© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/17 / 10. März 2017

Facebook kennt die Wahrheit
Warnhinweise als besonderes Qualitätsmerkmal
Tobias Dahlbrügge

Es ist soweit! Facebook macht Ernst: Das soziale Online-Netzwerk markiert „umstrittene“ Beiträge mit dem Hinweis „Disputed“ (Angezweifelt). Das rote Ausrufezeichen soll Nutzer vor „Fake News“ schützen. Damit reagiert das Unternehmen auf politischen Druck, Artikel inhaltlich zu prüfen. Facebook hat zwei „unabhängige Faktenchecker“ engagiert, die kontroverse Beiträge aufspüren sollen. 

Einer davon ist snopes.com. Dahinter steckt ein inzwischen geschiedenes, kalifornisches Aktivisten-Paar. Die britische Zeitung Daily Mail berichtet, die Betreiber hätten Kontakte zur Porno-Szene. Unzweifelhaft ist jedoch, daß snopes schon eine Kampagne gegen Ex-Präsident Bush initiiert hat. Die Qualifikation der „Faktenchecker“ besteht aus einem Blog, der sich mit urbanen Legenden beschäftigt. 

PolitiFacts ist ein Recherche-Pool von Journalisten der Tampa Bay Times, die ein „Truth-O-Meter“ entwickelt haben, mit Hilfe dessen sie Aussagen von US-Kongreßabgeordneten kritisch analysieren. Auch PolitiFacts ist keineswegs unumstritten. Erst wenn beide Instanzen einen Facebook-Beitrag als unglaubwürdig einstufen, wird er auf Facebook markiert. Doch das kann mitunter dauern: Der erste als „Angezweifelt“ ausgewiesene Artikel war eine Meldung über Donald Trump aus der Seattle Tribune. Dieser ging am 26. Februar ins Netz. Snopes brauchte vier Tage für seine Expertise, PolitiFacts noch einen weiteren. Fünf Tage war die Meldung bereits online, als Facebook das rote Rufzeichen auf die Seite setzte. Doch der Warnhinweis war selbst eine „Fake News“ – denn die Seattle Tribune ist eine offensichtliche Satireseite! 

Ob und wann Facebook den Warnhinweis auch in Deutschland einführt, ist noch ungewiß. Hier hat der Konzern das „Recherchezentrum“ Correctiv beauftragt, kontroverse Inhalte zu überprüfen. Um tätig zu werden, stützt sich Correctiv auf Meldungen von Nutzern. Ob dann auch Beiträge von „Qualitätsmedien“ als zweifelhaft eingestuft werden, bleibt abzuwarten. Die Kriterien sind jedenfalls undurchsichtig: Was ist, wenn nur ein Teil der Meldung falsch oder die Richtigkeit Auslegungssache ist? Was ist, wenn die Einzelfakten stimmen, aber ein polemischer Zusammenhang hergestellt wird? Was ist, wenn sich eine Behauptung erst im nachhinein als Falschmeldung herausstellt? Derweil werden die Pläne der Bundesregierung konkreter: Als Basis eines Gesetzentwurfes könnte ein Arbeitspapier der SPD dienen, das vorsieht, soziale Netzwerke zur Einrichtung einer dauerhaft erreichbaren Kontaktstelle zu verpflichten, die gemeldete Beiträge mit Rechtsverstößen innerhalb einer definierten Frist entfernt. 

Andernfalls sollen den Betreibern hohe Geldstrafen drohen. Aber wer sagt, daß ein Warnhinweis von staatlichen oder staatlich beauftragten Wahrheitswächtern von den Nutzern nicht als Qualitätshinweis gedeutet werden würde?