Sein Nachfolger nahm den Faden auf und trieb die Versöhnungspolitik weiter voran: Im Jahr 1990 wurde Mandela freigelassen, Namibia in die Unabhängigkeit entlassen und schließlich wurden offizielle Verhandlungen mit dem ANC aufgenommen und der langjährige Ausnahmezustand aufgehoben.

Hochgesteckte Ziele von 1992 haben sich nicht erfüllt

Aber die Politik De Klerks wurde nicht überall goutiert – es formierten sich innerhalb der weißen Wählerschaft des Landes starke Gegenkräfte. Deren politisches Sprachrohr, die Conservative Party mit ihrem charismatischen Vorsitzenden Andries Petrus Treurnicht, der aufgrund seiner harten Haltung in den Medien mit dem Spitznamen Dr. No bedacht wurde, gewann 1991 und 1992 mehrere Nachwahlen. Diese Wahlerfolge wurden von Treurnicht als Beleg dafür gewertet, daß De Klerk sein Mandat zu Verhandlungen mit dem ANC verloren habe. Die Kampagne zeigte Wirkung und de Klerk entschied sich schließlich, ein Referendum über diese Frage abzuhalten. Ihm war klar, daß er sein Versöhnungsprojekt und die dadurch implizierten massiven gesellschaftlichen Umwälzungen nur dann vorantreiben konnte, wenn die damals ausschließlich weißen Wähler ihm den Rücken stärken würden und er Dr. No mit diesem Referendum ausschalten konnte. 

Es begann eine Wahlkampagne, die von beiden Seiten mit gnadenloser Härte geführt wurde. Allerdings hatte De Klerk die besseren Karten: Viele Unternehmen des Landes unterstützten seine Kampagne, da das Ende der Sanktionen winkte. Die Angst der weißen Bevölkerung vor einer neuerlichen Gewalteruption und die Hoffnungen auf die Verheißungen der neuen Zeit waren größer als die Angst vor dem Ende der weißen Dominanz. Allgemein herrschte das Gefühl vor, daß es nur einen Weg aus der Sackgasse geben könne: den von de Klerk. Mit einer deutlichen Mehrheit wurde die Politik des Präsidenten schließlich bestätigt.

Im Rückblick auf die letzten 25 Jahre fällt das Resümee allerdings äußerst durchwachsen aus. Obgleich sich die Angst vor einem Bürgerkrieg oder der gewaltsamen Vertreibung der Weißen vom Kap bis heute nicht bestätigt hat, kommt auch ein wohlwollender Betrachter der Entwicklungen nicht daran vorbei, daß Südafrika auf fast allen relevanten Gebieten einen schleichenden Verfall verkraften muß:

60 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der südafrikanischen Armutsgrenze, 30 Prozent (offiziell) bis 45 Prozent (inoffiziell) der Schwarzen sind arbeitslos, die Rate an schweren Verbrechen bis hin zum Mord ist mittlerweile eine der höchsten der Welt, Korruption und Vetternwirtschaft haben die vom ANC dominierte Politik und Wirtschaft mittlerweile fest im Griff.

Es gibt nicht wenige, die nach 25 Jahren das ernüchterte Fazit ziehen, daß sich viele der hochgesteckten Ziele von 1992 nicht nur nicht erfüllt haben: Aus dem damals drohenden akuten Chaos ist in den Augen vieler lediglich ein schleichender Verfall geworden, die weißen Herren wurden durch eine neue schwarze Kaste ersetzt, die sich selbst bereichert und den damals erhofften Veränderungsprozeß paralysiert hat. Die große Masse der Schwarzen ist heute mindestens so arm und gesellschaftspolitisch unmündig wie vor 1992.

Radikale Strömungen werden stärker, der Riß in der Gesellschaft tiefer. Die Zukunft des Landes ist heute so ungewiß wie vor 25 Jahren. Und ein zweiter Mandela ist nicht in Sicht.